Airplus fehlen "mehr als zwei Drittel der Erlöse je Karte"
Die von der EU geplante Absenkung des Interbankenentgelts – einer Gebühr, die der Verkäufer bei jeder Kartenzahlung an das kartenherausgebende Unternehmen zur Deckung seiner Kosten zahlt – entlastet zwar die Händler. Die Kartenherausgeber stellt dies jedoch vor weitreichende Herausforderungen, wie Patrick W. Diemer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Airplus, im Interview erklärt.- Herr Diemer, bremst die von der EU verordnete Reduzierung der Interchange auf 0,3 % bei Kreditkarten das Wachstum von Airplus?Ja. Es gibt heute drei Typen von Kreditkarten in Europa, die bei Geschäftsreisen eingesetzt werden. Bei Typ 1, der Karte mit Corporate Pay & Corporate Liability, erfolgt die Buchung vom Firmenkonto und die Firma trägt die Haftung. Bei Typ 2, Individual Pay & Corporate Liability, erfolgt die Buchung vom Mitarbeiterkonto und die Firma trägt die Haftung. Bei Typ 3, der privaten Reisekarte (Travel Expense Card), erfolgt die Buchung vom Mitarbeiterkonto und der Mitarbeiter trägt die Haftung. Bei Airplus ist es so: Auf Typ 1 entfallen 10 % unserer Karten, auf Typ 2 sind es 15 % und auf Typ 3 75 % unserer in Deutschland ausgegebenen Karten. In anderen Ländern bei anderen Emittenten sind die Verhältnisse fast gleich. Typ 3 ist in Kontinentaleuropa Standard.- Was ändert sich?Künftig ist es so, dass die Geschäftsmodelle hinter diesen drei Kartentypen unterschiedlich sein müssen. Typ 1 und 2 sind Commercial Cards, die von der Interchangeänderung ausgenommen sind. Der Gesetzgeber hat aber entschieden, dass sich Typ 3 nicht als Commercial Card qualifiziert, das heißt, die Interchange-Reduktion trifft hier voll zu.- Ab wann gilt die Änderung der Interchange?Die Änderung der Interchange ist eine Verordnung, die sofort mit Wirksamkeit 9. Dezember und ohne nationale Umsetzungsgesetze gilt.- Welche Auswirkungen hat dies bei Airplus?Die durchschnittliche Karte, über alle drei Typen, hat bei uns einen Jahresumsatz von 2 700 Euro. Davon entfallen 9 % auf den Geldautomaten, 16 % erfolgen außerhalb der EU und 75 % innerhalb der EU. Das bedeutet: Für die ersten beiden Kartentypen ändert sich nichts, ebenso für Transaktionen am Geldausgabeautomat. Doch beim Typ 3 werden in Europa unsere Einnahmen von 1,64 % – das ist heute unsere Interchange, die wir auf das abgerechnete Transaktionsvolumen erhalten – auf 0,3 % fallen. Wenn wir diese private Reisekarte innerhalb Europas zu einer Consumer Card machen müssen, wozu wir verpflichtet sind, dann gilt das auch außerhalb Europas. Beim Einsatz der Consumer Card außerhalb der EU liegt die Interchange bisher bei 1,99 %, diese fällt auf 1,54 %. Bisher haben wir durchschnittlich im Jahr eine Transaktionsgebühr einschließlich Interchange von 41,80 Euro erhalten, künftig sind es nur noch 12,60 Euro. Uns fehlen also 29,40 Euro und somit mehr als zwei Drittel der Erlöse je Karte.- Wie reagieren Sie darauf?Wir führen eine bisher nicht existente Transaktionsgebühr für alle Euro-Transaktionen ein, die je nach Zahlungsziel zwischen 1,09 und 1,19 % liegt. Außerhalb der EU erhöhen wir unser Auslandseinsatzentgelt auf die Nicht-Euro-Transaktionen von heute 1,5 % auf 1,95 %. Das ist der Marktstandard, da waren wir bisher günstiger. Dadurch erhalten wir durchschnittlich 27,32 Euro je Karte. Die Differenz von 2 Euro zu den uns durch die Kürzung der Interchange fehlenden 29,40 Euro legen wir drauf.- Warum verzichten Sie auf die 2 Euro?Aus psychologischen Gründen richtet sich das nach den Prozentsätzen: 1,19 % sieht besser aus als 1,21 %.- Die neuen Gebühren übernehmen die Firmenkunden?Wenn der Regulierer Kartentransaktionen für den Händler billiger macht, macht er sie für den Karteninhaber teurer.- Kann man die Interchange-Änderung nicht mit einer höheren Jahresgebühr der Karte auffangen?Doch, das wollen wir aber nicht.- Warum nicht?Es gibt zwei Gründe: einen kommerziellen und einen kundenorientierten Grund. Wir wollen nicht, dass über diese Jahresgebühr der Kunde einen Anreiz erhält, Arbitrage zu betreiben, also Volumen von Karten, die heute die Transaktionsgebühr haben, auf Karten mit einer fixen Jahresgebühr zu übertragen. Das neue Preismodell kann ich dagegen unseren Firmenkunden gut erklären, denn es ersetzt die Erlöse, die wir verlieren. Es ist verursachergerechter.- Die Grundidee der EU war aber doch, dass nicht der Kunde zahlt, sondern der Händler die Ersparnis infolge einer niedrigeren Interchange an den Kunden weitergibt?Das ist die Theorie des Gesetzgebers. Ob es tatsächlich dazu kommt, dass Preise fallen, weil die Kreditkartentransaktion günstiger wird, wird man sehen. Die Kunden sparen nur dann, wenn die Vertragsunternehmen die Preise um die Interchangedifferenz, also um 1,34 % reduzieren. Dann kommt das tatsächlich auch beim Kunden an. Ansonsten ist es so, dass der Händler das einsteckt und der Kunde davon gar nichts hat. Das ist, was der Kunde befürchtet. Niemand kann nachweisen, wie der Hotelpreis zustande kommt. Einer von Hunderten Faktoren ist die Höhe des Kreditkartendisagios. Der Hotelpreis hat etwas damit zu tun, ob gerade Messe ist. Das ist viel ausschlaggebender für Hotels, als ob das Disagio gerade gesunken ist.- Was sagen Ihre Firmenkunden zu Ihrem neuen Preismodell?Wir sind da sehr transparent und haben unseren Kunden unsere Kalkulation vorgestellt. Aus der Resonanz unserer Kunden ist ersichtlich, dass Kunden den Kartentyp 3 beibehalten wollen. Die Kunden wollen keine Veränderungen in den administrativen Abläufen, auch keine Neuverhandlungen mit den Betriebsräten, denn viele dieser Corporate Cards bzw. Reisekarten sind Gegenstand von Vertriebsvereinbarungen. Der Kunde kann seine Karte behalten, es läuft alles wie bisher, nur die Karte wird für ihn teurer. Es gibt einen weiteren Vorteil: Eine Consumer Card (Typ 3) darf künftig nicht mehr mit einer Surcharge belegt werden.- Was bedeutet das genau?Der Gesetzgeber hat beschlossen, dass regulierte Karten wie Consumer Cards ab 2017 nicht mit einer Surcharge versehen werden dürfen. Es darf also kein Vertragsunternehmen eine separate Gebühr erheben für die Nutzung dieser Karte. Das ist künftig illegal. Künftig entfällt auch die “Honour our Card Rule” für alle Karten außer Consumer Cards, das heißt, ein Händler muss nicht mehr alle anderen, für ihn teureren Kartentypen wie Corporate Cards akzeptieren.—-Das Interview führte Karin Böhmert.