Tsingshan sorgt für Chaostage im Nickelmarkt
nh Schanghai
Der chinesische Edelstahl- und Nickelkonzern Tsingshan mit Sitz in der Provinz Zhejiang dürfte bislang nur Branchenkennern ein Begriff gewesen sein, macht nun aber mit einer denkbar unglücklichen Wette auf fallende Nickelpreise über Futures-Kontrakte an der London Metal Exchange (LME) global Schlagzeilen. Zu Wochenbeginn hatten die vom Ukraine-Krieg angefachten Sorgen über Engpässe bei wichtigen Industriemetallen den vom Handel an der LME bestimmten Weltmarktpreis für Nickel in bislang nie gekannter Weise in die Höhe schießen lassen und damit einige Disponenten überrumpelt.
Binnen zwei Tagen jagte der Preis für die Tonne Nickel im Futures-Markt um bis zu 250% auf mehr als 100000 Dollar in die Höhe, bis die LME-Verantwortlichen die Reißleine zogen und den Handel bis auf Weiteres aussetzen ließen. Nun gilt es vor allem, dafür zu sorgen, dass Akteure mit Short-Positionen auf Nickel-Futures in die Lage versetzt werden, ihre immensen Nachschussverpflichtungen in Form sogenannter Margin Calls auf die unter Wasser liegenden Kontrakte zu erfüllen, wobei Tsingshan das Sorgenkind Nummer 1 abgibt.
Marktteilnehmer vermuten, dass die Chinesen mit ihrer gewaltigen Short-Position auf Nickel zum letzten Rekordpreis auf Marktverluste von über 2 Mrd. Dollar gekommen sind, die mit Margin-Einschüssen abgesichert werden müssen. Gleichzeitig heißt es bei Metallbrokern, dass die noch nicht aufgelöste Futures-Position an der LME in Verbindung mit separaten Kontraktwetten, die Tsingshan auf bilateraler Basis mit einzelnen Banken eingegangen ist, sich über rund 150000 Tonnen Nickel erstreckt.
Wie am Donnerstag zu hören war, ist es Tsingshan gelungen, Rückendeckung von einer Reihe chinesischer, aber auch internationaler Banken zu bekommen, die der Gesellschaft Kreditlinien einräumen, mit denen sie ihren unmittelbaren Zahlungsverpflichtungen aus Kontrakteinschüssen nachkommen könnte. Damit dürfte zumindest einer von chinesischer Seite ausgehenden Derivatemarktkrise und dem Zusammenbruch des Nickelhandels entgegengewirkt werden. Da Nickel neben der Verwendung für alle erdenklichen Edelstahlprodukte auch für Elektrofahrzeugbatterien unverzichtbar ist, würde dies einen schweren Schatten auf die im Weltmarkt dominierenden chinesischen Batteriehersteller und die stark auf China fokussierte Elektroautobauerszene werfen.
Die vom chinesischen Stahlbaron Xiang Guangda kontrollierte und angeführte Tsingshan Holding steht nun vor einer dramatischen Entscheidungsfindung. In kurzer Frist ist die Nickelpreishausse wegen der zu einem Niveau bei etwa 20 000 Dollar eingegangenen Wette auf sinkende Preise eine katastrophale Entwicklung, die einen gigantischen Liquiditätsbedarf erfordert, um an den Kontrakten vorerst festzuhalten das Problem auszusitzen. Langfristig allerdings kämen höhere Nickelpreise Tsingshan als einem der Top-Produzenten weltweit, der über seine Aktivitäten in Indonesien auf im Branchenvergleich extrem niedrige Produktionskosten kommt, natürlich sehr zugute.