500 Jahre Bank- und Geldgeschichte
Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte. Dieter Lindenlaub, Carsten Burhop, Joachim Scholtyseck (Hrsg.). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2013. ISBN 978-3-515-10446-3, 581 Seiten, 46 Euro.Wo liegen die Wurzeln des heutigen Bankwesens? Inwieweit wirken sich politische und historische Zäsuren auf die moderne Bankenwelt aus? Warum haben die Deutschen Angst vor Inflation, aber nicht vor Deflation? Woher rührt ihre Scheu vor Aktien? Antworten auf solcherlei Fragen geben die Professoren Dieter Lindenlaub, Carsten Burhop und Joachim Scholtyseck in dem von ihnen herausgegebenen Sammelband “Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte”. Die darin zusammengetragenen Aufsätze reichen zeitlich von der Fugger’schen Anleihe von 1488 bis zur Finanzkrise 2007 bis 2009. Dabei ist das Startdatum keinesfalls willkürlich gewählt. Vielmehr gab es das Kreditwesen, so wie wir es heute kennen, vor 1488 nicht. Der Großkredit der Fugger an das Haus Habsburg war der erste dieser Art. Zum Lesen und NachschlagenUnter Schlüsselereignis verstehen die Herausgeber zweierlei: Die Aufsätze behandeln zum einen “herausragende Beispiele für allgemeine Entwicklungen”, wie die Gründung der Commerz- und Disconto-Bank im Jahre 1870. Zum anderen umfasst das Buch historische “Weichenstellungen für die mittel- bis langfristige Zukunft”, etwa das Preußische Sparkassenreglement von 1838.Die Aufsätze folgen einer chronologischen Gliederung, so dass sich der Rezipient durch die Epochen hindurchlesen kann. Gleichzeitig erlaubt die inhaltliche Schwerpunktsetzung der einzelnen Kapitel das gezielte Nachschlagen von zentralen historischen Ereignissen ebenso wie das bloße Stöbern. Das Buch, das sowohl für Laien als auch Fachleute konzipiert ist, soll keine bloße Aneinanderreihung von historischen Ereignissen darstellen, sondern vielmehr die längerfristigen Folgewirkungen zentraler Begebenheiten vermitteln .Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf dem 19. und 20. Jahrhundert, was der Tatsache geschuldet ist, dass sich erst mit der Industrialisierung ein Bankenwesen im modernen Sinne entwickelt hat. Inhaltliche Schwerpunkte sind etwa die Staatsfinanzierung, die Entwicklung der Geschäftsbanken und des Kreditsektors im Ganzen, die Finanzregulierung und die historische Entwicklung der Drei-Säulen-Struktur des deutschen Bankwesens (private Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken). Irreführender TitelDer Titel des Buches ist unter zwei Gesichtspunkten irreführend. Erstens wird nicht nur die Geschichte der Banken beleuchtet, sondern auch die des Geld- und Währungssystems. Zweitens beziehen sich die Aufsätze geografisch nicht nur auf Deutschland. Letzteres rührt daher, dass für einen Teil des Zeitraums, den das Buch behandelt, von einem Nationalstaat Deutschland nicht die Rede sein kann. Ferner war die Welt bereits im 18. und 19. Jahrhundert so stark globalisiert, dass das Geschäft der Banken nicht auf den deutschsprachigen Raum begrenzt war. Kein GeschichtsbewusstseinMit ihrem 34 Aufsätze umfassenden Buch möchten die Herausgeber an die traditionellen Werte des Bankwesens erinnern und damit proaktiv gegen das schlechte Image der Finanzinstitute in der Öffentlichkeit vorgehen. Den meisten Geldhäusern, so stellten die Herausgeber bei der Präsentation ihres Buches fest, mangele es an Bewusstsein für die eigene Geschichte, was sich unter anderem in fehlenden oder vernachlässigten Firmenarchiven äußere. Dabei sei es wichtig, sich die Fehler der Vergangenheit zu vergegenwärtigen, um eine Wiederholung im Hier und Jetzt zu vermeiden. Dem Mangel an Geschichtsbewusstsein begegne das Buch, indem es Praxis und Öffentlichkeit einen Einblick in die Wurzeln des heutigen Geld- und Bankwesens gebe. Gerade die Öffentlichkeit zeige ein großes Interesse an bankgeschichtlicher Aufklärung, nicht zuletzt aus dem Wunsch heraus, in Zeiten der Finanzkrise Orientierung zu finden. Da sich viele Finanzinstitute noch nicht mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt hätten, sei die Vielfalt an weiteren bankhistorischen Forschungsfeldern groß, erklärte Scholtyseck: “Da ist noch viel Musik drin.”liw