Abacus kann nicht fristgerecht liefern

Neue Meldesoftware verzögert sich - Kreditregister Anacredit erfordert "zusätzliche Lösung"

Abacus kann nicht fristgerecht liefern

Die Einführung der neuesten Version von Abacus360, der Meldesoftware der Bearing-Point-Tochter Abacus, wird sich vermutlich bis zum Jahresende verzögern. Das könnte Wettbewerbern wie AxiomSL, Moody’s oder Wolters Kluwer Auftrieb geben. Andererseits hat Bearing Point auch neue Kunden gewonnen.Von Bernd Neubacher, Frankfurt Die Bearing-Point-Tochter Abacus, Platzhirsch im deutschen Markt für Meldesoftware, wird ihre im Markt mit Spannung erwartete neue Version des Flaggschiff-Produkts Abacus360 nicht wie angekündigt im Juni zur Verfügung stellen. “Wir hatten im Herbst gesagt, dass wir in diesem Sommer ausliefern wollen. Das haben wir geändert”, sagt Jürgen Lux, globaler Leiter Solutions bei Bearing Point, der Börsen-Zeitung. Wann das geplante erste Release der Version 7 von Abacus360 komplett bereitstehen wird, steht noch nicht fest. Als sehr realistisch gilt bei Bearing Point nun eine Einführung vor Jahresende. Mitte April hatte das niederländische Beratungshaus auf Anfrage der Börsen-Zeitung mitgeteilt, das Release liege “im Plan”. Die Verzögerung geht auf Probleme bei Korrekturen von Meldungen zum Kreditregister Anacredit zurück. Komplexität unterschätztBei den Banken geht das Warten auf einen reibungslosen Übergang vom Vorgängerprodukt Abacus/ DaVinci auf Abacus360 somit vorerst weiter. Über die Hälfte der deutschen Banken setzt Abacus-Software ein, um das Meldewesen zu bewältigen. Zu den Nutzern zählen unter anderem die Commerzbank, die Deutsche Postbank, die DZ Bank, die DekaBank, diverse Landesbanken, die BerlinHyp, die Hamburger Sparkasse (Haspa), aber auch kleinere Institute wie die Bank für Sozialwirtschaft sowie Versicherer.Probleme bei der Einführung von Abacus360 sorgen seit vergangenem Sommer in der Branche für Unmut und haben zur Folge, dass Banken neben der neuen Software Abacus360 parallel, mit entsprechendem Zusatzaufwand, weiterhin die Vorgänger-Software in Betrieb halten. Während mancherorts im Markt gemutmaßt wird, Bearing Point habe sich mit der Entwicklung von Abacus360 übernommen, verweist Lux darauf, dass gerade das EU-weite Kreditregister Anacredit generell für eine neue Dimension an Komplexität im Meldewesen gesorgt habe. “Wir wissen inzwischen, dass die Komplexität, die Anacredit ausgelöst hat, europaweit unterschätzt worden ist, von den Aufsehern, von uns und auch von den Instituten selbst”, sagt er. Gleichwohl sei es “ja nicht so, dass unsere Kunden schlechte Meldungen abgeben. Bei der Aufsicht sind wir gut gelitten”, erklärt er.Bei Banken fällt die Resonanz gemischter aus. Drei Abacus-Nutzer, namentlich die Commerzbank, die DZ Bank sowie die LBBW, holten angesichts der zähen Umstellung im vergangenen Jahr von Bearing-Point-Konkurrenten sogenannte Proof-of-Concept-Angebote ein, ein weiterer Kunde ist dem Vernehmen nach seither dazugekommen. Wettbewerber wie AxiomSL, Moody’s oder Wolters Kluwer haben Habachtstellung angenommen, um dem Marktführer Kunden abzujagen. Neue Kunden für AbacusDessen ungeachtet hat Bearing Point in den zurückliegenden Monaten neue Mandate an Land gezogen, von angelsächsischen, im Zuge des Brexit ihre Deutschland-Aktivitäten ausbauenden Banken, zudem von einem großen Institut unter direkter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), wie zu hören ist.Bei Einführung von Abacus360, das Bearing Point als “maßgeschneiderte Optimierung von Reportingprozessen, Regulatory Analytics und Regulatory Management” bewarb, hatte sich im vergangenen Jahr vor allem die parallele Verarbeitung großer Datenmengen als Problem entpuppt, woraufhin die Gesellschaft eine neue Kalkulationsmaschine entwickelte. Hinter der neuerlichen Verzögerung stehen nun die Meldungen zum Kreditregister Anacredit und, wie Bearing Point Kunden mitgeteilt hat, “Feedback, das wir aus Kundengesprächen nach der Veröffentlichung der letzten Roadmap im April mitgenommen haben”. Kunden hätten “dringenden Bedarf nach einer Lösung für rückwirkende Korrekturen” im Kreditregister Anacredit gemeldet, hieß es.”Die neue Kalkulationsmaschine hält sehr wohl, was wir mit Blick auf die Zuverlässigkeit und die Lösung von Problemen versprochen haben”, resümiert Lux. “Was die Datenkorrektur angeht, entwickeln wir derzeit eine zusätzliche Lösung, die diese Lücke schließt. Deswegen sind wir noch nicht im Juni rausgekommen.”Mit Anacredit hat sich die Zahl und die Struktur der von Banken zu meldenden Daten verändert. Vereinfacht gesprochen geht es nicht mehr darum, einzelne Berichte isoliert voneinander abzuliefern, sondern vielmehr Millionen von Datenpunkten, welche als Basis für diverse Berichte dienen können. Das hat Folgen für etwaige Korrekturen. Genügte dazu früher ein einzelner Eintrag, sind heute dafür zugleich Dutzende weitere Änderungen an Stellen in anderen Systemen nötig, die mit diesem einen Punkt verbunden sind. Die Software entsprechend zu gestalten, scheint nicht einfach zu sein.Bearing Point hat Lux zufolge nochmals investiert und beschäftigt inzwischen nicht mehr ein, sondern zwei jeweils 15- bis 20-köpfige Entwickler-Teams: Ein Team betreut die bisherige Version, das zweite beschäftigt sich mit der neuen. Verschiebung “ein Fakt”Zwar hat Bearing Point eigenen Angaben zufolge schon Mitte Mai damit begonnen, die Version 7 auszuliefern, allerdings nur “in kleineren Paketen und an kleinere Kundengruppen und somit schrittweise”, wie es heißt. Bis eine meldefähige Software der Version 7 bereitsteht, wird es noch dauern. Bei Beobachtern sorgt dies nicht für Euphorie, sondern eher für Skepsis: “Die Auslieferung in kleineren Paketen an ausgewählte Nutzer ist hilfreich, um wertvolles Feedback zu erhalten und Lösungen im kleinen Kreis zu erarbeiten”, sagt etwa Bernd Kupke, Senior Manager bei Deloitte. “Die Verschiebung der in 2018 versprochenen Produktionsfähigkeit um rund fünf Monate auf Dezember 2019 ist damit aber ein Fakt. Wie die Kunden diese erneute Verzögerung aufnehmen und ob alle Funktionalitäten wie angekündigt zur Verfügung stehen, bleibt abzuwarten.”