Montanunion

Europa ist der Schlüssel für unser aller Erfolg

Europa ist seit Jahrzehnten der Schlüssel für unser aller Erfolg. Das gilt für unsere Länder ebenso wie für unsere Unternehmen.

Europa ist der Schlüssel für unser aller Erfolg

1952 war nicht nur das Jahr, in dem die Börsen-Zeitung gegründet wurde, der ich hiermit ganz herzlich zu ihrem 70-jährigen Jubiläum gratuliere. Im Juli 1952 trat auch der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Kraft. Diese sogenannte Montanunion war der erste und viele Jahre wichtigste Grundpfeiler der heutigen Europäischen Union (EU). Man kann rückblickend ohne Übertreibung sagen: Es war eine mutige, richtige und wichtige Entscheidung, nur sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die zunächst wirtschaftliche und bald auch die politische Einigung Europas voranzutreiben. Der Motor dafür ist bis heute: das Gespann Deutschland und Frankreich.

Als Einheit handeln

Ohne diesen Motor und den Mut der damaligen Entscheidungsträger würde es das Europa, wie wir es heute kennen, nicht geben. Europa ist seit Jahrzehnten der Schlüssel für unser aller Erfolg. Das gilt für unsere Länder ebenso wie für unsere Unternehmen. Auch die Entwicklung meines eigenen Unternehmens, der deutsch-französischen ODDO BHF wäre ohne diese Weitsicht wahrscheinlich nicht so reibungslos möglich gewesen.

Doch Europa stand und steht vor großen Herausforderungen: gerade mit Blick auf die geopolitischen Entwicklungen. Da sich gerade wieder einmal das Verhältnis der Großmächte USA, Russland und China neu austariert, ist es für die Zukunft besonders wichtig, dass Europa als Einheit handelt. Und es ist zentral, dass Europa vorangeht: etwa beim Klimaschutz, bei den Menschenrechten oder in der Außen- und Wirtschaftspolitik.

Unterschiedliche Auffassungen innerhalb der europäischen Familie gehören auf diesem Weg mit dazu. Das werden wir immer wieder aushalten müssen und aushalten wollen im Interesse des großen Ganzen: Denken wir zum Beispiel an die ganz unterschiedlichen Meinungen in Deutschland und Frankreich zur Geldpolitik oder bei der Beurteilung der Atomenergie.

Das Wichtigste aber ist und bleibt: Die Idee eines gemeinsamen Europas muss von den Menschen akzeptiert und getragen werden. Das gemeinsame Europa ist nicht nur eine Sache des Kopfes. Es ist eine Sache des Herzens. Und wo wäre es besser, Begeisterung für Europa zu entfachen, als bei der Jugend? Hierzu könnte über bestehende Programme hinaus zum Beispiel ein freiwilliger europäischer Bürgerdienst eingeführt werden. Gemeint ist damit ein Einsatz junger Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, die sich für einen gewissen Zeitraum in ein oder zwei europäischen Ländern engagieren.

Denkbar sind aus meiner Sicht etwa Umwelt- und Sozialprojekte oder auch Programme zur Entwicklung neuer Technologien. Der Bürgerdienst würde durch Sprachkurse begleitet. Ein zusätzlicher Anreiz für die jungen Menschen könnten Credit Points sein, die auf dem weiteren Bildungsweg an­erkannt würden. In diese Richtung ging auch der jüngste Vorstoß des französischen Präsidenten, der einen sechsmonatigen europäischen Bürgerdienst fordert, der allen jungen Menschen unter 25 Jahren für einen Universitäts- oder Lehraustausch, ein Praktikum oder eine Vereinsaktion offensteht.

In Anlehnung an das bestehende Programm für Studierende wäre auch ein „Unternehmens-Erasmus-Programm“ eine Option. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines Unternehmens sollten bis zu drei Jahre in einem anderen Land arbeiten können. Dabei sollte ihnen nicht nur das Sozial- und Rentensystem ihres Herkunftslandes, sondern auch ihr Steuerstatus für die gesamte Dauer erhalten bleiben. Wesentlicher Vorteil: Der Aufwand für Arbeitnehmer und Arbeitgeber beim Jobwechsel ins Ausland wäre deutlich geringer, der interne Transfer von Mitarbeitern zwischen den EU-Ländern würde sich deutlich vereinfachen – und damit würden, da bin ich mir ganz sicher, nach dem Ende der Pandemie auch mehr Unternehmen und Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Banken Teil der Lösung

Was bedeutet mehr Europa für meine eigene Branche, die Banken? Zunächst die gute Nachricht: Grundsätzlich ist das Bankensystem in Europa mehr als ein Jahrzehnt nach der großen Finanzkrise stabil – nicht zuletzt auch nach richtigen, wichtigen und zugleich maßvollen Regulierungsschritten und dank einer besseren, weil zielgerichteteren und aktiveren Aufsicht. Und in der andauernden Pandemie sind die Banken ganz klar Teil der Lösung und nicht das Problem.

Allerdings gibt es noch immer zu viele unterschiedliche Regulierungen in den einzelnen Ländern. Hinzu kommt, dass die Banken in der andauernden Niedrigzinsphase nach wie vor zu wenig verdienen. Einige Institute erwirtschaften kaum ihre Eigenkapitalkosten und können daher nur schwer neues Kapital aufnehmen.

Sind die seit vielen Jahren diskutierten grenzüberschreitenden Fu­sionen eine Lösung? Ja, aber nur bedingt. Kostensenkungen sind endlich und grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen mit dem Ziel der Kostensenkung höchst unpopulär. Die Schlüsselfrage lautet daher: Können durch eine Fusion auch neue Erlösquellen erschlossen werden?

Aus meiner Sicht ist die Antwort in einer stärkeren Fokussierung der Banken zu finden. Denn eine horizontale paneuropäische Konsolidierung ermöglicht es, Skalen- und Spezialisierungseffekte zu erzielen. So gehen Kosten senken und Erlöse steigern Hand in Hand. Damit meine ich eben nicht die grenzüberschreitende Fusion kompletter Banken, sondern die Konzentration auf gemeinsame Stärken und besondere Expertisen. Die Strategie der „National Champions“ wird also durch eine Strategie der „Industrial Champions“ ersetzt oder mindestens ergänzt werden. Beispiele dafür gibt es heute schon, etwa im Assetmanagement, beim Leasing, bei den Kreditkarten, den Konsumentenkrediten oder im Equity Brokerage.

Europäische Spezialisten

So entstehen europäische Spezialisten, die im immer härter werdenden globalen Wettbewerb mit den großen Playern in den USA und Asien mithalten können. Das ist genau die Idee hinter den „Industrial Champions“, die in bestimmten Geschäftsfeldern zu starken europäischen Akteuren werden und dann ein ganz anderes Standing auf der globalen Bühne haben.

Zugegeben, diese Strategie wurde noch zu selten angewendet – bislang. Aber es gibt einige gute Beispiele – gerade auch in Deutschland und im Bankwesen. Denken Sie nur an die Konsolidierung im Zahlungsverkehr, in der Wertpapierverwahrung und -verwaltung oder die schrittweise Zusammenlegung der IT der gesamten Sparkassenorganisation oder der Genossenschaftsbanken. Warum sollte das nicht auch häufiger grenzüberschreitend funktionieren?

Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Rolle der Medien: In einer Zeit, in der wir nachhaltiger wirtschaften müssen, in der wir die Transformation der gesamten Volkswirtschaft meistern müssen, braucht es kritisch distanzierte, aber zugleich auch konstruktive mediale Begleitung. Die scheinbar einfachen Lösungen der Populisten werden laut zu Markte getragen. Das stärkt letztlich nur die gesellschaftlichen Zentrifugalkräfte in Europa und anderswo, die immer stärker zu spüren sind.

Ein guter Grund zu feiern

Kompetente Journalistinnen und Journalisten sind wichtiger denn je: nicht der auf den bloßen Effekt hin zugespitzte Post in sozialen Medien, sondern die ruhige, durchdachte, kenntnisreiche und treffsichere Analyse. Diesen Blick hat sich die Börsen-Zeitung seit 70 Jahren konsequent bewahrt. Allein das ist ein guter Grund zu feiern.

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