Akzeptanz zurückgewinnen
Seit 2010 treibt Deutschland die Energiewende voran. Laut Klimaschutzprogramm der Bundesregierung soll der Anteil der erneuerbaren Energien (EE) an der Stromerzeugung bis 2030 auf 65 % steigen. Eine große Mehrheit der Gesellschaft – laut aktuellem Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer 83 % – befürwortet den Ausbau der Erneuerbaren. Und dennoch laufen wir Gefahr, unsere Ziele zu verfehlen. Obwohl Investoren und Verbraucher ungebrochen großes Interesse an der Realisierung neuer Projekte zeigen, geht der Ausbau hierzulande nur schleppend voran.Neben knappen Flächen und regulatorischen Restriktionen sind es vor allem kommunale oder bürgerliche Widerstände, an denen viele Projekte scheitern. Jeder zweite Bürger empfindet die Umsetzung der Energiewende als elitär, zu wenig bürgernah und fühlt sich von Politikern übergangen oder nicht genügend informiert. Es gibt dementsprechend viele Klagen und Projektverzögerungen. Ohne große WiderständeIn anderen Teilen der Welt hingegen werden EE-Projekte in verhältnismäßig kurzer Zeit und ohne große Widerstände realisiert – auch in größeren Maßstäben. Der Projektentwickler BayWa r.e., in dem die BayWa AG ihr erneuerbares Energiegeschäft gebündelt hat, realisiert jährlich erfolgreich viele Großprojekte im Solar- und Windbereich, mit dem nachträglichen Anlagenverkauf an institutionelle Anleger. In Deutschland scheitern solche Projekte oft schon in der Planungsphase. Dabei liegt auf der Hand, dass sich die Energiewende nur mit ertragreichen, großflächigen Anlagen mit einer Leistung von 30 MW und größer realisieren lässt, da die Skaleneffekte bei größeren Anlagen eine wesentliche Kostendegression erlauben.Zudem wird in vielen anderen Ländern die Frage nach der Flächenkonkurrenz weitaus weniger kontrovers diskutiert als im dicht besiedelten Deutschland. Hierzulande werden oft kleinteilige Projekte bevorzugt. Dies verlangsamt die erfolgreiche Umsetzung unserer Ziele. Was ist also nötig, um eine möglichst hohe Akzeptanz für EE-Projekte vor Ort zu erreichen? Neben einer unverzichtbaren frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung gibt es weitere akzeptanzsteigernde Maßnahmen, insbesondere in Form finanzieller Beteiligungsmodelle. Im April dieses Jahres hat das Bundeswirtschaftsministerium dazu mit dem Eckpunktepapier zur finanziellen Beteiligung von Kommunen und Bürgern am Betrieb von Windenergieanlagen eine mögliche Richtung vorgegeben.Der Weg, neben institutionellen Anlegern auch Kommunen Compliance-konform durch jährlich anteilige Ausschüttungen mehr Teilhabe zu ermöglichen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber: Wenn individuelle Lösungen für örtlich unterschiedliche Gegebenheiten durch ein zu enges Korsett an staatlichen Vorgaben verhindert werden, werden die gut gemeinten Pläne des Bundes wahrscheinlich als Papiertiger enden. Der Gesetzgeber sollte daher der Branche die Möglichkeit geben, neben lokalen Stromtarifen auch anderweitige Formen der regionalen Förderung bereitzustellen – zum Beispiel für eine E-Lade-Infrastruktur. Gibt der Gesetzgeber hingegen nur eine sehr begrenzte Anzahl an Wertschöpfungsmöglichkeiten vor, läuft er Gefahr, dass sich diese nicht am konkreten Bedarf der Kommunen orientieren und so die Ziele der Akzeptanzschaffung verfehlen. Crowdfinance-ModelleDie finanzielle Teilhabe am EE-Ausbau sollte aber auch den einzelnen Bürgern möglich sein. Projekt-entwickler setzen zunehmend auf Crowdfinance-Modelle. Die Bürger haben so die Möglichkeit, sich schon mit geringen Geldbeträgen zu beteiligen. Der Vorteil: Die jährlich festverzinste Rendite sorgt für eine sichere Investition. In Hecklingen/Sachsen-Anhalt hat die BayWa r.e. mit dem Online-Marktplatz enyway ein solches Crowdfinance-Modell bereits erfolgreich umgesetzt. Kern des Angebots war die gemeinsame Realisierung großer Solarparks mit Hilfe einer Finanzierung durch Privatpersonen, die den erzeugten Strom wiederum selbst zu Hause verbrauchen. Binnen sechs Monaten wurde die Fundingschwelle für das Projekt erreicht.Auch mit Blick auf die von Kritikern befürchtete Flächenkonkurrenz gibt es Lösungen der lokalen Akzeptanzförderung. Floating-Photovoltaik (PV) ermöglicht die intelligente Doppelnutzung nicht für die Freizeitgestaltung geeigneter Wasserflächen mittels schwimmender Solarparks. Floating-PV erschließt somit neue Flächen im dicht besiedelten Deutschland – ohne dabei mit Tourismus, Naherholung, Naturschutz oder Wasserwirtschaft zu konkurrieren.Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme beziffert das technisch nutzbare Potenzial für Floating-PV auf deutschen Tagebauseen auf 56 Gigawatt Spitzenleistung. Das unmittelbar wirtschaftlich nutzbare Potenzial ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen zwar erheblich geringer, jedoch eignen sich auch andere künstliche Gewässertypen wie Kiesgruben und Staubecken, die in der Studie nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt ist somit von einem sehr großen Potenzial für Floating-PV auszugehen. Gepaart mit zusätzlichen Beteiligungsmodellen speziell für die Umsetzung könnte das System auch finanzielle Anreize für Anrainerkommunen bieten. Win-win-Situation für alleAufgrund der derzeitigen Genehmigungspraxis lassen wir dieses Potenzial jedoch bisher ungenutzt – anders als zum Beispiel unsere niederländischen Nachbarn. Dort hat die BayWa r.e. bereits mehrere Projekte dieser Art umgesetzt, inklusive des derzeit größten schwimmenden Solarparks Europas in Zwolle mit 27,4 Megawatt Spitzenleistung, verteilt auf 73 000 PV-Module.Floating-PV könnte in Deutschland eine Win-win-Situation für alle Beteiligten darstellen. Erstens: Institutionelle Anleger profitieren von einer zügigen Fertigstellung großer EE-Projekte, gepaart mit sicheren und potenziell höheren Erträgen. Zweitens: Die Bürger fühlen sich mit ihren Wünschen und Kritikpunkten ernst genommen. Und drittens könnte Deutschland seine Vorreiterrolle in der Energiewende, die es in den vergangenen Jahren eingebüßt hat, erfolgreich zurückgewinnen. Klaus Josef, Lutz Vorstandsvorsitzender der BayWa AG