Im PortraitMarco Iannaccone

So tickt der neue Client-Solutions-Chef der HypoVereinsbank

Marco Iannaccone ist in seiner Karriere schon viel herumgekommen. Nun leitet der Globetrotter das deutsche Client-Solutions-Geschäft der Unicredit. Wie tickt der Italiener, der früher einmal Cartoonist werden wollte?

So tickt der neue Client-Solutions-Chef der HypoVereinsbank

Im Porträt: Marco Iannaccone

So tickt der Client-Solutions-Chef der HVB

phh Frankfurt
Von Philipp Habdank, Frankfurt

Marco Iannaccone hat in seiner Karriere schon viel gesehen: Italien, Österreich, Polen, Türkei, Tschechien, Ungarn – der gebürtige Italiener hat in rund 20 Jahren im Niederlassungsnetz der Unicredit schon mehr Auslandstationen durchlebt als die meisten anderen Banker in ihrer ganzen Karriere. Seit Oktober 2023 kommt mit Deutschland eine siebte hinzu. Als Geschäftsführer für den Bereich Client Solutions verantwortet er die Kapitalmarkt-, Transaktions- und Absicherungsprodukte der Unicredit in Deutschland, also der HypoVereinsbank (HVB). Iannaccones Team wird vereinfacht gesagt immer dann gerufen, wenn es einer Produktlösung bedarf, die nicht von der Stange ist.

Und wenn Iannaccone eines sicher nicht ist, dann Mainstream. Er selbst sieht sich auch nicht als den typischen Head of Client Solutions, sondern ein Stück weit als Quereinsteiger: „Ich komme weder aus der HVB noch aus dem Client-Solutions-Team der Unicredit“, sagt er mit einem Lachen. Das bedeute aber auch, dass er unbefangen sei und dadurch einen maximal neutralen und frischen Blick auf die Dinge habe. Wenn man eine Sache zu lange mache, sei man bei Entscheidungen häufig voreingenommen.

Zwei Herzen in einer Brust

Mit solch einem frischen Blick könne man die Dinge viel objektiver betrachten. „Das führt natürlich mitunter zu interessanten Diskussionen“, sagt er und schiebt mit einem Schmunzeln hinterher: „Aber ich bin ein sehr geduldiger Mensch.“ Der charismatische Iannaccone hält viel davon, aufmerksam zuzuhören. Erst denken, dann reden. Nachdem er sich eine Meinung gebildet hat, hält er mit dieser dann aber auch nicht hinter dem Berg. „Ich bin extrem direkt und scheue mich nicht zu sagen, was ich denke“, sagt Iannaccone. Wenn er eine Entscheidung getroffen hat, verteidigt er sie.

Ich bin extrem direkt und scheue mich nicht zu sagen, was ich denke.

Marco Iannaccone

In letzter Instanz vertraut er bei Entscheidungen auf sein Bauchgefühl. Vorher wird das Problem aber in seine kleinsten Teile zerlegt und analysiert. Zahlen, Daten, Fakten und noch mehr Zahlen. Auch wenn er weiß, dass sein Auftreten einen anderen Eindruck vermittelt, beschreibt sich Iannaccone selbst eher als introvertiert. In ihm steckt wohl beides: der introvertierte, analytische Zahlenmensch – und der extrovertierte Vertriebler, der Menschen begeistern kann. Seinen Führungsstil beschreibt er als „inklusiv und motivierend“.

Diese zwei Persönlichkeiten finden sich auch im Lebenslauf wieder. Die Hälfte seiner Karriere verbrachte er auf der CFO-Seite, die andere auf der Business-Seite. Die Kombination ist ungewöhnlich. Iannaccone kennt beides: die Bedürfnisse der Kundenberater und die limitierenden Faktoren einer Bank wie das Treasury, Funding oder Capital Management. Er kann daher eine Brücke schlagen zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

In der Welt zu Hause

Eine Affinität zu Zahlen trifft bei ihm auf ein hohes Maß an Kreativität. Als Hobby zeichnet Iannaccone. „Als Kind wollte ich Cartoonist werden“, sagt er und sucht auf seinem Smartphone eine Zeichnung von seinem Hund heraus, der ihn mit aufgestellten Ohren und schief gelegtem Kopf aus großen Augen anschaut. Der Detailgrad der Zeichnung ist beeindruckend, sie gleicht einem Foto. Zwischen seiner mathematischen und zeichnerischen Begabung sieht er einen Zusammenhang. Menschen mit einem guten Gefühl für Zahlen hätten oft auch ein gutes Gespür für richtige Proportionen. Dass er mit dieser kreativen Ader letztendlich dann im Banking gelandet ist, entsprach aber genau dem, was er immer wollte.

Als Kind wollte ich Cartoonist werden.

Marco Iannaccone

1970 in Treviso bei Venedig geboren, zog er mit 23 mit seinen Eltern in die USA. Seine Eltern und sein Bruder leben dort bis heute. Iannaccone selbst erhielt mit Anfang 20 ein Stipendium in South Carolina, kehrte für den Job aber zurück nach Italien – und zwar nach Mailand. Dort begann er in der Unternehmensberatung – erst bei KPMG, dann bei Andersen Consulting. Die ersten Berührungspunkte zu Deutschland entstanden zur Jahrtausendwende. Damals heuerte Iannaccone in Mailand bei der Deutschen Bank an. Dort wurde ihm allerdings nahegelegt, nach Frankfurt zu gehen, sofern er innerhalb der Bank Karriere machen wolle. „Zu diesem Zeitpunkt wollte ich aber nicht nach Frankfurt und Deutschland“, sagt Iannaccone.

Selten länger als drei Jahre pro Job

Mailand war für ihn damals noch zu wichtig. Seine Familie lebte dort. Er entschied sich im September 2002 stattdessen für die italienische Bankengruppe Unicredit, der er seitdem treu geblieben ist. Die internationale Karriere des bekennenden Fußballfans – wenig überraschend hält er es mit dem Inter Mailand und nicht der AC Mailand – startete innerhalb des Unicredit-Universums erst im September 2006 in Wien. Zwei Jahre später ging es nach Polen zur Bank Pekao, wo er knapp fünf Jahre blieb – die mit Abstand längste Karrierestation seiner Vita.

Die durchschnittliche Halbwertszeit liegt aber eher bei zwei bis drei Jahren. „Im ersten Jahr kommst du an, im zweiten beginnst du zu genießen und im dritten fängst du an, darüber nachzudenken, möglicherweise zu gehen“, sagt Iannaccone. Das suggeriere vielleicht eine gewisse Ungeduld oder Unstetigkeit – er selbst sieht sich aber als sehr geduldigen Menschen. „Ich bin vor allem eine neugierige Person“, sagt er. Iannaccone ist getrieben von der Idee, dass es immer einen Weg geben muss, Sachen besser machen zu können.

Wenn man so ein Leben führt, muss man natürlich aufpassen, seine Wurzeln nicht zu verlieren.

Marco Iannaccone

Die internationale Karriere hat aber auch ihren Preis. Iannaccone beschreibt sich als Familienmensch mit Karriere. Er hat zwei Söhne – Zwillinge, die er in den ersten acht Jahren seiner Karriere jedoch nur an den Wochenenden gesehen hat. Das änderte sich erst während seiner Zeit in der Türkei. „Es gab einen Punkt, wo Istanbul so etwas wie unser zweites Zuhause wurde“, sagt Iannaccone. Denn Istanbul war die erste Station, zu der ihm seine Familie aus Italien folgte. Danach war sie bei allen anderen Stationen immer dabei. Zwar habe sich Iannaccone in allen Ländern wohlgefühlt, seine Zeit in der Türkei zusammen mit seiner Familie sei persönlich aber die schönste gewesen.

Wurzeln nicht verlieren

Rückblickend möchte Iannaccone keine Station missen. Er weiß aber auch: „Wenn man so ein Leben führt, muss man natürlich aufpassen, seine Wurzeln nicht zu verlieren.“ Eine Herausforderung, vor der auch die HVB steht. 2005 von der Unicredit übernommen, wird die Traditionsbank immer stärker in die internationale Bankengruppe integriert, darf dabei jedoch ihre deutschen Wurzeln nicht verlieren.  

Niemals ins Hotel

Mailand wird für Iannaccone immer seine Heimat bleiben. Gleichzeitig legt er großen Wert darauf, sich immer zu hundert Prozent mit der jeweiligen Bank, dem Land und der Kultur zu identifizieren. „In jedem Land habe ich mich so eingerichtet, als ob ich dort für immer bleiben würde“, sagt Iannaccone. Zum Hotelleben hat er daher eine unmissverständliche Meinung: „Nein, nein, nein! Für mich kommt ein Hotel nicht infrage!“ Hotels würden das Signal senden, dass man nur zu Besuch sei. Dieses Gefühl will er seinen Kollegen und Kunden nicht vermitteln.

Auch jetzt hat Iannaccone darum wieder eine Wohnung zusammen mit seiner Frau in München. Wie lange – das wird sich zeigen, schließlich hat er seinen Job bei der HVB gerade erst angetreten. Auf die Frage, ob Deutschland nun die Endstation in seiner beruflichen Abenteuerreise sei, kann er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und sagt: „Aktuell, ja.“

Iannaccones Ziele für den deutschen Markt

Die Vorzeichen für einen längeren Aufenthalt stehen jedenfalls gut. Iannaccone sei „richtig happy“, hier zu sein, es gebe hier „alle Zutaten für großen Erfolg“ und „sehr viel zu tun“. Er sei positiv überrascht von der hohen Widerstandsfähigkeit deutscher Mittelständler. Sein erklärtes Ziel ist es nun, die Bank stärker in den deutschen Mittelstand zu tragen und die globalen Fähigkeiten der internationalen Großbank auf die Bedürfnisse mittelständischer Firmen herunterzubrechen. Auf diese Weise will er mehr „touchpoints“ mit den Unternehmen finden und dadurch mehr „fee events“ für seine Bank generieren. Das deutsche Firmenkundengeschäft beschreibt er als sehr reifen und sehr kompetitiven Markt.

Ich habe keine anderen Pläne als Deutschland. Ich liebe Deutschland.

Marco Iannaccone

Nachholbedarf sieht er aber noch in puncto Digitalisierung. Insgesamt musste er dieses Mal aber nicht lange überlegen, als ihm der Job in München angeboten wurde. Immerhin sei Deutschland der zweitgrößte Markt der ganzen Gruppe.

„Ich habe keine anderen Pläne als Deutschland. Ich liebe Deutschland“, sagt er und vermittelt das Gefühl, dass dies für ihn der richtige Job am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt ist. Und dennoch wird man ein Gefühl nicht los – dass München nicht seine letzte Station ist.

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