Geld oder BriefPrysmian

Kabel-Riese Prysmian profitiert von Digitalisierung und Energiewandel

Der italienische Kabelhersteller Prysmian ist der vermutlich unbekannteste italienische Großkonzern. Analysten bewerten die Aussichten überwiegend als sehr positiv. Der Aktienkurs steigt beständig.

Kabel-Riese Prysmian profitiert von Digitalisierung und Energiewandel

Geld oder Brief

Prysmian ist der unbekannte Riese

Von Gerhard Bläske, Mailand

Der italienische Hightech-Kabelhersteller Prysmian ist einer der international am wenigsten bekannte Großkonzern Italiens. Mit einem Pro-Forma-Umsatz von 17,7 Mrd. Euro nach der jüngsten Übernahme und einer Kapitalisierung von 16,1 Milliarden Euro ist das bis 2005 zum Reifenproduzenten Pirelli gehörende Unternehmen aber ein Pfeiler des Börsenindices FTSE-MIB. An der Börse Mailand sind neben den großen Finanzwerten wie Unicredit, Intesa Sanpaolo und Generali vor allem mittelständische Werte vertreten.

Pirelli hat die frühere Kabelsparte vor fast 20 Jahren an Goldman Sachs verkauft. Nach der Sanierung wurde das Unternehmen an die Mailänder Börse gebracht. Der Aktienkurs entwickelt sich zuletzt hervorragend: Binnen eines Jahres hat der Wert um 66,6% zugelegt. Einen großen Ankeraktionär hat Prysmian, das heute deutlich größer ist als der frühere Mutterkonzern, nicht mehr: 82,6% des Kapitals liegt bei institutionellen Anlegern vor allem aus den USA (30%) und Großbritannien (28%). Größte Einzelaktionäre sind BlackRock (7,5%), Crédit Agricole (6%), UBS (4,5%), T. Rowe Price Group (4%), Sun Life Financial (3,6%), und Norges (3%).

Glänzende Aussichten

Die Aussichten Prysmians werden von Analysten überwiegend als glänzend bewertet. Denn die zu Lande und zu Wasser verlegten Kabel für die Energieübertragung und –verteilung sowie die Glasfaser- und Kupferkabel sind zentral für die Energiewende, die Digitalisierung und den Telekom-Sektor. Das ist von elementarer Bedeutung etwa für den Transport von aus Windkraftwerken gewonnener Energie aus der Nordsee über mehrere Korridore durch Hochspannungserdkabel nach Bayern und Baden-Württemberg oder die Energieübertragung zwischen Großbritannien und Dänemark. Auch für die Ertüchtigung des Stromnetzes zur Versorgung von Elektro-Autos, Datazentren und Wärmepumpen braucht es große Investitionen. Prysmian hat einen Auftragsbestand von 20 Mrd. Euro. Das gibt Investoren langfristige Sicherheit.

Mit der Übernahme des US-Unternehmens Encore Wire für etwa 4,4 Mrd. Dollar hat Prysmian im April nach Ansicht von Experten eine einzigartige strategische Gelegenheit genutzt. Denn Encore Wire ist mit einer Marge von 35% extrem ertragsstark, erweitert das Produktportfolio von Prysmian etwa durch Lösungen für die Anbindung von Häusern an Strom- und Telekommunikationsnetze, schafft Synergien von etwa 140 Mill. Euro und stärkt die Position in Nordamerika. Nordamerika wird künftig mit einem Umsatzanteil von 40% und einem Anteil am Bruttobetriebsgewinn von 55% vor Europa (35%) wichtigster Markt für Prysmian sein. Der Kauf des US-Unternehmens, das 2023 bei einem Umsatz von 2,6 Mrd. Dollar auf einen Bruttogewinn von 517 Mrd. Dollar kam, wird für 1,1 Mrd. Euro aus Barmitteln finanziert, der Rest durch die Aufnahme von Schulden. Das Closing ist für den 2. Juli geplant.

Die Ergebnisse des ersten Quartals werden von Analysten als solide bewertet, obwohl eine Abschwächung in Nordamerika die Einnahmen im Bereich Digitalisierung gedrückt hat. Bei einem Umsatzrückgang auf 3,7 (Vorjahr: 4) Mrd. Euro stieg der Nettogewinn um 3 Mill. auf 185 Mill. Euro. Die Analysten heben die hohe Rentabilität hervor. Sehr gut kam bei ihnen auch an, dass der neue CEO Massimo Battaini, der im April den langjährigen Konzernchef Valerio Battisto abgelöst hat, die Prognose für 2024 bestätigt hat. Er kündigte nun für Anfang 2025 eine Anpassung des Strategieplans nach oben an, weil ein Großteil der für 2027 angepeilten Ziele nach der Übernahme bereits übertroffen wird. Mehrere Analysten haben ihre Bewertung erhöht und sehen vor allem im Bereich der Übertragungsleitungen für erneuerbare Energien und im Ausbau bzw. der Ertüchtigung der Energienetzwerke großes Potenzial. Hauptkonkurrenten für den Weltmarktführer sind die französische Nexans und die dänische NKT.

Mediobanca-Analyst Alessandro Tortora hat das Kursziel von 51,80 auf 64,30 Euro angehoben bei einer Outperform-Empfehlung. Als sehr positiv hebt er die hohe Ertragskraft und die Wachstumsperspektiven hervor. Mit einem KGV von derzeit 19,87 und 18 für 2025 sei Prysmian sehr attraktiv. HSBC empfiehlt einen Kauf mit Kursziel 64 Euro. Jefferies-Analyst Lucas Ferhani gehört zu den wenigen, die das Papier herabstufen: Auf Hold mit einem Kursziel von 58 Euro. Er ist der Ansicht, das Upside-Potenzial sei erschöpft. Im Mai gab es allerdings auch zwei Herabstufungen.

Von 20 Analysten, die den Wert auf dem Schirm haben, empfehlen zwölf einen Kauf und nur zwei einen Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 59,14 Euro. Die Bandbreite reicht von 30 Euro (BNP Paribas Exane) bis zu 68 Euro (Intesa Sanpaolo).

Nicht die erste Akquisition

Prysmian hatte 2023 global 108 Produktionsstätten, davon sechs in Deutschland, und 26 Forschungs- und Entwicklungszentren. Die Übernahme von Encore Wire war bisher die größte. 2011 hatte Prysmian für 900 Mill. Euro die niederländische Draka übernommen, 2018 für 3 Mrd. Euro die amerikanische General Cable. Laut Battaini wird es in den nächsten zweieinhalb Jahren nur mittelgroße Übernahmen geben.