Hafenstädte

Zukunftsfähigkeit verlangt Mut

Häfen sind Pump­stationen im globalen Wirtschaftskreislauf. Von ihrer Leistungsfähigkeit hängt entscheidend ab, wie sicher, schnell und zuverlässig die Waren­ströme fließen. Wie belastbar ein System ist, zeigt sich dann, wenn die Bedingungen wie derzeit besonders herausfordernd sind.

Zukunftsfähigkeit verlangt Mut

In der Geschichte waren es häufig Hafenstädte, die ihr Schicksal in die eigene Hand nahmen: Sie bildeten ihre eigenen Handelseinrichtungen und wurden zu ökonomischen Schaltstellen. Sie verbündeten sich über Ozeane und Grenzen hinweg mit anderen Hafenstädten. Bereits vor mehr als zwei Jahrtausenden bauten griechische Orte wie Delos das älteste uns bekannte Freihafensystem auf. Es verband Zivilisationen im gesamten Mittelmeerraum miteinander.

An diese Tradition des Vernetzens knüpften im 13. Jahrhundert europäische Hafenstädte wie Hamburg an, als sie die Hanse gründeten. Aktuell spüren wir, wie wichtig Häfen für die Versorgung von Unternehmen und Verbrauchern sind. Coronabedingte Schließungen von Häfen in China und den USA führten dazu, dass Hunderte Containerschiffe nicht abgefertigt wurden. Die normalerweise fein austarierten globalen Lieferketten sind deshalb seit Monaten gestört. Wann sie wieder in einen Normalzustand kommen, ist derzeit ungewiss. Es wäre zu einfach, die Verwerfungen allein mit der Ausbreitung von Corona zu erklären.

So sind Verzögerungen bei der Abfertigung in amerikanischen Hä­fen unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Infrastruktur nicht an die gestiegenen Anforderungen eines 24/7-Umschlagbetriebs angepasst wurde. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, automatisierte Prozesse beim Umschlag und intakte Hinterlandverbindungen auf der Straße und Schiene sind angesichts der Mengen an Containern, die mit immer größer werdenden Schiffen in den Häfen verarbeitet werden müssen, entscheidende Voraussetzungen, damit Lieferketten funktionieren.

Häfen sind Pumpstationen im globalen Wirtschaftskreislauf. Von ihrer Leistungsfähigkeit hängt entscheidend ab, wie sicher, schnell und zuverlässig die Warenströme fließen. Wie belastbar ein System ist, zeigt sich dann, wenn die Bedingungen wie derzeit besonders herausfordernd sind.

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) hat seit ihrer Gründung im Jahr 1885 viele Krisen und Belastungen gemeistert. Heute ist die HHLA ein erfolgreiches führendes europäisches Logistikunternehmen. Die Erfahrung der Kaufleute im Mittelalter, dass sich wirtschaftlicher Erfolg nicht in engen Grenzen erzielen lässt, gilt heute genauso wie vor 500 Jahren zu Zeiten der Hanse.

Die Belebung der Idee von einer „neuen Hanse“, wie sie die HHLA inzwischen aktiv betreibt, erfolgt daher nicht aus nostalgischen Gründen, sondern aus der Motivation heraus, dass die Stärken des Einzelnen in einem Verbund noch stärker werden. Und so wächst das Netzwerk der HHLA kontinuierlich. Mehr als 6 000 Mitarbeiter sind in den Häfen von Hamburg, Odessa, Tallinn und Triest sowie bei der Intermodal-Bahntochter Metrans mit ihren 21 Terminal in mehreren europäischen Ländern beschäftigt.

Gerade in so schwierigen Zeiten, wie wir sie seit Ausbruch der Corona-Pandemie erleben, stehen wir daher in der besonderen Verantwortung, die Versorgungsstabilität von Unternehmen und Verbrauchern zu gewährleisten. Aber nicht nur in Krisenzeiten ist dieser Auftrag zuverlässig zu erfüllen, er besteht permanent und zu jeder Zeit. Auch künftig.

Schon bevor sich der Virus ausbreitete, offenbarte die globalisierte Wirtschaft Schwächen. Diese werden nun schonungslos offengelegt, etwa die langen Lieferketten für in Asien billig produzierte Medizingüter. Es liegt in einer solch außergewöhnlichen Situation nahe, dass Produktionsweisen überdacht werden. Dabei werden sich solche Lösungen durchsetzen, die Erfolg versprechen, um die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen die Menschheit – insbesondere durch den Klimawandel – steht.

In der Weise, wie sich Produktion und Handel verändern, verändern sich auch die sie verbindenden logistischen Prozesse. Es gibt erste Ansätze, Lieferketten etwa per Blockchain zu beschleunigen. Mit dem 3D-Druck steht eine Technologie vor dem industriellen Durchbruch, die die Logistik revolutionieren wird. In einigen Jahren werden Waren vielleicht auf automatisch gesteuerten Schiffen über die Meere transportiert oder als Datenpakete über Glasfasernetze direkt zum Zielort übermittelt, wo sie dann ausgedruckt werden. Damit einher geht eine erhebliche Verschiebung der Wertschöpfungskette. Durch die Digitalisierung wird das bisher Unvorstellbare möglich: Der Container bekommt Konkurrenz.

Bisher galt die stählerne Box als die unschlagbar effizienteste Art, um Waren und Güter von einem Ort zum anderen zu bewegen. Was könnte neben dem Container kommen? Das ist die Frage, mit der sich die HHLA intensiv beschäftigt, ja, beschäftigen muss. Denn die Zukunft eines europäischen Logistikkonzerns hängt davon ab, ob es ihm gelingt, die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen. Wie sehen die Terminals in der Zukunft aus, wenn sich der 3D-Druck indus­triell durchsetzt? Legen dann vielleicht weniger Containerschiffe mit Fertigprodukten an, stattdessen mehr Schüttgutfrachter, die Materialien für den 3D-Druck transportieren?

Auch durch die fortschreitende Entwicklung der Drohnentechnologie eröffnen sich für logistische Prozesse in der Zukunft neue Möglichkeiten.

Schon jetzt nutzen wir Drohnen für die Inspektion von Containerbrücken und zur Überwachung von Anlagen. Um Transporte mit Drohnen durchführen zu können, braucht es eine entsprechende Steuerung. Die HHLA-Tochter Sky hat einen Leitstand entwickelt, mit dem sich bis zu 100 Drohnen gleichzeitig starten, landen und fliegen lassen, und das an unterschiedlichen Orten auf der Welt. Als weitsichtig agierendes Unternehmen verschließen wir die Augen nicht vor den technologischen Veränderungen. Um zukunftsfähig zu bleiben und dauerhaft qualifizierte Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, müssen wir handeln, zielgerichtet und mutig.

Die HHLA hat daher in relativ kurzer Zeit Geschäftseinheiten mit technologischen und digitalen Innovationspotenzialen identifiziert und baut sie kontinuierlich auf. So ist die HHLA bereits unternehmerisch in den 3D-Druck eingestiegen. Mit der VW-Tochter MAN haben wir ein Projekt zu autonom fahrenden Lkw auf Terminalanlagen realisiert. Mit dem amerikanischen Unternehmen Hy­per­loop Transportation Technologies haben wir die betriebswirtschaftliche und technische Machbarkeit entwickelt, unter welchen Voraussetzungen Seecontainer mit der Hyperloop-Technologie transportiert werden können.

Die Entwicklung von „modility“, einer Plattform für kombinierte Straßen-Schienenverkehre, ist bei großen Playern der Logistikbranche auf positive Resonanz gestoßen. Erste Projekte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz wurden auf unseren Container-Terminals im Hamburger Hafen gestartet. Wir sind Teil des Netzwerkes, das Hamburg zu einem strategisch wichtigen Standort für Wasserstoff profilieren will.

Die hervorragende Anbindung des Hamburger Hafens an das europäische Hinterland über die Schiene ist bereits heute ein unschätzbarer Standortvorteil. Insbesondere vor dem Hintergrund der Forderung, Güterverkehre verstärkt von der Straße auf die Schiene zu verlagern, bietet Hamburg als Europas größter Seehafenbahnhof sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht viele gute Argumente.

Welthafenstadt Hamburg

Hamburg ist Welthafenstadt. So steht es in der Verfassung der Freien und Hansestadt. Diesen Anspruch zu erfüllen, fühlt sich die HHLA verpflichtet, indem sie Waren aus Deutschland in die Welt liefert und Waren aus der Welt an logistischen Knotenpunkten in Europa um­schlägt.

Wir sind das Tor zur Zukunft. Dieses Tor ist in mehrfacher Hinsicht ein Bindeglied: lokale und globale Märkte, Logistik heute und Logistik morgen. Dafür werden wir neue Logistikketten im wachsenden Netzwerk der „neuen Hanse“ knüpfen. Der größte Hafen der Welt wird Hamburg nicht sein, aber der beste in Sachen Nachhaltigkeit und Technologie-Führerschaft.

Die HHLA wird dazu ihren Beitrag leisten. So wollen wir bis zum Jahr 2040 konzernweit klimaneutral produzieren. Wir müssen mit dem Hafen ganz nah an unseren Kunden, allem voran dem Handel, dem Mittelstand und der Industrie in Deutschland und Europa sein. Das ist der neue und zukünftige Sinn für Deutschlands wichtigsten Hafen.