NEUE BANKER BRAUCHT DIE BRANCHE

Akademiker auf dem Vormarsch

Komplexere Tätigkeiten bedürfen höherer Qualifikation - Klassische Bankausbildung verliert an Bedeutung

Akademiker auf dem Vormarsch

Die Veränderungen in der Finanzbranche erfordern oft höhere Qualifikationen, als sie noch mit einer klassischen Bankausbildung zu leisten sind. Das macht sich in einer Akademisierung der Branche bemerkbar.Von Tobias Fischer, FrankfurtDie digitalisierungs- und wettbewerbsbedingten Umwälzungen im Finanzwesen verändern das Berufsbild des Bankers. Neue Tätigkeiten und höhere Anforderungen verlangen den Beschäftigten komplexe Kenntnisse ab, denen die klassische Bankausbildung nicht mehr gerecht wird. Folge ist eine Akademisierung der Finanzbranche, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) befindet.”Parallel zur Entwicklung in der Gesamtwirtschaft gewinnen Akademiker in der Finanzbranche stark an Bedeutung”, weiß Carola Burkert, Autorin einer IAB-Analyse über Strukturwandel und Beschäftigungsentwicklung im Finanzwesen. So zeige sich eine deutliche Tendenz zur Höherqualifizierung der Tätigkeiten und Berufe, insbesondere für IT-Fachkräfte, Finanzanalysten und Anlageberater. Dieser Trend ist allerdings nicht stringent für alle Berufe zu beobachten und die Entwicklung regional unterschiedlich.Der steigende Anteil von Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss ist verbunden mit einer sinkenden Anzahl an Beschäftigten in der Finanzbranche mit einer Berufsbildung. Die wird vor allem deutlich am “klassischen Rückgrat der Branche”, dem Berufsabschluss “Bankkaufmann/-frau”. Während die Anzahl aller Auszubildenden in der Gesamtwirtschaft kaum sinkt, entwickelt sich die Anzahl der Bank-Auszubildenden abwärts. Bundesweit 653 000 Menschen arbeiteten Mitte des vergangenen Jahres in der Finanzbranche, zu der das IAB Banken, Fondsgesellschaften und Finanzdienstleister, darunter auch Fintechs, zählt, aber keine Versicherer. Jeder Zehnte ist in der Stadt Frankfurt tätig (siehe unten stehenden Bericht). Der Anteil der Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss hat zwischen 2013 und 2018 zugenommen, bundesweit um fast fünf Prozentpunkte auf 22 %, in Hessen und in Frankfurt um knapp acht Prozentpunkte auf 36 bzw. 45 % (siehe Grafik). Damit einher geht ein schrumpfender Anteil der Beschäftigten mit anerkanntem Berufsabschluss: von 73 auf 70 % in der bundesweiten Betrachtung, von 57 auf 52 % in Hessen und von 43 auf 39 % in Frankfurt. Gerade spezialisierte Beratungen werden zunehmend von Mitarbeitern mit höheren Qualifikationen geleistet, das heißt Hochschulabsolventen oder Absolventen der Berufsakademien mit Fachrichtung Bank, anstatt von Bankkaufleuten mit dualer Berufsausbildung. Gegenläufige Entwicklungen”Das Tätigkeitsfeld von Bankkaufleuten hat sich stark gewandelt”, sagt Burkert. “Einerseits bringt der Strukturwandel, bedingt etwa durch sinkende Zinsspannen und höhere Kosten durch digitalisierungsbedingte Investitionen, den Abbau von Filialen und die Entlassung von Mitarbeitern, die nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen, mit sich. Gleichzeitig aber müssen Banken in Personal investieren, das die Veränderungen trägt – in der IT etwa oder im komplexeren Beratungsgeschäft.”Der Bedarf an Fachkräften ist in Frankfurt besonders groß. Hier ticken die Uhren aber gewöhnlich anders als im Rest der Republik. Geht die Zahl der Bankbeschäftigten deutschlandweit schon seit Jahren zurück, so wächst sie in Frankfurt leicht. Experten führen das darauf zurück, dass die Herausforderungen der Digitalisierung und Regulierung den Zentralen einen Zuwachs an Mitarbeitern bescheren, der den Stellenabbau andernorts, im Back Office etwa, in den Filialen und generell im Zusammenhang mit einfacheren Tätigkeiten, die automatisiert werden können, überkompensiert. Einerseits Konsolidierung, andererseits höhere Digitalisierungs- und Regulierungsanforderungen: “Dies betrifft das deutsche Finanzzentrum mit seinen Konzernzentralen und in seiner Rolle als Hauptstadt des europäischen Aufsichtswesens mehr als andere Standorte”, so die Helaba.Deren Retailtochter Frankfurter Sparkasse sucht händeringend Fachkräfte und geht dabei ungewöhnliche Wege. Mit einem selbst gedrehten Reklamefilm beispielsweise, in dem die eigenen Mitarbeiter mitspielen, um durchaus selbstironisch potenziellen Bewerbern ihren Arbeitgeber schmackhaft zu machen. Den Clip gibt’s in zwei Varianten, auf Hessisch und auf Hochdeutsch. Dass es so schwer ist, Fachkräfte zu finden, begründet eine Sprecherin mit dem demografischen Wandel und dem harten Wettbewerb in Frankfurt. Etwa 30 Stellen seien derzeit unbesetzt, gerade im Vertrieb, zudem herrsche Bedarf an Beschäftigten für compliancerelevante Funktionen. Zugleich fielen im Back Office bis zu 50 Stellen weg. Ungeachtet aller Umbrüche, Einsparungen, Automatisierung und Digitalisierung werde es den Beruf des Bankkaufmanns immer geben, meint Burkert. Allerdings mit deutlich verändertem Berufsbild. Dafür biete die Novelle der Ausbildungsverordnung, die erstmals seit gut 20 Jahren überarbeitet werde, die Grundlage.