PERSONEN

Albrecht Schmidt 75

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 12.3.2013 Kann man jungen Menschen heute noch raten, Banker zu werden? Albrecht Schmidt zögert. Sie müssten dann schon sehr jung sein, um wenigstens langfristig die Chance zu haben, mit ihrer Branche,...

Albrecht Schmidt 75

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtKann man jungen Menschen heute noch raten, Banker zu werden? Albrecht Schmidt zögert. Sie müssten dann schon sehr jung sein, um wenigstens langfristig die Chance zu haben, mit ihrer Branche, die gerade noch vor Prostituierten und somalischen Piraten auf dem drittletzten Platz der Ansehensskala liege, wieder eine erfreulichere Phase zu erleben. Vor allem auch eine Phase ohne die derzeitige Überregulierung, die sich seine Zunft freilich selbst zuzuschreiben habe.Kritik an einzelnen Häusern kommt dem früheren Vorstandssprecher der Bayerischen Vereinsbank, in die der promovierte Jurist 1967 eingetreten war, und später der fusionierten HypoVereinsbank (HVB) nicht über die Lippen. Aber dass er sich im Allgemeinen gelegentlich über die Fehler der Banken ärgert, daraus macht er kein Hehl. Seine Frau nennt ihn dann scherzhaft einen “grumpy old man”, einen “grantigen alten Mann”. Doch Schmidt denkt schon etwas wehmütig an Zeiten zurück, in denen sich die Banken zumindest noch untereinander vertrauten und Loyalität wichtiger war als kurzfristige persönliche Nutzenmaximierung. Bankgeschichte geschriebenDie veränderte Einstellung kommt zuweilen in vermeintlichen Nebensächlichkeiten zum Ausdruck. Etwa in der Tatsache, dass viele Vorstände heute nicht mehr am Sitz ihrer Bank wohnen. Als Schmidt 1973 in den Vorstand der Nürnberger Hypothekenbank berufen wurde, war es selbstverständlich, dass er und seine Frau sich sofort eine Bleibe in Nürnberg suchten. Auch die Verweildauer von Managern oder von Bankern generell bei einem Arbeitgeber habe im Vergleich zu früher deutlich abgenommen – Schmidt selbst diente annähernd vier Jahrzehnte immer nur seiner Bank und blieb ihr übrigens auch danach eng verbunden; bis heute ist er regelmäßig in seinem Büro in der Bank anzutreffen.Mit der Entwicklung des Instituts, für das er bei Bedarf nach wie vor Kundenkontakte pflegt, ist er zufrieden, er hält es für gut geführt. Ob er seinen Frieden mit Unicredit gemacht hat, wird nicht ganz klar, zumindest scheint ihn das Thema nicht mehr übermäßig umzutreiben. Und wenn doch, lässt er es zumindest nicht erkennen. Bei der Übernahme der HVB durch die Italiener 2005 hatte sich Schmidt – seit Anfang 2003 Aufsichtsratsvorsitzender – offen gegen Entscheidungen seines Nachfolgers Dieter Rampl gestellt, das Projekt im Kontrollgremium (das er dann letztlich verließ) abgelehnt und seine Aktien demonstrativ nicht zum Tausch angedient. Er hielt es für einen Zynismus, dass die HVB just in einem Moment – und nach seiner Überzeugung eindeutig unter Wert – übernommen wurde, als sie sich nach einer schwierigen Zeit gerade wieder berappelt hatte.Seine eigenen Kapitel der Bankgeschichte hatte Schmidt als Vorstandssprecher der Vereinsbank (seit 1990) schon vorher geschrieben. “Kleinigkeiten” wie die Kooperation mit der Victoria Versicherung, der Erwerb der Hamburger Vereins- und Westbank, die Gründung der Victoria Bausparkasse oder die Übernahmen des Bankhauses Schoeller in Wien und der schweizerischen Bank von Ernst sowie der Noris Verbraucherbank seien nur am Rande erwähnt. Der eigentliche Coup kam 1998: die Fusion der Vereinsbank mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank. Mit dem bis dahin einzigen Merger unter den hiesigen Großbanken kam der “Bayernverein” der schon eingefädelten Übernahme durch die Deutsche Bank zuvor.Doch dem strategischen Höhenflug folgte schnell ein tiefer Absturz. Die damals zweitgrößte deutsche Bank wurde zum 3,5 Mrd. DM schweren Sanierungsfall, nachdem im Portfolio der alten Bayernhypo plötzlich ungeahnte Risiken aus Grundstücks- und Projektentwicklungen auftauchten.”Am Anfang wärmende Sonne, dann raues Wetter und am Schluss ganz normales mitteleuropäisches Mischmasch”, beschrieb Schmidt einmal rückblickend im Interview der Börsen-Zeitung seine Lust- und Frustkurve in jener Zeit. Er war damals schwer enttäuscht, “dass wir etwas nicht erfahren haben, was wir besser hätten vorher erfahren sollen”. Allerdings schweiße eine solche Erfahrung auch zusammen. Die HVB war jedenfalls schon im Jahr 2000 wieder zum nächsten großen Wurf bereit: dem Zusammengehen mit der Bank Austria Creditanstalt als der ersten wirklich bedeutenden grenzüberschreitenden Bankenfusion in Europa. Nimmermüdes EngagementSchmidt hält sich weiter mit sichtbarem Erfolg fit: durch Skifahren, Schwimmen und Bergwandern. Der Zahn der Zeit scheint ihn zu verschonen. Die großen Kontrollmandate bei Dax-Konzernen (Allianz, Munich Re, Siemens) hat er natürlich im Lauf der Jahre abgegeben, aber der Müßiggang ist nach wie vor seine Sache nicht. Schmidt gehört dem Beirat von J.P. Morgan in Europa an, er hat den Aufsichtsratsvorsitz bei einem sehr erfolgreichen Mittelständler inne und wirkt mit nimmermüdem Engagement, nicht nachlassendem Gestaltungswillen und nicht zuletzt mit ungestilltem Wissensdurst vielfach in Kuratorien und anderen Gremien kultureller und wissenschaftlicher Einrichtungen mit. Weiterhin ist Schmidt viel unterwegs, zum Beispiel reist er jährlich nach China, um Freunde zu besuchen. Am morgigen Mittwoch vollendet er sein 75. Lebensjahr.