Turbulenzen vor wegweisender Tesla-Hauptversammlung
Turbulenzen vor wegweisendem Tesla-Aktionärstreffen
Hindernisse bei Abstimmungen durch Privatanleger bedrohen Vergütung von CEO Musk – Stimmrechtsberater sprechen sich gegen Kompensationspaket aus
Bei der Hauptversammlung von Tesla steht ein Milliarden-Vergütungspaket für CEO Elon Musk im Mittelpunkt. Die Freigabe dürfte allerdings auf Hindernisse stoßen. So wenden sich institutionelle Investoren vom Kompensationsplan ab – und wichtige Privatanleger können wohl nicht an der Abstimmung teilnehmen.
xaw New York
Vor der wegweisenden Hauptversammlung in der kommenden Woche kämpft Tesla mit heftigen Turbulenzen. Auf dem Aktionärstreffen sollen die ausgewählten Anteilseigner, die zum Unternehmenssitz in Austin reisen dürfen, und die größere Zahl, die virtuell teilnimmt, über zwei Kernpunkte abstimmen: ein milliardenschweres Vergütungspaket für CEO Elon Musk und einen Umzug der Eintragung als Kapitalgesellschaft vom Bundesstaat Delaware nach Texas. Doch gerade in Bezug auf die Unterstützung einer wichtigen Investorengruppe drohen Tesla erhebliche Einschnitte.
So dürften Zehntausende internationale Privatanleger gar nicht erst dazu kommen, ihre Stimmen abzugeben. Denn wie die „Financial Times“ berichtet, haben zahlreiche Broker und Trading-Plattformen in Europa und Asien keine adäquaten Systeme eingerichtet, um grenzübergreifende elektronische Voten auf Hauptversammlungen zu ermöglichen.
Hargreaves Lansdown als größte Retail-Investmentplattform in Großbritannien hat ihren Abstimmungsdienst zwischen dem Vereinigten Königreich und Kontinentaleuropa zwar ausgebaut und arbeitet daran, auch Services für weitere Überseeregionen einzurichten. Für das Tesla-Aktionärstreffen sei dies aber nicht möglich. Auch die Consorsbank bietet nach „Financial Times“-Berichten unter Berufung auf Insider kein Proxy-Voting für US-Aktien an – die BNP-Paribas-Tochter äußert sich nicht dazu.
Retail-Investoren als Zünglein an der Waage
Tesla schätzt laut Insidern, dass Aktien im Gegenwert von nahezu 17 Mrd. Dollar in den Händen von Investoren liegen, die bei der Hauptversammlung nicht elektronisch abstimmen können. Dies entspräche 3% der Marktkapitalisierung, die Dienstmittag New Yorker Zeit bei 549 Mrd. Dollar lag. Insgesamt kontrollieren Privatanleger einen für US-Unternehmen ungewöhnlich hohen Anteil von 30% an Tesla. Analysten verweisen darauf, dass die Investorengruppe angesichts der hohen Hürden für die wichtigsten Anträge, die der Hauptversammlung vorliegen werden, eine entscheidende Rolle spielen wird.
Für den Umzug der Unternehmenseintragung nach Texas ist beispielsweise eine Zustimmung mit Mehrheit aller umlaufenden Aktien notwendig. Nicht abgegebene Stimmen werden also als Ablehnung gewertet – die verhinderten internationalen Privatanleger könnten damit zum Zünglein an der Waage werden.
Milliarden auf dem Spiel
Für Vorstandschef Elon Musk stehen dabei gewaltige Summen auf dem Spiel. Den Abgang aus Delaware begann der Milliardär Ende Januar vorzubereiten, als ein Gericht in dem wegen günstiger Steuerregeln bei Unternehmen beliebten Ostküstenstaat ein Vergütungspaket für den 52-Jährigen kippte. Der Prozess bis zur Freigabe des bis zu 56 Mrd. Dollar schweren Kompensationsplans durch die Aktionäre im Jahr 2018 sei „mit tiefen Mängeln behaftet“ gewesen.
Dabei warfen die Richter die Frage auf, ob Musks Verbindungen zum Tesla-Verwaltungsrat, von dessen Spitze er nach einer Auseinandersetzung mit der Börsenaufsicht SEC um mutmaßliche Marktmanipulation 2018 zurücktreten musste, noch immer zu eng seien. Aktionäre beschuldigten Direktoren, sie hätten bei der Zusammenstellung des Vergütungspakets rein in Musks Interesse gehandelt und Investoren getäuscht. Der Verwaltungsrat vereinbarte mit dem CEO statt eines Gehalts zwölf Zielmarken in Bezug auf die Marktkapitalisierung, die Erlöse und den Gewinn – übertraf der E-Autobauer diese Schwellen, erhielt der reichste Mann der Welt jeweils Aktienoptionen im Milliardenwert. Diese sind bis zum Urteil vollständig ausübbar, auch wenn Musk bisher keine der verbundenen Anteile beanspruchte.
Negative Folgen für Produktentwicklung
Tesla will sich das Vergütungspaket nun von Neuem durch die Hauptversammlung absegnen lassen. Im Unternehmen geht die Sorge um, dass die Produktinnovation unter einer Ablehnung durch die Aktionäre leiden könnte. So schrieb Musk zu Jahresbeginn auf der Plattform X, dass er es vorziehen würde, KI- und Robotikanwendungen andernorts zu entwickeln, sofern er nicht rund 25% der Tesla-Anteile kontrolliere. Bisher ist er mit einem Gewicht von rund 12,9% größter Aktionär.
Für Tesla gilt die Entwicklung neuer Produkte als entscheidend, nachdem Kunden zuletzt das Interesse an der vergleichsweise alten Fahrzeugpalette verloren hatten und Auslieferungen und Erlöse im ersten Quartal erstmals seit vier Jahren zurückgegangen waren. Versuche, den Absatz durch Rabatte zu stützen, haben die in der Branche einst neidvoll beäugten Margen des E-Auto-Bauers erheblich unter Druck gesetzt, während sich der Konkurrenzkampf im Wachstumsmarkt China massiv verschärft hat.
Die Analysten von Gartner betonen, dass Tesla ein neues Reichweitenmodell benötige, um die Auslieferungen anzukurbeln. Im April kurbelte der Autobauer die zuvor über Monate gebeutelte Aktie mit der Mitteilung an, er habe „das zukünftige Fahrzeug-Line-up aktualisiert“, um „den Launch neuer Modelle noch vor unserem eigentlich kommunizierten Produktionsstart in der zweiten Hälfte 2025“ beschleunigen zu können. Unter Aktionären herrscht indes Verwirrung darüber, inwieweit Tesla daneben andere Zukunftsprojekte wie Robotaxis und das autonome Fahren priorisiert. In Bezug auf seine Fahrassistenztechnologien hat das Unternehmen nach Kundenbeschwerden, Rückrufen und regulatorischen Untersuchungen zuletzt mehrere Rückschläge erfahren.
Musk tanzt auf mehreren Hochzeiten
Musk als Gesicht der Innovationsbemühungen von Tesla tanzt derweil auf mehreren Hochzeiten. So diskutiert er laut Insidern über eine Beratungsrolle für das Weiße Haus für den Fall, dass Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen im November für sich entscheidet. Zugleich arbeitet Musk daran, Frieden mit Jamie Dimon, dem CEO von J.P. Morgan, zu schließen – Tesla führt mit dem größten US-Geldhaus seit Jahren einen Rechtsstreit über Trading-Gebühren.
In diesem Umfeld zählt für Musk auf der Hauptversammlung jede Stimme für die zentralen Anträge auch als Vertrauensvotum. Tesla verfolgt deshalb mit dem Stimmrechtsdienstleister Innisfree eine umfangreiche PR-Kampagne. In Reaktion auf diese haben einige europäische Broker nun Möglichkeiten für ihre Kunden geschaffen, grenzübergreifend abzustimmen. Doch auch dabei bleiben Hindernisse: Degiro erhebt beispielsweise Sondergebühren von 10 Euro für jeden Aktionär, um Verwaltungskosten in Zusammenhang mit den Voten zu decken. Bei anderen Brokern ist eine Abstimmung über die Service-Hotline notwendig.
Pensionsfonds wendet sich ab
Dass Retail-Investoren zum Hörer greifen, ist für Musk und seinen E-Auto-Bauer umso wichtiger, als sich die großen institutionellen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis gegen das Vergütungspaket ausgesprochen haben. Zuletzt hatte auch der Chef des größten US-Pensionsfonds und Tesla-Aktionärs Calpers den Kompensationsplan als „unangemessen“ bezeichnet – zur Enttäuschung von Musk, der nun auf turbulente Tage zusteuert.