Stahlindustrie

Wir machen Tempo bei der Transformation

Salzgitter strebt die Marktführerschaft im Bereich „Circular Economy Solutions“ an. Aber die Dekarbonisierung der Stahlindustrie braucht einen langen Atem.

Wir machen Tempo bei der Transformation

Unsere Industriegesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Fixpunkte hierbei sind die Dekarbonisierung der industriellen Produktion und die Etablierung ge­schlossener Wertschöpfungsketten. Mit unserer neuen Strategie „Salzgitter AG 2030“ haben wir das Ziel formuliert, diese Bewegung anzuführen und uns als Marktführer für „Circular Economy Solutions“ zu etablieren. Wir nehmen die gesellschaftliche Herausforderung an und sichern so zukünftig ein höheres und stabileres Wachstum in nachhaltig orientierten Märkten.

Mit einem zügigen Umbau der Salzgitter AG mit dem Fokus auf Circularity, dem Prinzip von CO2-armen und ressourcenschonenden, ge­schlossenen Energie- und Materialkreisläufen, richten wir den Konzern neu aus. Ziel ist es, kundenorientierte Lösungen marktreif zu etablieren, um in diesen nachhaltigen und wachsenden Marktsegmenten weiterhin erfolgreich zu sein und unsere Position auszubauen. Dies ist ein wesentlicher Baustein der Strategie „Salzgitter AG 2030“, die wir Anfang Februar vorgestellt haben.

Bei der Umsetzung von SALCOS® – Salzgitter Low CO2-Steelmaking, dem größten Investitions- und Transformationsprojekt in der Geschichte unseres Unternehmens, sind wir noch ambitionierter geworden. Die komplette Transformation des integrierten Hüttenwerks soll nun schon 2033 abgeschlossen sein. Das ist mehr als zwölf Jahre früher als bisher geplant. Derzeit bereiten wir die endgültige Investitionsentscheidung für die erste Ausbaustufe vor.

Ein positives Votum im Aufsichtsrat und eine öffentliche Förderung vorausgesetzt, wollen wir noch in diesem Jahr mit dem Bau der Anlagen beginnen und bereits ab Ende 2025 mit der CO2-armen Stahlproduktion im großen Maßstab starten; anfangs überwiegend erdgasbasiert und später mit bis zu 100% grünem Wasserstoff. Schon 2026 wollen wir auf diesem Weg über eine Million Tonnen CO2-armen Stahl erzeugen. Insgesamt erzielen wir mit der kompletten Transformation eine CO2-Verminderung von über 95% gegenüber 2018 und vermeiden rund 1% der heutigen deutschen CO2-Emissionen.

Die Transformation ist aber auch nachfragegetrieben: Unsere Kunden, insbesondere in den europäischen Märkten, stellen ihre Materialbeschaffung zunehmend auf „grüne Ressourcen“ um und betrachten dabei auch Emissionen aus den Wertschöpfungsketten. Mit BMW haben wir schon länger einen geschlossenen Materialkreislauf für wiederverwendbaren Stahl aus dem BMW-Werk Leipzig aufgebaut. Nach der Belieferung des Werks mit Stahlcoils nimmt die Salzgitter AG auf dem Rückweg den zu recycelnden Stahl, wie er in den Presswerken zum Beispiel beim Ausstanzen der Türen entsteht, wieder mit und setzt ihn für die Produktion von neuem Stahl ein. Diese Kooperation weiten wir nun aus. Dadurch, dass wir 2026 alle europäischen Werke der BMW Group mit CO2-armem Stahl beliefern, entsteht ein ideal geschlossener Kreislauf mit grünem Stahl.

Besonders stolz sind wir darauf, der erste europäische Hersteller mit einer Konformitätsaussage für „grüne Stahlprodukte“ zu sein. Wir sind bereits heute in der Lage, grüne Flachstahlprodukte mit einem um zwei Drittel verminderten CO2-Fußabdruck zu liefern. Diese werden auf der schrottbasierten Elektrostahlroute hergestellt. Es gibt somit schon jetzt reale Vertriebsstrukturen, die dann mengenmäßig erweitert werden können. Kunden sind namhafte Automobilhersteller, wie unter anderem die Mercedes-Benz AG und deren Zulieferer sowie Haushaltsgerätehersteller wie Miele und BSH.

Strategische Partnerschaft

Mit Ørsted, dem Weltmarktführer bei Planung, Bau und Betrieb von Offshore-Windparks, arbeiten wir künftig als strategische Partner zusammen. In einem Memorandum of Understanding (Absichtserklärung) sind die Vorhaben festgelegt: Die Partner streben an, geschlossene Wertschöpfungsketten für ihre gemeinsamen Aktivitäten zu etablieren. Diese sollen, neben der Lieferung von Offshore-Windstrom und der Nutzung von nachhaltig produziertem Wasserstoff, auch die Produktion von CO2-armem Stahl und dessen Einsatz in den Komponenten für die Offshore-Windparks von Ørsted beinhalten. Außerdem ist vorgesehen, Schrott aus ausgemusterten Windrädern direkt in den Stahlproduktionsprozess der Salzgitter AG zurückzuführen.

Wir betreiben die Dekarbonisierung der Stahlerzeugungsprozesse bereits jetzt mit verschiedenen Projekten und setzen auch auf ein Netzwerk mit unseren Partnern. So erzeugen wir seit dem vergangenen Jahr grünen Wasserstoff mittels Windenergie für bestehende Fertigungsprozesse mit dem in Deutschland einzigartigen Sektorkopplungsprojekt „Windwasserstoff Salzgitter – WindH2“. Damit sammeln die Partner Know-how sowie Erfahrungen mit der Vor-Ort-Produktion von Windstrom und Wasserstoff und deren Integration in die komplexen Abläufe der Stahlproduktion. Außerdem betreiben wir die derzeit weltweit größte Hochtemperatur-Elek­trolyse.

Zurzeit bauen wir eine Direktreduktionsanlage im Demonstrationsmaßstab (µDRAL), mit der wir technische Expertise zur Herstellung von direkt reduziertem Eisen (DRI) aufbauen. Sie wird die erste flexibel mit Erdgas und Wasserstoff betreibbare DRI-Anlage sein. Die Produktion beginnt in den nächsten Monaten. Zunächst wird das direkt reduzierte Eisen im Hochofenprozess – zur Einsparung von Einblaskohle – sowie im Elektrolichtbogenofen unseres Werkes Peine eingesetzt. Mit der µDRAL-Anlage werden wir die nötigen Erfahrungen sammeln, um in weniger als vier Jahren Anlagen in weitaus größerem Maßstab zu betreiben.

Um die anfänglich sicher vorhandenen Mehrkosten bei der Erzeugung von „grünem Stahl“ stemmen zu können, gehen wir zweigleisig vor: Einerseits setzen wir auf die Etablierung grüner Leitmärkte, die bereit sind, diese Belastung mitzutragen. Andererseits werben wir für eine Integration der echten CO2-Kosten in die Produktpreise bei gleichzeitig wirksamem Carbon-LeakageSchutz. Das hat die EU-Kommission mit „Fit for 55“ bereits aufgegriffen, aber es besteht dort noch Nachbesserungsbedarf.

Wirksamkeit erst beweisen

Das neue Instrument CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) muss seine Wirksamkeit erst unter Beweis stellen. Bis dahin ist es entscheidend, für neue Technologien eine Zuteilung von Zertifikaten im europäischen Emissionshandelssystem EU-ETS in Höhe der Hochofen-route zu bekommen, ohne dass diese insgesamt drastisch abgeschmolzen wird. Sprich: Wir müssen die Möglichkeit haben, das Geld für die anstehende Transformation (auch) mit den Bestandsanlagen zu ver­dienen.

Wenn diese beiden Dinge gelingen, sehen wir der Wettbewerbsfähigkeit gelassen entgegen. Die derzeitig zu beobachtenden extremen Preissteigerungen bei Strom und Erdgas trüben diese Gelassenheit natürlich etwas ein, allerdings braucht das Mammutprojekt Transformation der Stahlerzeugung einen langen Atem und darf sich nicht an außergewöhnlichen Preisschwankungen orientieren. Wir bleiben daher klar auf dem von uns eingeschlagenen Weg, nicht zuletzt auch, um dann weitgehend unabhängig von fossilen Energieträgern und den damit einhergehenden Volatilitäten zu sein.

Wir haben es erreicht, Zuversicht bei Mitarbeitenden und den Stakeholdern des Salzgitter-Konzerns in die Transformation zu vermitteln. Dabei haben wir alle ein gemeinsames Ziel: Wir wollen auch in Zukunft profitabel Stahl in Salzgitter produzieren.

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