Cum-ex-Prozess

34 Verhand­lungs­tage und keine Bewäh­rung in Sicht

Die juristische Aufarbeitung des Cum-ex-Komplexes ist eine Mammutaufgabe. Am Landgericht Frankfurt hofft die zuständige Strafkammer das erste Verfahren mit Hilfe der Angeklagten abkürzen zu können.

34 Verhand­lungs­tage und keine Bewäh­rung in Sicht

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Der erste Cum-ex-Strafprozess am Landgericht Frankfurt zeigt auf, welche Mammutaufgabe den Ermittlungsbehörden und Gerichten bevorsteht. Zwar wird niemand ernsthaft bezweifeln, dass ein Geschäft un­rechtmäßig ist, dessen einziger Zweck es ist, Bescheinigungen zu produzieren, um sich vom Finanzamt zuvor nicht gezahlte Steuern erstatten zu lassen. Und doch werden die wenigsten in einem Staat leben wollen, in der die Beteiligung an diesen oder anderen Straftaten nach Schema F abgehandelt wird, etwa wie bei einem Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens. Schließlich drohen den Angeklagten langjährige Freiheitsstrafen, wie die Urteile des Landgerichts Bonn zeigen.

So bleibt den Gerichten nichts anderes übrig, als jeden einzelnen Angeklagten anzuhören. Manche von ihnen mögen die Cum-ex-Geschäfte nicht in Gänze durchdrungen haben. Andere mögen eine grundsätzliche Aversion dagegen hegen, dass der Staat Steuern erhebt. Der nächste lehnt es vielleicht aufgrund seiner Tätigkeitsbeschreibung ab, Verantwortung für Steuerfragen zu übernehmen oder auch nur darüber nachzudenken.

Die meisten Beteiligten dürften sich aber gar nicht auf eine dieser Positionen festgelegt haben. Im Maple-Bank-Prozess (Az.: 5/24 KLs 17/19) um die im Rahmen der „German Pair“-Strategie zwischen 2006 und 2009 getätigten Cum-ex-Geschäfte kam heraus, dass die Hauptversammlungssaison für die Handelsabteilung des kleinen Instituts stets die arbeitsreichste Zeit im Jahr markierte. Es ist daher anzunehmen, dass sich die Meinung der Beteiligten im Laufe der Jahre veränderte, mancher Zweifel aufkam und wieder verdrängt wurde.

Es kostet viel Zeit, das alles anzuhören und angemessen zu bewerten. Zumal vieles verzerrt dargestellt werden dürfte. Nicht nur, weil das alles schon viele Jahre her ist. Selbstverständlich haben die Angeklagten auch das legitime Bedürfnis, ihre Rolle bei den Geschäften kleinzureden. Zeit kostet es auch, Zeugen zu laden und zu vernehmen, Erklärungen anzuhören und immer wieder Schriftstücke verlesen zu lassen.

Nach 34 Verhandlungstagen hat die Kammer in dieser Woche nun einen Vorstoß unternommen, um das Verfahren abzukürzen. Der Vorsitzende Richter Werner Gröschel machte deutlich, dass keiner der Angeklagten sich Hoffnung auf einen Freispruch machen kann. Weder der Wertpapierhändler Andreas H., der gleich von Beginn der Hauptverhandlung an versuchte, sich als Kronzeuge zu positionieren, noch sein vergleichsweise farblos wirkender Kollege Frank L. Der US-Amerikaner Paul H. nicht, der sich zunächst hinter dem Regelwerk der Handelsplattform Eurex versteckte, um die Schuld schließlich allein der Steuerkanzlei Freshfields zuzuschieben. Und ebenso wenig der gesundheitlich angeschlagene Bankchef Wolfgang Schuck, der geständig ist und sich seiner Verantwortung stellt.

Strafmindernd auswirken dürfte sich, dass keiner der Angeklagten schweigt oder seine Beteiligung abstreitet. Angesichts des immensen Steuerschadens von rund 388 Mill. Euro ist eine Aussetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung jedoch im Grunde ausgeschlossen. Das steht zwar so nicht im Gesetz, doch entspricht dies geltender Rechtsprechung. Gröschel, dessen Kammer im Fall Maple noch ein weiteres, abgetrenntes Verfahren vor der Brust hat, nutzte den letzten Verhandlungstag vor der bis zum 4. April währenden Verhandlungspause daher für einen Appell: „Wir regen an, zu erwägen, das ein oder andere Gespräch mit der Generalstaatsanwaltschaft zu führen – wir glauben, dass wir so das Ver­fahren für alle etwas abkürzen könnten.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.