Fondsbranche

Professionalisierter, spezialisierter und diversifizierter

Die Fondsbranche hat sich immer wieder verändert. Neue Assetklassen, neue Akteure am Markt und neue Fondsmanager tragen ihren Teil dazu bei.

Professionalisierter, spezialisierter und diversifizierter

70 Jahre Börsen-Zeitung – in diesem Zeitraum ist eine lange, vielfältige, aber vor allem niemals langweilige Geschichte an den Finanzmärkten geschrieben worden. Etwa zwei Jahre vor Gründung der Börsen-Zeitung in Frankfurt, im Jahr 1950, startete in Deutschland mit der Auflage des ersten Aktienfonds ein heute ganz wesentlicher Teil des Sektors – die Fondsbranche. Was in jenem Jahr mit dem Fondak Aktienfonds begann, ist in Deutschland laut dem Branchenverband BVI heute ein Markt mit über 4 Bill. Euro verwaltetem Vermögen, das sich auf mehr als 50 Millionen private oder institutionelle Anleger erstreckt.

Unterschiedliche, hoch spezialisierte Anbieter und Dienstleister nehmen am Markt teil und haben so Auswirkungen auf rund 300000 Arbeitsplätze. Gerade die vergangenen 20 Jahre haben in der Branche vielfältige Veränderungen hervorgebracht – auf drei davon soll ein besonderes Augenmerk geworfen werden.

Große Fondsgesellschaften, aber auch kleinere Fondshäuser haben früher alle Teile der Fonds-Wertschöpfungskette selbst abgebildet: vom Vertrieb an Endkunden und dem Portfoliomanagement über die Fondsadministration bis hin zur konzerneigenen Depotbank, der heutigen Verwahrstelle. An der Zusammensetzung der Top-3-Fondsgesellschaften in Deutschland hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren nicht viel geändert, wohl aber an der Aufstellung der Häuser und ihrem Target-Operating-Modell (TOM). Statt auf ein All-in-one-Konzept fokussierten sich Fondshäuser auf einzelne Teilbereiche der Wertschöpfungskette.

Möglich machte dies das Aufkommen von Master-Kapitalverwaltungsgesellschaften, die seit ihrem offiziellen Bestehen im Investmentgesetz im Jahr 2002 stark an Bedeutung gewannen: Sie agieren als Instanz für Kunden in allen Fragen der Fondsverwaltung beziehungsweise der Fondsadministration und bilden zusammen mit der Verwahrstelle und dem Portfoliomanagement eine Art Fonds-Dreigestirn.

Durch sie kam auch Bewegung in die Strukturen der Fondshäuser: 2003 etwa verkaufte die Fondssparte der Deutschen Bank, der Vorläufer der DWS, den Subbereich „Wertpapierdienste“ an die State Street. 2016 übernahm State Street die Fondsbuchhaltung und die Fondsadministration der Deka sowie der Allianz Global Investors. Zahlreiche Neugründungen und Konsolidierungen später wird am deutschen Markt laut einer Studie von Telos heute ein Fondsvermögen von 1,4 Bill. Euro von reinen Master-Kapitalverwaltungsgesellschaften administriert. Tendenz stark steigend.

Während sich dieser Teil der Branche in seiner Vielfalt ausgedehnt hat, ist bei den Verwahrstellen Gegenteiliges zu beobachten: Analog zum verwalteten Fondsvermögen wachsen zwar auch die verwahrten Volumina, allerdings findet hier eine zunehmende Marktkonsolidierung statt. Von mehr als 50 Depotbanken um die Jahrtausendwende sind 2021 laut BVI lediglich 34 übrig geblieben. Zudem befindet sich der Markt der Verwahrstellen in großen Teilen in der Hand von Global Custodians oder internen Verwahrstellen von Großbanken. Zum 30. Juni 2021 verwahrten die zehn größten Verwahrstellen in Deutschland rund 90% des Gesamtvolumens.

Wertpapiermarkt wächst

Das Wachstum der Fondsbranche ist noch immer am stärksten mit dem Wertpapiermarkt verbunden. Das wird bereits im Hinblick auf die vergangenen drei Jahre deutlich: Allein in dieser Zeit hat das Volumen der offenen Publikumsfonds – ausgenommen der alternativen Anlage- sowie Sachwertefonds – der BVI-Investmentstatistik zufolge rasant zugenommen. Zum 31. Oktober 2018 belief sich dieses auf rund 905 Mrd. Euro und stieg binnen drei Jahre auf rund 1,289 Bill. Euro. Offene Aktien-Publikumsfonds machten hier den größten Anteil aus und haben von 364,6 Mrd. Euro auf 610,5 Mrd. Euro zugelegt; auch bei offenen Misch-Publikumsfonds fand ein starkes Wachstum statt.

Dass der Wertpapierbereich boomt, ist aber insbesondere auf die Spezialfonds durch institutionelle Investoren zurückzuführen: In den zurückliegenden drei Jahren ist das Volumen offener Wertpapier-Spezialfonds von 1,532 auf 2,028 Bill. Euro gestiegen. Die Marktkonzentration bei den offenen Wertpapier-Pu­blikumsfonds hat sich hingegen wenig verändert – auch über einen längeren Zeitraum nicht. 2011 waren rund 75,4% der Fondsvolumina in den Händen der Top-5-Fondshäuser in Deutschland. Zehn Jahre später sind es 73,7%. Bei den Wertpapier-Spezialfonds fand im selben Zeitraum hingegen eine stärkere Marktkonsolidierung statt: Die Top-5-Fondshäuser in dieser Kategorie blieben in der Zusammensetzung die gleichen, allerdings wuchs ihr Marktanteil von 55,8 auf 66,9%.

Und auch wenn es anhand dieser Statistiken nicht unbedingt sichtbar wird, so hat sich auch die Branche der Boutiquenfonds über die Jahre hinweg halten und weiterentwickeln können. Mit rund 131 Mrd. Euro Volumen im Jahr 2020 stellen sie noch immer einen kleinen Teil der Branche dar, jedoch hat ihnen der hohe Grad der Individualisierung und ihr starker Fokus auf spezielle Sektoren geholfen, sich in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich weiterzuentwickeln – auch in Zeiten der Pandemie. Mehr als 260 Assetmanager tragen hier zur Vielfalt der Branche bei.

Wenn die sehr erfreuliche Entwicklung der Fondsbranche einen Vorzeigebereich hat, dann lässt sich hier sicherlich die Real-Asset-Sparte nennen. Insbesondere an Immobilien festzumachen, erfreuen sich grundsätzlich aber alle alternativen Assetklassen wie Private Equity, In­frastruktur oder Private Debt eines großen Interesses der Investoren. In der vergangenen drei Jahren ist so das Volumen offener Sachwerte-Publikumsfonds um rund 28% auf 124,3 Mrd. Euro gestiegen. Dominiert wird der Markt von großen Häusern – rund 94% des Marktes werden von den Top-5-Anbietern abgedeckt.

Bei den Sachwerte-Spezialfonds lohnt sich ein Blick auf die Veränderung über zehn Jahre: Hier ist der Markt um knapp 320% gewachsen. 131,6 Mrd. Euro werden gegenwärtig verwaltet. Getrieben wurde und wird diese Entwicklung unter anderem von Asset Owners, den institutionellen Anlegern. Zahlreiche Kapitalsammelstellen in Deutschland setzen etwa verstärkt auf Immobilien, vor allem aufgrund der Niedrigzinsphase. Das aktuelle Trendbarometer der Assekuranz 2021 der Beratungsgesellschaft EY verzeichnet ein historisches Hoch der Immobilienquote bei deutschen Versicherern. Immobilienanlagen machen aktuell einen Anteil von 11,5% in deren Portfolien aus. EY zufolge planen 63% der Befragten, ihre Immobilienquote weiter auszubauen oder sie auf gleichem Niveau zu halten.

Institutionelle Investoren nehmen dabei verstärkt das Zepter selbst in die Hand und managen ihre Real-Asset-Anlage. Dabei bevorzugen sie vor allem Luxemburger Administrationsplattformen in Kombination mit externen Assetmanagern. Die früher dominierenden Real-Assetmanager von Großbanken werden am Markt zunehmend von spezialisierten Assetmanagement-Unternehmen mit einem klaren Fokus auf bestimmte Real-Asset-Klassen abgelöst.

Die Fondsbranche hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder verändert, sich angesichts vieler weltwirtschaftlicher Änderungen und gesellschaftlicher Trends aber auch verändern müssen. Doch sie ist dabei auch diverser und abwechslungsreicher geworden. Neue Assetklassen, neue Akteure am Markt und natürlich auch neue Fondsmanager tragen hier ihren Teil dazu bei.

Der Finanzplatz Frankfurt steht sicherlich wie keine zweite Stadt für die Branche ein und lockt seit Jahren Absolventen und Professionals mit Arbeitsplätzen. Die Attraktivität des Standortes hat in den vergangenen Jahren, sicherlich auch begünstigt durch Entwicklungen wie den Brexit, weiter zugenommen. Mit der Ansiedlung des International Sustainability Standards Board (ISSB) wird der Standort weiter an Bedeutung gewinnen. Das kann für die Fondsbranche in Deutschland nur gewinnbringend sein.

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