KommentarStandortdebatte

Gütesiegel von Amazon

Will man Börsenchef Theodor Weimer glauben, ist die Liste der deutschen Standortmängel inzwischen so lang, dass sie Investoren in die Flucht schlägt und Konzernchefs mutmaßlich zum Weinen bringt. Darüber kann Amazon offenbar nur lachen.

Gütesiegel von Amazon

Standortdebatte

Gütesiegel von Amazon

Von Heidi Rohde

Will man Börsenchef Theodor Weimer glauben, ist die Liste der deutschen Standortmängel inzwischen so lang, dass sie Investoren in die Flucht schlägt und Konzernchefs mutmaßlich zum Weinen bringt. Darüber kann Amazon offenbar nur lachen. Der Konzern ist der Dritte in der Reihe der drei großen US-Hyperscaler, der Deutschland als Standort mit einer milliardenschweren Investition ein Gütesiegel aufdrückt. Dabei schüttet der weltgrößte Webhoster an dieser Stelle auch das mit Abstand größte Füllhorn aus. Von den insgesamt 10 Mrd. Euro, die bis 2026 avisiert werden, fließen fast 90% in den Ausbau der Cloud-Infrastruktur, ein Bereich, für den Google vor Jahresfrist im Raum Berlin und Frankfurt ebenfalls mehr als 1 Mrd. Euro angekündigt hat und wo Microsoft in den nächsten zwei Jahren gut 3 Mrd. Euro für Rechenzentren in Deutschland plant.

Aushängeschild

Offensichtlich hat das Land mit Blick auf Investitionen in digitale Infrastruktur doch erhebliche Pfunde, mit denen es wuchern kann. Der Bedarf an zukunftsfähigen Cloud-Lösungen gilt in ganz Europa als riesiger Wachstumsmarkt, der bei den Anbietern hierzulande sogar knappe Immobilienressourcen und hohe Energiekosten verkraftbar erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass die als teuer und abschreckend geschmähten Sicherheitsstandards, die schon der einen oder anderen „deutschen Cloud“ aus Kostengründen zum Verhängnis wurden, von diesen Investoren nun als Standortvorteil in Szene gesetzt werden. Was deutschen Standards genügt, soll demnach im Rest der Welt zum Aushängeschild werden.

Obendrein kommen diese Investitionen sogar ganz ohne den Lockruf des Staates aus, während die Regierung im Heimatland von Big Tech Investitionen vorzugsweise mit dem milliardenschweren Inflation Reduction Act anzieht. Derweil findet Deutschland als Produktionsstandort auch bei anderen Zukunftstechnologien Anklang, namentlich bei Big Pharma. Eli Lilly, die 3 Mrd. Euro in ein Werk bei Mainz pumpt, wird dafür auch gute Gründe haben, zum Beispiel Synergien mit der Forschung und eine hohe Ausbildungsqualität der Beschäftigten.

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