Aktuare wollen Garantien kappen
Das verschärfte Zinstief macht Garantien in der Lebensversicherung teuer und unattraktiv. Die einflussreiche Deutsche Aktuarvereinigung fordert eine deutliche Senkung des Höchstrechnungszinses von heute 0,9 auf 0,25 % für Anfang 2022. Bei der Riester-Rente sei die volle Beitragsgarantie nicht mehr sinnvoll.ak Köln – Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat die Politik zu deutlichen Änderungen in den Rahmenbedingungen für die Lebensversicherer aufgefordert. In mehreren Produktgruppen plädieren sie dafür, das gesetzlich festgelegte Garantieniveau zu senken.Der Höchstrechnungszins für neue Verträge soll 2022 von heute 0,9 % auf 0,25 % reduziert werden. Grund für den empfohlenen deutlichen Schritt ist das in diesem Jahr erneut gesunkene Zinsniveau. Bereits vor einem Jahr hatten sich die Versicherungsmathematiker für einen Rückgang des Satzes auf 0,5 % für Anfang 2021 ausgesprochen. Doch das Finanzministerium, das in der Regel der Empfehlung der DAV folgt, war im Zuge der Corona-Pandemie untätig geblieben und hatte keine Entscheidung getroffen. Damit blieb der Höchstrechnungszins bei 0,9 %.In der Branche verliert der Wert, den die Lebensversicherer bei der Berechnung ihrer Deckungsrückstellung höchstens verwenden dürfen, an Bedeutung. Denn während viele Unternehmen in der Vergangenheit Garantien in Höhe des Höchstrechnungszinses im Neugeschäft aussprachen, ist die Branche davon in weiten Teilen abgerückt. Denn Garantien sind im gegenwärtigen Zinsumfeld teuer, da sie mit viel Eigenmitteln unterlegt werden müssen. Außerdem schmälert es die Flexibilität in der Kapitalanlage.So hat die Allianz als Marktführerin vor wenigen Wochen verkündet, in ihren wichtigsten Produktgruppen nicht mal mehr den Beitragserhalt zu garantieren. Die Debeka teilte auf Anfrage mit, dass der Höchstrechnungszins auch bei ihre keine Rolle mehr spiele und bei keinem Produkt im Neugeschäft ein Garantiezins in dieser Höhe gegeben werde. Die DAV plädiert dafür, zusammen mit der Absenkung des Höchstrechnungszinses auch den vollständigen Beitragserhalt bei der Riester-Rente abzuschaffen und die Garantie zu senken. Außerdem soll die Beitragszusage mit Mindestleistung in der betrieblichen Altersversorgung reformiert und auch hier die Versprechen gekürzt werden. “Denn Produkte mit einer 100-Prozent-Beitragsgarantie sind in der heutigen Negativzinswelt aktuariell nicht mehr sinnvoll”, begründet der DAV-Vorstandsvorsitzende Guido Bader die Forderungen. “Sie verengen die Spielräume für eine Kapitalanlage im Sinne der Versicherten.”Die Aktuare mahnen die Politik auch, die Änderungen nicht zu lange hinauszuzögern. Angesichts der Komplexität des notwendigen Reformprojekts sollten die politischen Entscheidungsträger unbedingt im Laufe des ersten Quartals 2021 Beschlüsse fassen, damit die neuen Regeln dann zum Jahreswechsel 2021/2022 umgesetzt werden könnten. “Denn diese tiefgreifenden Veränderungen erfordern eine Neukalkulation der gesamten Produktpalette. In der Vergangenheit haben die Unternehmen allein für die Umstellung des Höchstrechnungszinses je nach Größe und Produktbreite 1 000 bis 5 000 Personentage investieren müssen”, erläutert Bader die notwendige Vorlaufzeit.Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies hatte vor wenigen Tagen Gesprächsbereitschaft signalisiert, was die Garantiehöhe angeht. Er will das mit einer umfangreicheren Reform verbinden, um das Zulagensystem zu vereinfachen und die Kosten zu senken. In Teilen der SPD gibt es jedoch Bedenken, Garantien aufzulockern.Laut Bundesarbeitsministerium gab es zur Jahresmitte rund 16,4 Millionen Riester-Verträge in Deutschland. Die Zahl stagniert seit Jahren. Etwa zwei Drittel der Verträge haben die Kunden bei Versicherern abgeschlossen. Rund 20 % entfallen auf Fondspolicen, der Rest auf Banksparverträge und Wohn-Riester.