Regulierungskampagne

Alipay und der kalte Zerschlagungs-Kaffee

Chinas Fintech-Riese Ant muss das Ecosystem rund um die Zahlungs-App Alipay neu ordnen. Die App fällt wohl der aktuellen Regulierungskampagne der Regierung in Peking zum Opfer.

Alipay und der kalte Zerschlagungs-Kaffee

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Chinas furchterregende Regulierungskampagne in der Digitalwirtschaft gibt den Anlegern fast täglich neue Rätsel auf, welchen der führenden Tech-Konzerne es im laufenden Verordnungshagel besonders hart trifft. In den letzten zwei Monaten ist es zu so heftigen Verwerfungen bei chinesischen Tech-Aktien gekommen, dass man den noch nicht börsennotierten Fintechriesen Ant ein wenig aus den Augen verloren hat. Allerdings gilt die spektakuläre Absage des geplanten Mega-Börsengangs von Ant durch Chinas Regulatoren Anfang November 2020 quasi als Auftakt des Pekinger Feldzugs gegen mächtige Tech-Konzerne.

Am Montag zeigte sich die Tech-Szene insbesondere von einem Bericht der „Financial Times“ aufgewühlt, dem zufolge die Alipay genannte Super-App des Fintech-Riesen Ant Group „zerschlagen“ wird. Das soll heißen, dass sich Ant einerseits gezwungen sieht, ihr gewaltiges Kreditgeschäft mit unbesicherten Konsumdarlehen (Jiebei) und einer Art virtuellen Kreditkartenfunktion (Huabei) als separate Apps zu führen. Zudem soll es darum gehen, dass die ebenfalls dem Online-Zahlungssystem Alipay angegliederten Bonitätsprüfungsmechanismen (Credit Scoring) auf Big-Data-Basis nicht mehr nur dem eigenen Hause zur Verfügung gestellt werden, sondern in ein Joint Venture eingebracht werden, an dem Ant nur eine Minderheitsbeteiligung halten wird. Der neue Credit-Scoring-Dienstleister soll dann auch von einem breiten Ausschnitt der herkömmlichen Kreditwirtschaft genutzt werden können.

Die „News“ von der Alipay-Zerschlagung wird an den Märkten nun als Ausdruck einer neuerlichen und wesentlichen Verschärfung der laufenden Tech-Kampagne angesehen, wobei insbesondere die Alibaba-Aktie Federn lassen musste. Chinas führender E-Commerce-Betreiber Alibaba hält nämlich eine Drittelbeteiligung an der Ant Group. Beide sind vom Tech-Entrepreneur Jack Ma parallel hochgezogen worden.

Tatsächlich gibt es keinen Grund für neuerlichen Grusel an den Märkten, weil die nun kolportierte Offensive gegen Alipay keineswegs eine Neuigkeit ist, sondern nur eine mediale Aufbereitung dessen, was nach Verhandlungen zwischen Chinas Finanzregulatoren und der Ant Group als sogenannter „Rektifizierungsplan“ im April beschlossen und kommuniziert wurde. Kalter Kaffee also. Allerdings hatte sich die Öffentlichkeit damals vor allem darauf kapriziert, dass Ant in die Struktur einer Finanzholding umgewandelt wird, um tradierten Eigenkapitalvorgaben und Risikokontrollbestimmungen für Finanzinstitute unterworfen zu werden.

Ant Group verkündete in einem Statement am 12. April, dass man mit den Regulatoren über einen Rektifizierungsplan übereingekommen sei, und nannte dessen Umrisse. So hieß es damals, dass es zur Gründung einer Finanzholding kommen wird, um alle finanzregulierungsrelevanten Geschäftsbereiche unter ein entsprechendes Dach zu bringen. Es wurde aber auch gesagt, dass die für Ants Turbokreditgeschäft verantwortlichen Einheiten Jiebei und Huabei in eine von Alipay getrennte Konsumkreditfirma eingebracht und mit neuen Lizenzen versehen werden.

Gleichzeitig betonte Ant Group, dass das Alipay auf seine „Wurzeln“ zurückgebracht werde, um als Zahlungssystem für E-Commerce-Transaktionen und im Einzelhandel zu dienen. Und schließlich verkündete Ant, dass man eine separate Credit-Scoring-Gesellschaft gründen werde, die dann neuen Datenschutzauflagen sowie Prüfungsmechanismen der Zentralbank unterstellt ist. Die von den Regulatoren erzwungene Entfernung der wichtigsten Finanzdienste von Ant aus dem Ecosystem der Alipay-App ist tatsächlich ein harter Schlag für Ant Group. Er wurde allerdings schon vor einem halben Jahr gesetzt und nicht erst gestern.

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