Alternative Form der Kapitalbeschaffung

Crowdinvesting wird infolge der derzeitigen regulatorischen Entwicklungen immer interessanter

Alternative Form der Kapitalbeschaffung

Gerade Start-ups, die meist mit geringem Kapital ausgestattet sind, aber auch kleine und mittlere Unternehmen – sogenannte KMU – haben nach wie vor Schwierigkeiten bei der klassischen Kapitalbeschaffung über Eigen- oder Fremdkapitalfinanzierung. Seit etwa 2008 haben sich auch in Deutschland alternative Finanzierungsformen entwickelt, die diesen Unternehmen, eine weitere Möglichkeit der Kapitalbeschaffung bieten – unter anderem die sogenannte “Schwarmfinanzierung” beziehungsweise Crowdfunding.Ein Unternehmen, welches Kapital benötigt, kann sich auf einer Internet-Plattform vorstellen und bei potenziellen Anlegern (der “Crowd”) um finanzielle Unterstützung werben. Die Art der Finanzierung variiert von Eigenkapital über Mezzanine-Finanzierung bis hin zu reinem Fremdkapital. Die bekanntesten Crowdfunding-Plattformen in Deutschland sind Exporo, Funding Circle und Companisto. Eines der bekanntesten Crowdfunding-Projekte war die Finanzierung des Films “Stromberg”, bei dem verschiedene Crowdfunding-Modelle kombiniert wurden: Unterstützer bekamen nicht nur ein “Danke” in Form einer Kinokarte (sogenanntes “Reward-based” Crowdfunding), sondern wurden am Umsatz des Films beteiligt.Für den Kapitalmarkt interessant sind heute die beiden gewinnorientierten Formen des Crowdfunding: Crowdinvesting, bei dem Anleger eine Gewinnbeteiligung am finanzierten Projekt oder, wenn das Investment mit Wertpapieranlagen verbunden ist, Anteile oder Schuldinstrumente erhalten und CrowdIending, bei dem die Anleger den investierten Betrag (verzinst) zurückerhalten.Laut einer Erhebung von Deloitte vom August 2018, stieg der Bekanntheitsgrad von Crowdfunding bei Start-ups und KMU von 48 % im Jahr 2015 auf 82 % 2018. Zwar benötigen 40 % der KMU zusätzliche Finanzmittel, eine Finanzierung über die Crowd wurde von 89 % der befragten KMU jedoch “nicht verwendet”. Gründe dafür sind unter anderem, dass eine Vielzahl von Anlegern als abschreckend wirkt und die Plattformen zudem als teilweise intransparent empfunden werden.Das stetige Wachstum von Crowdfunding wird bei einer EU-weiten Betrachtung deutlich: Während 2016 laut Statista.de noch 952,2 Mill. Euro eingesammelt wurden, lag das Volumen im Jahr 2017 schon bei 1359,43 Mill. Euro. Für 2018 wird sogar mit einem Transaktionsvolumen von 2137 Mill. Euro gerechnet. Den dynamischsten Markt hat das Vereinigte Königreich (UK) mit einem Investitionsvolumen von etwa 1130 Mill. Euro im Jahr 2018, gefolgt von Frankreich mit 212 Mill. Euro und Deutschland mit 160 Mill. Euro. Diese Entwicklung ist auch der jeweiligen nationalen Regulierung geschuldet. Auf EU-Ebene gab es lange Zeit keine Bestrebungen, diese alternative Finanzierungsform zu regulieren. Dies führte zu einem Flickenteppich aus nationalen Gesetzen, die teilweise sehr unterschiedliche Chancen für die Crowdfunding-Industrie boten und jeweils andere Arten von Investitionsprodukten begünstigten.In Deutschland setzte der Gesetzgeber 2015 mit dem Kleinanlegerschutzgesetz als Reaktion auf die Insolvenz des Windenergiebetreibers Prokon die Weichen für partiarische und Nachrangdarlehen als favorisiertes Crowdfunding-Produkt. Diese wurden als neue Vermögensanlagen im Vermögensanlagengesetz definiert.Hinzu kam auch eine neue Auffangdefinition für “sonstige Vermögensanlagen”, die weitere Anlagearten aus dem sogenannten “grauen Kapitalmarkt” abdecken sollte, um eine umfassende Regulierung zu gewährleisten. Die drei neudefinierten Anlageformen wurden unter bestimmten Voraussetzungen, von der bestehenden Prospektpflicht ausgenommen. Voraussetzung für die Ausnahme ist unter anderem, dass der Verkaufspreis sämtlicher angebotener Vermögensanlagen desselben Emittenten 2,5 Mill. Euro nicht übersteigt. Kritische StimmenDaher fokussierten sich in Deutschland die meisten Anbieter zunächst auf die von der Prospektpflicht ausgenommenen Anlageformen, um dem kostspieligen und bürokratischen Prozess einer Prospekterstellung zu entgehen. Diese Prospektausnahme bedeutet zugleich eine Privilegierung partiarischer beziehungsweise Nachrangdarlehen gegenüber den klassischen Wertpapieren, wie zum Beispiel Aktien, da diese der Prospektpflicht aus dem Wertpapierprospektgesetz mit einer weit geringeren Ausnahmeschwelle unterlagen. Aus Anlegersicht war diese Entscheidung des Gesetzgebers nachteilig, da partiarische beziehungsweise Nachrangdarlehen aufgrund der nachrangigen Stellung des Anlegers sowie der fehlenden Absicherung ein wesentlich höheres Verlustrisiko bergen, als klassische Wertpapiere. Crowdfunding wird daher insgesamt nicht nur von den Anlegern, sondern auch von den Unternehmen selbst kritisch betrachtet.Daher begann sich der Crowdfunding-Markt weg von den partiarischen und Nachrangdarlehen hin zu klassischen Wertpapieren zu bewegen. Zusätzliche Abhilfe könnte hier die im Juli 2017 in Kraft getretene Prospektverordnung schaffen, die die Grenze für prospektfreie öffentliche Angebote von Wertpapieren EU-weit zunächst auf 1 Mill. Euro anhebt und den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, Angebote von bis zu 8 Mill. Euro auf nationaler Ebene von der Prospektpflicht auszunehmen. Deutschland hat von dieser Option in dem Wertpapierprospektgesetz vollumfänglich Gebrauch gemacht.Ein weiterer Kritikpunkt an der deutschen Gesetzgebung zum Crowdfunding war die Anwendung der Befreiungsvorschriften auf die Immobilienfinanzierung. Die Crowdfunding-Ausnahme sollte eigentlich die Finanzierung für KMU beziehungsweise Start-ups erleichtern. Dennoch fließen derzeit knapp 70 % der über Crowdfunding eingesammelten Mittel in den Immobiliensektor, welchem allerdings auch die klassische Bankfinanzierung offensteht. Die Entscheidung, ob die Immobilienfinanzierung nicht mehr von der Prospektausnahme profitieren soll, wurde jedoch vorerst auf 2019 verschoben.Insgesamt bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die neue prospektfreie Schwelle von 8 Mill. Euro auf den deutschen Crowdinvesting-Markt haben wird. Es ist davon auszugehen, dass sowohl die Emittenten als auch die Plattformen von der Finanzierungsform der partiarischen beziehungsweise Nachrangdarlehen Abstand nehmen werden, da der einzige bisherige Vorteil dieser Produkte – das prospektfreie Angebot – nunmehr wegfallen wird. Eine solche Entwicklung wäre sowohl im Hinblick auf den Anlegerschutz als auch für die Reputation der Schwarmfinanzierung mehr als willkommen.Hinzu kommt, dass auf EU-Ebene derzeit der Vorschlag für eine Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister (ECSP-Verordnung) diskutiert wird. Das Ziel ist, ein EU-weites, harmonisiertes Regulierungsregime für europäische Crowdfunding-Service-Provider, optional neben den nationalen Regimes, zu implementieren. Dadurch könnten Plattformen für investitions- und kreditbasiertes Crowdfunding eine EU-Zulassung beantragen und so Produkte EU-weit anbieten. Derzeit sieht der Vorschlag eine Volumenschwelle von 8 Mill. Euro für solche Finanzierungen vor.Allerdings sind im Rahmen dieser Verordnung investitionsbasierte Crowdfunding-Dienstleistungen nur in Bezug auf übertragbare Wertpapiere im Sinne der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid II) geregelt und gestattet. Es wurde auch diskutiert, ob auch Angebote von auf einer Distributed-Ledger-Technologie basierten Finanzprodukten, sogenannte “Initial Coin Offerings” (ICO), in den Anwendungsbereich der ECSP-Verordnung fallen sollen. Dies wurde letztendlich abgelehnt, da die Merkmale eines ICO entscheidend von dem in der ECSP-Verordnung geregelten Crowdfunding abweichen. Letztendlich haben für den deutschen (und europäischen) Crowdfunding-Markt sowohl die neue Prospektverordnung als auch die ECSP-Verordnung bereits jetzt eines gemeinsam: Den begrüßenswerten Fokus auf klassische Wertpapiere als begünstigte Anlageform, was auch praktische Auswirkungen auf die jeweiligen Angebotsstrukturen haben sollte.—-Robert Michels, Partner bei Dentons in Frankfurt und Valeria Hoffmann, Senior Associate bei Dentons in Frankfurt