Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck
Die Digitalisierung ist das viel zitierte Megathema unserer Zeit und verändert so auch die Versicherungsbranche von Grund auf. Tradierte Strukturen, Prozesse und Vertriebskanäle stehen zur Disposition – und damit die gesamte Wertschöpfungskette und ganze Geschäftsmodelle. Digitale Entwicklungen wie die „Ökosysteme“ Google oder Amazon und andere verändern Erwartungen und Anforderungen von Kunden wie auch Vertriebspartnern an Produkte und Services. Die Corona-Pandemie hat die Dynamik der Digitalisierungsanforderungen nochmals erhöht.
Als Chance begreifen
Der größte Teil der Versicherungswirtschaft hat längst verstanden, die Digitalisierung als Chance zu begreifen – und investiert. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) betrugen die IT-Ausgaben der Branche im Jahr 2020 5,6 Mrd. Euro und lagen damit erneut auf dem bereits hohen Niveau des Vorjahres. Mit diesen Budgets wurden konsequent Digitalisierungsprojekte vorangetrieben, allen voran die Modernisierung der IT-Systeme beziehungsweise die Ablösung der Altsysteme und das Cloud-Computing. Zudem wurden Produkte und Prozesse wie auch Schnittstellen zu Kunden und Vertriebspartnerinnen und -partnern digitalisiert. Die Dimension und die Komplexität der Transformation, die die Branche durchläuft, sind enorm. Doch die Digitalisierung hat das Potenzial, die Erfolgsfaktoren der Versicherungsbranche grundlegend neu zu definieren.
Es ist somit eine zu eingeschränkte Sicht, in der Digitalisierung lediglich ein Mittel zum Zweck für Kostensenkung, Prozessoptimierung oder Effizienzsteigerung zu sehen. Das ist sie sicherlich auch. Aber richtig eingesetzt, ist sie auch so viel mehr: Sie unterstützt dabei, den veränderten Kundenerwartungen zu entsprechen oder sie im besten Fall sogar zu antizipieren, verändert die Kulturen von Unternehmen und Belegschaften und führt die Unternehmen von heute damit in eine gute Zukunft.
Die VHV Gruppe hat vor mehreren Jahren damit begonnen, nachhaltig in ihre Digitalisierung zu investieren. War die Gruppe auch in der Zeit vor dem „Digitalschub“ bereits sehr erfolgreich unterwegs, so hat sich verstärkt gezeigt, dass die straffe Digitalisierung als Beschleuniger wirkte und wirkt. Und so bildet seither die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie einen der Schwerpunkte in der Unternehmensstrategie.
Hervorzuheben ist jedoch: Die übergeordneten strategischen Ziele der VHV Gruppe ändern sich durch den digitalen Wandel nicht; dieser Wandel ist vielmehr Katalysator für Veränderung und das Erreichen der strategischen Ziele, indem er neue Ansätze bietet, die gesetzten Ziele sicher zu erreichen. Die definierten Kernfähigkeiten der Digitalisierung, wie die Automatisierung und die Vereinfachung aller über Regeln steuerbarer Prozesse und Entscheidungen sowie eine verbesserte Datennutzung bei Risikoselektion, Schaden und Produktentwicklung, werden hierbei über die kommenden Jahre systematisch weiter und ständig optimiert.
Vor dem Hintergrund einer konsequenten Ausrichtung auf die Interessen der Privat- und Firmenkunden sowie der Vertriebspartner lautet das Credo der Gruppe, den Kundennutzen stets in den Mittelpunkt der Digitalisierung zu stellen. Alles was digital verändert, entwickelt, umgestellt oder neu gedacht wird, muss am Ende den Kundinnen und Kunden nutzen, ihren Bedürfnissen sowie ihren Wünschen und Anforderungen folgen. Dabei ist aber auch klar: Gerade im Vorsorge- und Versicherungsgeschäft gibt und wird es auch weiterhin Situationen und Anforderungen geben, für die eine persönliche Beratung nach wie vor unverzichtbar ist.
Die neuen „disruptiven“ Player aus der Fintech- und Insurtech-Szene erfahren gerade, dass ein digitales Geschäftsmodell allein nicht ausreicht. Es bedarf viel mehr. Stabile und sichere Prozesse, Services für und Kommunikation mit den Kunden und auch Erfahrung und Qualität sind die Voraussetzungen für nachhaltige und damit langfristige Geschäfte und dauerhafte Kundenbeziehungen. Absicherung und Vorsorge in ihrer ganzen Komplexität werden immer Themen sein, die auf Vertrauen basieren und für die es mehr braucht als eine digitale Plattform, wenn man den Kunden wirklich dienen will.
Aber: Es ist zu kurz gedacht, einfach nur Produkte und Lösungen in den Vordergrund digitaler Anstrengungen zu stellen und dabei die enormen Potenziale, die in der Weiterentwicklung der Kulturen der Unternehmen liegen, zu unterschätzen. Auch hierbei gilt es, konsequent die Kundenperspektive einzunehmen. Vor bereits neun Jahren kam etwa eine Studie von Bain & Company zu dem Ergebnis, dass 60% der befragten Endkunden „Internet-bezogene Kommunikationskanäle künftig bei einer Interaktion mit einer Versicherung am wichtigsten sind.“ Dabei erwarteten gerade serviceaffine Kunden ein umfangreiches digitales Angebot bei Beratung, Abschluss oder Schadenmeldung.
Bedarfsgerechte Lösungen
Die VHV Gruppe hört ihren Kundinnen und Kunden sehr genau zu und weiß, dass für das Kundenerlebnis unter anderem eine gute (Online-)Erreichbarkeit, eine schnelle Reaktion und auch die möglichst hohe Fehlerfreiheit in der Bearbeitung der Anliegen wichtig sind. Die Digitalisierung erleichtert es, in Anbetracht der sehr heterogenen Gruppe „Kunden“ bedarfsgerechte Lösungen anzubieten.
Dem privaten Kfz-Kunden ist im Schadenfall eine schnelle Abwicklung wichtig. In der Bauwirtschaft spielen zum Beispiel Bürgschaften eine wichtige Rolle. Als Bauspezialversicherer hat die VHV hier mit dem Bürgschaftsportal Trustlog gemeinsam mit der R+V eine digitale Lösung für das sichere Managen und Verwahren von Bürgschaften geschaffen. Im Leben-Bereich bietet die Hannoversche auf ihrer Internetseite eine voll automatisierte Risikoprüfung bei der Beantragung einer Risikolebensversicherung an. Am Ende des Prozesses wird im Idealfall dem Kunden sofort eine Police zugeschickt.
Für Vertriebspartner wiederum sind zum Beispiel technologische Unterstützung, Schnittstellen zu IT-Versicherungsstandards und eine Entlastung von administrativen Tätigkeiten wichtig. Hier hat die VHV mit dem Maklerverwaltungsprogramm „meinMVP“ ein volldigitales Komplettsystem zur Maklerunterstützung entwickelt, mit dem viele Geschäftsvorgänge in einer Anwendung gebündelt werden können – vom neutralen Tarifvergleich über die Beratung bis zur unkomplizierten Verwaltung.
Dabei wird Datenverfügbarkeit zunehmend ein wichtiger Wettbewerbsfaktor: Wer mehr Daten in besserer Qualität besitzt, kennt sein Geschäftsfeld besser und hat einen Wettbewerbsvorteil. Und hier führt kein Weg an Data Analytics vorbei. Dadurch können aus großen Datenmengen passgenaue Leistungen und Produkte entwickelt werden.
Nicht zuletzt erstreckt sich die Digitalisierung auch auf die tägliche Arbeit der rund 3300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VHV Gruppe. Digitale Technik ermöglicht höhere Flexibilität auch in der Arbeitswelt im Interesse von Kunden, Vertriebspartnern und Mitarbeitern. Zur Unterstützung neuer digitaler, agiler und mobiler Arbeitsformen setzt die Gruppe ein neues, effizientes Flächen- und Bürodesign um. Es ist geprägt von einer funktionsspezifischen Kombination von Raummodulen für verschiedene „Nutzertypen“, die das Arbeiten so unterstützen, wie es für die jeweilige Funktion und Aufgabe angemessen ist.
Und schließlich: Die digitale Transformation wirkt sich auch auf etablierte Führungsmodelle aus: Das Arbeitsergebnis wird kontrolliert, das „Wie erreiche ich es?“, bleibt dem Mitarbeiter überlassen. Die Digitalisierung erlaubt zugleich eine weitreichende Flexibilisierung der täglichen Arbeit hinsichtlich Ort und Zeit. Bis zu vier Tage in der Woche können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VHV Gruppe in einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Rahmen mobil von fast überall in Deutschland arbeiten.
Fazit – Die digitale Transformation verändert die Versicherungsbranche tiefgreifend. Aber die Digitalisierung ist nicht „disruptiv“, um den in diesem Zusammenhang viel bemühten Begriff zu verwenden. Denn das klassische Geschäft, die Absicherung von Risiken, bleibt bestehen. Die Digitalisierung richtig gemacht, ist vielmehr innovativ. Fest steht: Die Branche muss sich für die Zukunft grundlegend neu ausrichten. Dafür ist es erforderlich, überkommene Strukturen, eingefahrenes Denken und Handeln und die Organisation als Ganzes weiterzuentwickeln.
Deswegen ist ein systematischer, strategisch gut überlegter Umgang mit der digitalen Transformation essenziell: Der digitale Wandel darf nicht auf eine rein technische Herausforderung reduziert werden, und schon gar nicht darf er ein reines Instrument der Reduzierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein. Prozessoptimierung und Veränderungen müssen in der Unternehmenskultur verankert und gelebt werden. Der Schlüssel dazu ist, die Digitalisierung dem strategischen Ziel der Fokussierung auf Kunden und Vertriebspartner zu verpflichten. Wenn die Digitalisierung richtig geplant und umgesetzt wird, sichert sie die Zukunft der Unternehmen, schafft Arbeitsplätze und macht ein Unternehmen stark für einen weiter zunehmenden Wettbewerb.