Also hoch die Tatzen
Gewöhnliche Bären haben in China einen schweren Stand. Als Sympathieträger machen sie gegenüber den allseits geschützten und gehätschelten Pandabären eine denkbar schlechte Figur. Als Wappentiere sind sie etwa Drachen hoffnungslos unterlegen. Aus der freien Wildbahn sind sie praktisch ganz verschwunden, nicht zuletzt weil einiges an ihnen als verwertbar gilt und insbesondere die Tatzen als – allerdings verbotene – Delikatesse durchgehen.An Chinas Aktienmärkten haben die Bären indes die Oberhand. Die führenden Indizes liegen rund 20 % unter dem Jahreshöchststand. Da darf man börsenfachlich korrekt von einem Bärenmarkt sprechen. Während die Marktteilnehmer schwarzsehen, hellen sich die Minen im Lager der Schwarzbären beziehungsweise der mit ihrer Causa beschäftigten Tierschutzorganisationen auf. Es gibt was zu feiern.Chinas Börsenaufsicht hat mit Blick auf den Bärenmarkt bei den Aberhunderten von kapitalmarkthungrigen Aktienmarktaspiranten kräftig ausgesiebt. Unter den Tisch fallen dabei auch die Pläne zum Börsengang einer Gesellschaft namens Guizhentang. Sie ist eine Mischung aus Pharmaunternehmen und Tierzuchtbetrieb und hat einen bösen Ruf. Auf Guizhentangs Pharmafarmen werden Schwarzbären zu medizinischen Zwecken gezüchtet, die das bittere Schicksal erleiden, in Käfigen zu hocken und bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf im Zweifelsfall schmerzhafte Weise Gallensaft abgezapft zu bekommen. *Die Traditionelle Chinesische Medizin verspricht sich von der Gallenflüssigkeit der Bären eine einzigartige Heilungswirkung für Leber und Augenleiden. Das an dem Zeug was dran sein könnte hat sich auch in der westlichen Medizin herumgesprochen. Allerdings züchten und malträtieren Pharmaunternehmen in hiesigen Breitengraden keine Zotteltiere, sondern wissen Acidus ursodeoxycholicus mittlerweile auch synthetisch herzustellen. In China aber pochen viele Verbraucher auf den echten Saft.Guizhentang ist nur eines von 269 chinesischen Unternehmen, die der Regulator vorerst nicht an der Börse sehen will, aber wohl das einzige dessen mangelhafte Kapitalmarktreife in sozialen Medien zu Freudentänzchen animiert. Die Gesellschaft wollte nämlich zum Schrecken von Tierschützern und einer ganzen Reihe von “Celebrities” darunter die bärenstarke Basketballlegende Yao Ming, mit dem Börsengang kräftig expandieren. Die Kapitalmarktspritze wäre dazu verwendet worden, noch wesentlich mehr Käfiginsassen mit riesigen Hohlnadeln auf den Pelz zu rücken – um sie, wie es im Bärenfarmerjargon etwas verharmlosend heißt, zu “melken”. *Guizhentangs Börsenpläne sahen es vor, den Bärenbestand zu verdreifachen und das Franchising-Geschäft mit Apotheken und Gesundheitsläden, die mit Bärengalle-Produkten aufwarten, um 600 Einheiten aufzustocken. Als Umsatzziel werden 1 Mrd. Yuan (125 Mill. Euro) angegeben. Das klingt nach Wachstumsmarkt. Allerdings hat sich eine chinesische Regierungsdelegation auf dem Jahreskongress der International Union for the Conservation of Nature and Nature Resources (IUCN) auf eine Resolution eingelassen, der zufolge in Ländern mit noch erlaubtem Bärengallegeschäft zumindest eine Ausdehnung der in Gefangenschaft gehaltenen Tiere verhindert wird. Bärengalle soll irgendwie kein Wachstumsmarkt sein, aber irgendwie auch nicht ganz verboten werden.Immerhin ist die Gesetzeslage, was den Handel oder Schmuggel mit gewilderten Bären und ihren von betuchten Feinschmeckern nachgesuchten Tatzen angeht, einigermaßen klar: nämlich strikt verboten. Kürzlich sind zwei Russen an einem chinesischen Grenzposten aufgegriffen worden, die 213 Bärentatzen aus heimischen Wäldern in Autoreifen versteckt einführen wollten. Für eine Braunbärentatze kriegt man am chinesischen Schwarzmarkt ungefähr 13 000 Yuan (1 600 Euro), die Ladung war also etwa 350 000 Euro wert. Und ein erwischter Schmuggler kriegt das Gleiche, wie die Bären auf der Pharmafarm – nämlich lebenslänglich hinter Gittern.