USA wollen Immunität von Internetfirmen aushebeln

Justizministerium plant stärkere Verantwortung der Online-Plattformen für Inhalte

USA wollen Immunität von Internetfirmen aushebeln

nok/dpa-afx New York – Die amerikanische Regierung hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der einen seit den neunziger Jahren geltenden rechtlichen Schutz für Internetunternehmen aushöhlen würde. Firmen wie Facebook, Alphabet (Google) oder Twitter müssten dem Entwurf zufolge stärkere Verantwortung für die auf ihren Plattformen veröffentlichten Inhalte übernehmen.Konkret geht es um Absatz 230 des Communications Decency Act von 1996, also dem Gesetz für “Anstand” in der Kommunikation. Laut dieser gesetzlichen Vorgaben, die das Internet stark geprägt haben, werden Online-Dienste nicht für von Nutzern veröffentlichte Inhalte haftbar gemacht. Zugleich gibt das Gesetz den Plattformen weitreichende Freiheiten, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer vorzugehen.Der am Mittwoch vom US-Justizministerium eingebrachte Gesetzesvorschlag soll die Regelungen neu formulieren. Nach Angaben des Ministeriums soll den Firmen die Möglichkeit genommen werden, “sich hinter Immunität zu verstecken, um legale Aussagen böswillig zu zensieren”, hieß es.Konkret will das Justizministerium einschränken, gegen welche Inhalte die Plattformen vorgehen können, ohne dafür haftbar gemacht zu werden. Bisher sind das neben anstößigen Beiträgen und Gewalt auch “Inhalte, die aus anderen Gründen zu beanstanden sind”. Diese Formulierung soll auf “widerrechtliche” Inhalte und die Unterstützung von Terrorismus beschränkt werden.Präsident Donald Trump und die Republikaner werfen den Online-Plattformen seit langem vor, die Verbreitung konservativer Ansichten einzuschränken. Die Unternehmen weisen diese Vorwürfe zurück. In einem Gespräch mit Justizministern republikanisch regierter Bundesstaaten beschrieb Trump den Gesetzesentwurf als einen von mehreren “konkreten, juristischen Schritten, um ein offenes Internet und eine freie Gesellschaft zu schützen”. Trump hatte das soziale Netzwerk Facebook und die von ihm stark genutzte Kurznachrichtenplattform Twitter scharf kritisiert, nachdem sie von ihm weiterverbreitete Beiträge zum Coronavirus mit Warnhinweisen versehen oder entfernt hatten.Die Online-Plattformen hatten darauf verwiesen, dass die Beiträge Falschinformationen enthielten, durch die Menschen zu Schaden kommen könnten. Sollte das Gesetz in der aktuellen Form verabschiedet werden, würde den Internetfirmen ein derartiges Vorgehen erschwert. “Auf Drängen der radikalen Linken sind diese Plattformen intolerant gegenüber unterschiedlichen politischen Ansichten geworden und missbräuchlich gegenüber ihren eigenen Nutzern”, sagte Trump. Seine Regierung beobachte die Technologiefirmen im “aktuellen Wahlzyklus” sehr genau.Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Gesetzesvorschlag noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Zudem könnte sich die Machtbalance in Washington nach den Präsidentschafts- und Kongresswahlen am 3. November verschieben. Demokraten hatten in der Vergangenheit allerdings auch am Absatz 230 Kritik geübt.Ein Sprecher des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden hatte im Mai mitgeteilt, dass Internetunternehmen für die wissentliche Verbreitung von Falschinformationen zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Die Debatte verspricht nach Einschätzung des Analysten Paul Gallant von der Investmentbank Cowen im kommenden Jahr “volatil” zu werden. “Es hängt viel davon ab, wer nach November das Weiße Haus kontrolliert. Aber keiner Seite gefällt der Status quo.” – Wertberichtigt Seite 8