Immobilienmarkt

Gute Perspektiven für deutsche Gewerbe­immobilien

Eine differenzierte Entwicklung der Segmente auf dem Markt für Gewerbeimmobilien setzt sich fort. Marktteilnehmer sollten jedoch strukturelle Megatrends sowie ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie im Auge behalten.

Gute Perspektiven für deutsche Gewerbe­immobilien

2021 wird auf dem deutschen gewerblichen Immobilienmarkt als ein bemerkenswertes Jahr in Erinnerung bleiben. Was mit günstigen immobilienkonjunkturellen Rahmenbedingungen in der zurückliegenden Dekade begann, gipfelte 2021 in Höchstwerten. Anhaltend niedrige Zinsen und Kapitalmarktrenditen beflügelten das Anlegerverhalten. In den vergangenen zehn Jahren stützte der Bevölkerungszuwachs diese Entwicklung. Auch die Corona-Pandemie konnte die gute Stimmung der Marktteilnehmer nicht trüben. Neben der verstärkten Nachfrage nach Wohnimmobilien waren in jüngster Zeit vor allem repräsentative Büroobjekte sowie Logistikimmobilien und Nahversorgungsmärkte ge­fragt.

Zum Jahresende wurde ein Transaktionsvolumen gewerblicher Immobilien inklusive Wohninvestments von rund 111 Mrd. Euro erreicht und damit erstmals die Marke von 100 Mrd. Euro überschritten. Auch für 2022 bleiben die Aussichten vielversprechend. Allerdings könnten sich ein anhaltendes Pandemiegeschehen, stockende Lieferketten, steigende Baukosten und geopolitische Konflikte dämpfend auswirken. Auch die neue EU-Taxonomie-Verordnung so­wie etwaige Sanierungsauflagen dürften die aktuelle Dynamik etwas abfedern. Erste Einflüsse sind bereits erkennbar.

Nachdem sich zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 viele Büros in Deutschland zunächst leerten und zahlreiche Menschen im Homeoffice arbeiteten, waren Anleger mit Investitionen in dieses Segment vorerst zurückhaltend. Die Unsicherheit hielt nur kurzfristig an. Anleger stellten das Büro nicht grundsätzlich in Frage, sondern diskutierten vielmehr über den zukünftigen Flächenbedarf. 2021 lag das Transaktionsvolumen bei 27,5 Mrd. Euro, ein Plus von 12% gegenüber dem Vorjahr. Die Attraktivität dieses Marktes wird sich voraussichtlich fortsetzen. Denn viele Unternehmen setzen weiterhin auf das Büro als identifikationsstiftende Kommunikationszentrale, ergänzt um die Option, flexibel arbeiten zu können.

Investoren priorisieren mittlerweile stärker repräsentative Flächen, die dem Wunsch nach Digitalisierung, agilen Arbeitsformen und zeitgemäßen Nachhaltigkeitsstandards Rechnung tragen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass ESG-Richtlinien (Environment, Social, Governance – kurz ESG) zunehmend ein Anlagekriterium werden. Unter Druck geraten folglich ältere ­Ob­jekte in schwächeren Lagen, die den ge­stiegenen Anforderungen nicht mehr gerecht werden.

Die erhöhten Qualitätsansprüche spiegeln sich bereits in den Spitzenmieten wider, die seit Ende 2021 wieder moderat steigen. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Das zunehmende Büroflächenangebot wird sich kaum dämpfend darauf auswirken, weil nach vielen Jahren geringer Neubauaktivität der Bedarf an zeitgemäßen Flächen entsprechend groß ausfällt. Die Chancen stehen also gut, dass mit dem „Büromarkt 2.0“ die Nachfrage weiter anzieht, sofern die konjunkturelle Entwicklung stabil bleibt.

Wohnimmobilien gefragt

Das größte Wachstum verzeichnete das Segment Wohnen. Trotz der Diskussionen um Mietendeckel und Enteignung schloss diese Assetklasse das vergangene Jahr mit einem Transaktionsvolumen in Höhe von 52,2 Mrd. Euro ab. Das entspricht einem Anteil von 47% der gesamten Investitionen auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt. Dieses bemerkenswerte Ergebnis kam nicht zuletzt durch einige großvolumige Abschlüsse zustande.

Aufgrund der hohen Nachfrage sind die Renditen auf dem Wohninvestmentmarkt 2021 weiter gefallen. Diese Kompression dürfte sich im laufenden Jahr fortsetzen. Denn die Kaufpreise werden auch angesichts hoher Baukosten weiter steigen. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Mietdynamik wegen der zunehmenden Fertigstellungen leicht nachlässt. Auf viele Vermieter kommen zudem Kosten für die energetische Gebäudesanierung zu, die im Rahmen der Instandhaltungen seit geraumer Zeit bereits durchgeführt werden.

Der Zuzug nach Deutschland verlangsamt sich spürbar und bremst den Bevölkerungszuwachs, während der Wohnungsneubau zugelegt hat. Dennoch übertrifft die Nachfrage in den Metropolregionen unter anderem aufgrund der steigenden Singlehaushalte und höherer Flächenansprüche weiterhin das Angebot. Der deutsche Wohninvestmentmarkt gilt trotz der wachsenden Herausforderungen als risikoarm. Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass diese Assetklasse auch künftig gefragt bleibt.

Einzelhandelsimmobilien stehen indes vor Herausforderungen. Im vergangenen Jahr wurden 8,5 Mrd. Euro in das Segment investiert, rund 2 Mrd. Euro weniger als im Jahr zuvor. Insbesondere im zweiten Halbjahr hat sich das Marktgeschehen aber wieder deutlich belebt. Das spricht dafür, dass es leicht bergauf gehen könnte, auch wenn Ergebnisse wie vor einigen Jahren unwahrscheinlich sind. Besonders gefragt sind Fachmarktprodukte: Mehr als zwei Drittel des Transaktionsvolumens entfielen auf Fach- und Supermärkte, Discounter sowie überwiegend lebensmittelgeankerte Fachmarktzentren.

Der wachsende E-Commerce-Anteil senkt den Verkaufsflächenbedarf bereits seit einigen Jahren. Aufgrund des Lockdowns wuchsen die Herausforderungen für die Einzelhändler weiter. Nach einer leichten Erholung im Sommer vergangenen Jahres übt das Wiederaufflammen der Corona-Pandemie seit Herbst erneut Druck auf dieses Segment aus. Insofern zeichnen sich in den Innenstädten weitere Umsatzverluste, ein geringerer Verkaufsflächenbedarf und zunehmende Leerstände sowie sinkende Mieten ab.

Eine Umnutzung innerstädtischer Flächen mit einem ausgewogenen Nutzungsmix aus Wohnen, Arbeiten, Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, Grünflächen sowie Service- und Freizeitangeboten könnte perspektivisch eine Lösung bieten. Durch die derzeitige Lageabwertung der Innenstädte und entsprechend sinkende Mieten haben alternative Konzepte dort künftig durchaus eine Chance, wenn es gelänge, die Interessen der unterschiedlichen Marktteilnehmer zu moderieren.

Auch Hotelimmobilien sind von der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen. 2021 setzten zwar leichte Erholungstendenzen ein, die Auslastung lag jedoch weiterhin spürbar unter Vorkrisenniveau. Im vierten Quartal zeichnete sich wieder etwas mehr Bewegung beim Investmentgeschehen ab. Mit einem Transaktionsvolumen von rund 2,5 Mrd. Euro blieb die Assetklasse dennoch erneut weit unter den Ergebnissen früherer Jahre zurück. Die weitere Entwicklung am Hotelmarkt hängt verstärkt vom pandemischen Ge­schehen ab. Zudem zeigt sich hier wie auch bei Einzelhandelsimmobilien ein differenziertes Bild.

Budget-Hotels dürften angesichts günstiger Kostenstrukturen die besten Aussichten haben. Stadthotels, die in der Vergangenheit überwiegend auf Geschäftsreisende gesetzt haben, werden ihr Geschäftsmodell anpassen müssen. Viele Unternehmen haben gute Erfahrungen mit Videokonferenzen und Webinaren gemacht, sodass eine Entwicklung auf Vorkrisenniveau in den kommenden Jahren unwahrscheinlich ist. Bessere Aussichten hat die Ferien­hotellerie, die sich mittelfristig er­holen dürfte.

Logistikimmobilien im Fokus

Produktions-, Lager- und Logistikimmobilien wiederum zählen durch den wachsenden Online-Handel schon seit längerem zu den beliebten Assetklassen. Die Pandemie hat dem einstigen Nischensegment einen zusätzlichen Aufschwung gegeben. Mit insgesamt 10,2 Mrd. Euro Jahresumsatz machte dieses Segment 2021 einen Anteil von 9,3% am gesamten Transaktionsvolumen aus und ist damit so populär wie nie zuvor.

Durch die vorübergehenden Lieferkettenunterbrechungen könnten sich viele Unternehmen in Deutschland künftig zusätzliche Lagermöglichkeiten schaffen, um Produktionsausfälle zu vermeiden. Die Nachfrage nach entsprechenden Immobilien wird aufgrund des hohen Wachstumspotenzials mittel- bis langfristig weiterhin wachsen, auch wenn die Renditen innerhalb des vergangenen Jahres spürbar gesunken sind. Bremsend könnte sich allenfalls ein nicht ausreichendes Angebot aufgrund limitierter Flächenausweismöglichkeiten auswirken.

Die derzeitige Hochphase belegt die große Anziehungskraft des deutschen Immobilieninvestmentmarktes. Auch der Mangel an renditeträchtigen Alternativen und die hohe Inflation tragen dazu bei, dass die Nachfrage nach Sachwerten weiter anhält. Metropolen und deren angrenzende Speckgürtel dürften langfristig aufgrund ihres wirtschaftlichen Wachstumspotenzials begehrt bleiben. Investoren sollten sich 2022 aber auf ein Immobilienmarktumfeld im Wandel einstellen und neue Entwicklungen wie die strukturellen Megatrends sowie ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie im Auge behalten.

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