Gesundheitssystem

Gesundheitswesen kann ein neues Zeitalter einläuten

Politik, Verwaltung und Unternehmen bietet sich die Chance, eine hochwertige und dauerhaft bezahlbare Versorgung für alle im Gesundheitswesen zu schaffen.

Gesundheitswesen kann ein neues Zeitalter einläuten

Herzlichen Glückwunsch zum 70., liebe Börsen-Zeitung! Ihre erste Ausgabe erschien in einer von großen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen geprägten Zeit: Die Einführung der D-Mark lag vier Jahre zurück. Erst drei Jahre zuvor wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Seither hat die Redaktion zahlreiche Höhe- und Tiefpunkte des Finanzsektors begleitet, analysiert und eingeordnet. Dafür meinen ausdrücklichen Dank! Eine hohe Dynamik charakterisiert derzeit auch unser Hauptgeschäftsfeld „Gesundheit und Pflege“ – zumal hier gleich mehrere Megatrends aufeinandertreffen. Drei Thesen zu den Folgen und Perspektiven:

These 1: Die PKV war noch nie so wichtig und mehrwertstiftend wie heute

Die zwanziger und dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts werden ein Quantensprung für die medizinische Entwicklung sein. Schon heute gewinnt die Medizin nahezu täglich Erkenntnisse, die den Menschen ein langes, gesundes Leben ermöglichen. Neue Technologien können künftig dabei helfen, Finanzierungs- und Versorgungsengpässe abzufedern. Letzteres dürfte vor allem für den teilweise unterversorgten ländlichen Raum hochrelevant sein. Gleichzeitig werden technologische Lösungen für mehr aktive Teilhabe und Autonomie der Patienten sorgen.

Auch wenn sich in der Corona-Situation oft ein anderes Bild zeichnet, stehen so viele und so tiefgehende Gesundheitsdaten zur Verfügung wie nie. Entscheidend wird sein, diese Daten nicht mehr ausschließlich zu schützen, sondern einen gesellschaftspolitischen Konsens darüber herbeizuführen, wie diese im Sinne der Patienten auch genutzt werden können. Die Währung für diesen Entwicklungsprozess ist Vertrauen. Wenn es gelingt, die Menschen auf diesem Weg gut mitzunehmen, werden Medizin und Gesundheitswesen in Kombination mit den Fortschritten bei der Me­dikamentenentwicklung ein völlig neues Niveau erreichen. Triebfeder dafür ist auch das inzwischen ausgeprägte Gesundheitsbewusstsein der Menschen.

Als privater Krankenversicherer sind wir seit unserer Gründung vor fast 150 Jahren Enabler für die im jeweiligen Zeitalter bestmögliche medizinische Versorgung und Vorsorge. Unser vordringlichstes Ziel bleibt es, Gesundheit zu erhalten, statt uns darauf zu beschränken, Krankheiten zu managen. Und noch nie waren die Handlungsmöglichkeiten vielfältiger als heute. Wir sind ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Damit denken und agieren wir naturgemäß anders als beispielsweise eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder ein Verordnungsgeber. Agilität und Innovationskraft sind unsere Stärken. Sie befähigen uns – häufig in Kooperation mit Health-Start-ups – neue Methoden frühzeitig in den Markt zu bringen.

Verantwortung und Chance

Medizinische Wearables oder E-Health-Anwendungen werden deshalb in der Regel zuerst über die privaten Krankenversicherer angeboten. Die Marktdurchdringung erfolgt aus der Innovationskraft der Produkte heraus; nicht durch Verordnungen des Gesetzgebers. Für die private Krankenversicherung (PKV) bedeutet das Verantwortung und Chance zugleich, wenn es darum geht, die Zukunft aktiv mitzugestalten. Beides nehmen wir gerne an.

These 2: Die PKV ist momentan das einzige System, das die Generationengerechtigkeit bewahrt

Private Versicherungsanbieter gewährleisten Generationengerechtigkeit. Das Modell basiert darauf, dass jeder in jungen Jahren mittels Rückstellungen zum Beispiel für seine im Alter steigenden Gesundheits- und Pflegekosten selbst vorsorgt. Nachfolgende Generationen werden nicht damit belastet, dass sie die höheren Kosten der Älteren mittragen müssen. 12 bis 15 % der deutschen Bevölkerung haben als Mitglieder der PKV für ihre Gesundheitsversorgung im Alter komplett vorgesorgt. Das ist eine Errungenschaft, die bewahrt und ausgebaut werden sollte.

Demgegenüber ist der Gedanke der Generationengerechtigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) längst obsolet. Das Prinzip des Umlageverfahrens griff nur so lange, wie die Geburtenrate bei zwei Kindern pro Frau lag. Dieser Wert wurde zuletzt 1970 erreicht. Im Jahr 2020 lag er bei 1,53. Die Umlagesysteme stehen daher unter erheblichem finanziellem Druck. Für die jungen Generationen bedeutet das gigantische Kostenbelastungen für Gesundheit, Pflege und Alter.

Es wird Zeit, ehrlich darüber zu sprechen, wie gegengesteuert werden kann. Zu dieser Ehrlichkeit gehört auch, dass man in der GKV um Leistungskürzungen nicht umhinkommen wird. In der Konsequenz werden die private Zusatzvorsorge und insbesondere die betrieblichen Kranken- und Pflegezusatzversicherungen deutlich an Bedeutung gewinnen. Perspektivisch werden Arbeitgeber hier erheblich mehr in die Pflicht genommen.

In der PKV leiden die Rückstellungen unter dem Niedrigzinsumfeld. Umso entscheidender ist es, dass sich die Unternehmen im Bereich der Kapitalanlage optimal aufstellen. Der HanseMerkur ist es im Zehn-Jahres-Mittel (2010 bis 2020) gelungen, ihren Kunden eine Nettoverzinsung von 4,13 % anzubieten. Der PKV-Markt insgesamt lag im selben Zeitraum bei 3,62 %. Im Hinblick auf das Zinsumfeld sind das herausragend gute Ergebnisse. Gleichzeitig werden die Beiträge weitestgehend stabil gehalten: Die Beitragsanpassung der HanseMerkur beträgt 2022 im Bestand der Vollversicherten ohne Pflege-Pflichtversicherung +1,02 %. Unser primäres Ziel ist es, auch morgen und übermorgen die Generationengerechtigkeit aufrechtzuerhalten. Ein Selbstgänger ist das mit Blick auf das anhaltende Niedrigzinsniveau beileibe nicht.

Für das umlagefinanzierte Ge­sund­heitssystem wird es höchste Eisenbahn, sich konsequent auf die gravierenden Folgen des demografischen Wandels auszurichten. Das ist die zu stellende Weiche für Gesundheit, Wohlstand und Lebensglück der nachfolgenden Generationen.

These 3: Das Gesundheitswesen muss europäischer gedacht und gelebt werden

Die Corona-Pandemie hält uns den Spiegel vor: Noch immer mangelt es in der Europäischen Union (EU) beim Thema Gesundheitspolitik an Vernetzung und kontinuierlichem Wissenstransfer. Die europäische Idee wird in diesem Segment bisher allenfalls rudimentär gelebt. Dabei begrenzt sich die Notwendigkeit eines ebenso sensiblen wie wertstiftenden Umgangs mit Gesundheitsdaten mitnichten auf Deutschland. Ob in Schweden, Estland, Spanien oder woanders – Daten sind das Öl für die moderne Digitalisierungsgesellschaft. Die Rechnung ist simpel: In der EU leben rund 450 Millionen Menschen. In Deutschland sind es etwa 80 Millionen.

Datenschätze liegen brach

Der Erkenntnisgewinn für Diagnostik und Therapie wäre somit um ein Vielfaches größer, wenn man innerhalb der EU dazu überginge, ausgewählte Daten institutionalisiert gemeinsam zu bearbeiten und auszuwerten. Hier liegen wahre Datenschätze brach, die sich zu einem echten Game Changer für die individuelle Gesundheit entwickeln könnten.

Auch was gemeinsame Logistik, Diagnostik und Abrechnungssysteme anbelangt, ließe sich viel Potenzial heben. Verkürzt gesagt: Die Krankheitsbilder in den verschiedenen Staaten gleichen sich weitgehend. Warum sollte ein Wissensaustausch zu Tumor- oder Demenzerkrankungen mittelfristig nicht zu neuen Erfolgen bei Behandlungs- und Therapiemethoden führen? Es ist angezeigt, die Kräfte zu bündeln – auch und gerade, weil der Personalmangel vielerorts ein immer drängenderes Problem wird.

Zu viel Bürokratie

Warum also nicht ein gemeinsames, europäisches Ausbildungswesen für Berufe in der Medizin, der Pflege etc. initiieren? Unter dem Strich suchen die EU-Länder Strategien für die gleichen jeweils mehr oder weniger stark ausgeprägten Megatrends und Herausforderungen: der demografische Wandel beziehungsweise die Überalterung der Gesellschaften, der Fachkräftemangel sowie der steigende Bedarf an Innovationen, Automatisierungsprozessen und Robotik. Bislang wurden dort, wo es eigentlich innovativer und pragmatischer Lösungen bedurft hätte, viel zu häufig Bürokratie und Einzelverordnungen bemüht.

Lenken wir unseren Blick doch auf die immensen Potenziale, die sich unserer Gesellschaft bieten. Nie war unser Datenbestand größer, nie das Gesundheitsbewusstsein der Menschen ausgeprägter. Ganz zu schweigen von den technologischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Damit haben Politik, Verwaltung und Unternehmen gemeinsam die großartige Chance, eine hochwertige und dauerhaft bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle zu schaffen. Nutzen wir sie.

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