Chaos an Amerikas M&A-Markt
Übernahmen
Chaos am M&A-Markt
Zentrale Treiber für den Merger-Aufschwung drohen schneller wegzubrechen, als viele Strategen wahrhaben wollen.
Von Alex Wehnert
Das Übernahmedrama um Paramount Global sendet bedenkliche Signale für Amerikas M&A-Markt. Denn das US-Medienkonglomerat, bekannt für Filmklassiker wie „Der Pate“, steckt seit April im Chaos. Obwohl der Private-Equity-Investor Apollo Global dem Konzern im März ein Angebot für seine Studios machte, das er nur schwerlich ablehnen konnte, ging Paramount exklusive Merger-Gespräche mit der Produktionsgesellschaft Skydance ein. Die Aktionäre wüteten darauf, dass Medienerbin Shari Redstone, die rund 80% der Stimmrechte kontrolliert, einen vorteilhaften Deal für sich herausschlagen wollte, in dessen Folge die restlichen Investoren mit einer verwässerten Beteiligung dasäßen. Den als Kritiker des Deals eingestuften CEO Bob Bakish setzte Paramount vor die Tür, kam mit dem Fusionspartner aber nicht rechtzeitig zu einer Einigung – und muss sich nun doch mit einem 26 Mrd. Dollar schweren Angebot der ungeliebten Apollo und Sony auseinandersetzen.
Deal-Hoffnung löst sich auf
Ausgerechnet in einer Phase, in der die Teilnehmer am M&A-Markt Morgenluft wittern, herrscht um einen der aufsehenerregenden Deals des Jahres also massive Unsicherheit. Weitere große Akquisitionen wie die Übernahme der Software-Firma Informatica durch Salesforce haben sich bereits in Luft aufgelöst. Dabei hatten sich US-Investmentbanker zuletzt doch bereits auf Jubelsprünge über höhere Boni vorbereitet. Schließlich liegen die Deal-Volumina im laufenden Jahr laut Dealogic bisher 20% über dem Niveau aus dem gleichen Zeitraum 2023. Und die Analysten von Morgan Stanley gehen davon aus, dass die Volumina 2024 weltweit um 50% anziehen werden. Die Investmentbank verweist dabei auf vermeintlich abnehmende Sorgen vor neuerlichen Inflationssprüngen und einer konjunkturellen Eintrübung.
Abgesehen davon, dass die jüngsten Daten durchaus auf eine hartnäckigere Teuerung hindeuten als von Anlegern noch zu Jahresbeginn erhofft, während die Konsumausgaben als Stütze der Gesamtwirtschaft erodieren: Den entscheidenden Punkt mit Blick auf den Aufschwung am M&A-Markt deutet Morgan Stanley selbst an. Von einer „aufgestauten Nachfrage“ ist in einer Studie des Geldhauses die Rede. Das bedeutet, dass der globale M&A-Markt aus einer extrem schwachen Phase kommt – präziser gesagt aus der schwächsten seit der Finanzkrise 2008. Das schafft niedrige Vergleichswerte und ermöglicht damit umso höhere Wachstumsraten im laufenden Jahr.
Historische Schwächephase
Denn laut der Beratungsgesellschaft PwC halbierte sich der Gegenwert der weltweiten Deals gegenüber dem 2021 erreichten Spitzenniveau im vergangenen Jahr auf 2,5 Bill. Dollar. Die Zahl der Transaktionen ging um 17% weniger stark zurück als die Volumina – dies zeigt, dass sich die Marktteilnehmer in einem schwierigen Finanzierungsumfeld eher auf Übernahmen kleinerer Unternehmen konzentrierten als auf große Merger. Das ist im laufenden Jahr anders: Die Erholung ist vor allem auf einen Sprung bei Mega-Deals zurückzuführen. Bereits im ersten Quartal kam es zu doppelt so vielen Transaktionen mit einer Mindestgröße von 10 Mrd. Dollar wie im Vorjahr. Und genau in der Abhängigkeit von wenigen Großfusionen liegt ein Problem.
Denn gerade an den Mega-Deals im Ölsektor zeigen sich die Gefahren, vor denen Investmentbanker sowie Risikoarbitrageure stehen, allerdings eindrücklich. Denn die hyperaktive US-Kartellaufsicht FTC zwang ExxonMobil zu umfangreichen Zugeständnissen, bevor der Branchenprimus seine Akquisition des Förderers Pioneer Anfang Mai abschließen konnte. Derweil torpediert die Konkurrenz die Übernahme von Hess durch Chevron, die sich durch den Deal Anteile an einem lukrativen Förderprojekt vor der Küste Guyanas sichern will. So pocht Exxon auf Vorkaufsrechte – die Ölriesen treffen sich nun in einem Schiedsverfahren mit ungewissem Ausgang. Ob Regulatoren Transaktionen hinauszögern, sich Wettbewerber einmischen oder wie bei Paramount die Eigentümerstruktur Einigungen erschwert: Es gibt aktuell zahlreiche Gründe, aus denen Mega-Deals scheitern können. Die Wachstumsstützen des M&A-Markts drohen in diesem Chaos schneller wegzubrechen, als viele Strategen wahrhaben wollen.