ExklusivZum Ausgleich von Staatshilfen

Bund will Altmittel aus deutscher Bankenabgabe behalten

Seit Monaten ringen Kreditwirtschaft und Bundesregierung um die Altmittel der deutschen Bankenabgabe. Der Bund will die Mittel nun einbehalten.

Bund will Altmittel aus deutscher Bankenabgabe behalten

Bund will Mittel aus deutscher Bankenabgabe behalten

Rund 2,3 Mrd. Euro sollen Staatshilfe über den Soffin ausgleichen – Betriebsausgabenabzugsverbot für Bankenabgabe fällt

Von Angela Wefers, Berlin

Die Hoffnung der deutschen Kreditwirtschaft auf Rückführung der Altmittel aus der nationalen Bankenabgabe zerplatzt. Den Betrag von 2,3 Mrd. Euro will der Bund einbehalten und in den gemeinhin als Soffin bezeichneten Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) fließen lassen. Die Banken und Sparkassen erhalten dafür ein vermeintliches Trostpflaster: Die Bankenabgabe wird in Deutschland von 2024 an steuerlich abzugsfähig sein – wie in vielen anderen Ländern Europas. Einen entsprechenden Referentenentwurf hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nach Informationen der Börsen-Zeitung in die Ressortabstimmung geben lassen. Mit Kanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium, also innerhalb der Ampel, ist das Vorgehen grundsätzlich abgestimmt.

Über die Verwendung der Altmittel aus der nationalen Bankenabgabe muss alsbald entschieden werden: Ihr Verwendungszweck ist zum Jahresbeginn 2024 entfallen. Angesammelt wurde die nationale Bankenabgabe von 2011 bis 2014 im „Restrukturierungsfonds“, einem Sondervermögen des Bundes. Der Fonds wurde nach der Finanzkrise 2008/2009 geschaffen, um daraus im Notfall Institute der Finanzbranche zu stabilisieren. Die Mittel dafür musste der Finanzsektor über die Bankenabgabe selbst aufbringen.

2016 folgte mit dem einheitlichen Abwicklungsfonds SRF (Single Resolution Fund) eine europäische Lösung. Die Abgaben der europäischen Kreditinstitute und anderer Zahlungspflichtiger aus der Finanzbranche fließen seitdem dorthin, in jeweils nationale Kammern. Auch die 2015er Gelder wurden schon übertragen. Die nationale Bankenabgabe im Restrukturierungsfonds diente während der Aufbauphase des SRF als Sicherheit und mögliche Brückenfinanzierung für den Fall, dass die europäischen Gelder in der deutschen Kammer nicht ausreichen würden, um ein deutsches Institut zu stützen.

Mittlerweile ist der Aufbau des europäischen SRF abgeschlossen. Ende 2023 sind dort fast 78 Mrd. Euro angesammelt, weit mehr als anfangs geplant. Damit entfällt der Verwendungszweck des deutschen Restrukturierungsfonds als Sicherheitspolster. „Da die Altmittel in Form einer Sonderabgabe erhoben worden waren, ist der Bund gehalten, alsbald eine neue, verfassungsrechtlich zulässige Verwendung gesetzlich zu bestimmen“, steht im Referentenentwurf.

Rückerstattung erhofft

Die Finanzbranche hatte darauf gebaut, dass sie die einst als nationale Sonderabgabe erhobenen Mittel zurückerhält. Da es sich um eine Sonderabgabe und keine Steuer handelt, muss der Staat sie „gruppennützig“ verwenden – also denen zugutekommen lassen, die sie bezahlt haben. Die Überführung der Altmittel in den allgemeinen Bundeshaushalt wäre damit nicht verfassungskonform, auch nicht die Übertragung auf irgendein anderes Sondervermögen des Bundes. Noch im Sommer 2022 hatte die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) die Vorstellung, dass die Altmittel rückerstattet oder mit der europäischen Abgabe verrechnet werden. Zuletzt gab es Überlegungen zu einem Sonderfonds der Kreditwirtschaft, um Transformationsvorhaben zu finanzieren. Aktivisten wie die Bürgerbewegung Finanzwende hatten dafür plädiert, die Schulden des Bankenrettungsfonds Soffin zu reduzieren. So dürfte es nun auch kommen, wenn der Referentenentwurf umgesetzt wird.

In einem vom Bundesfinanzministerium beauftragten Rechtsgutachten aus dem März 2022 hatten die Heidelberger Forscher für Finanz- und Steuerrecht Anđela Milutinović und Ekkehart Reimer mit Blick auf die Gruppennützigkeit eine Übertragung der Alt-Bankenabgabe auf den Soffin als möglich eingestuft, aber auf rechtliche Risiken verwiesen. Es würden damit höchstrichterlich ungeklärte Fragen zum Sonderabgabenrecht aufgeworfen. Noch im Frühjahr 2023 hatte Finanzstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestags Sympathie des Ministeriums für die Rückerstattung der Mittel gezeigt: Dies könne die Banken bei der Finanzierung der Transformation der deutschen Wirtschaft unterstützen. Nun heißt es im Referentenentwurf, ein Rückführung der Mittel wäre nach europäischem Beihilferecht problematisch. Mit der Übertragung der Mittel auf den Soffin reduzieren Bund und Länder mögliche Verpflichtungen. Aus dem Sondervermögen wurden während der Finanzkrise Stabilisierungsmaßnahmen von Kreditinstituten finanziert. Gestärkt wurden Liquidität und Eigenkapital. Bei der Endabrechnung müssen Bund und Länder den Fehlbetrag anteilig tragen. Bis dahin finanziert der Bund den Soffin.

Fehlbetrag beim Soffin

Verwaltet wird der Fonds seit 2018 von der Finanzagentur des Bundes. Nach den jüngsten bekannten Zahlen erzielte der Fonds 2022 einen Überschuss von 1,3 Mrd. Euro. Der aufgelaufene, nicht gedeckte Fehlbetrag sank damit auf 21,5 Mrd. Euro. Der Soffin hält laut Finanzagentur heute noch die Anteile des Bundes an der Commerzbank (15,6%), an der Hypo Real Estate Holding (100%) und eine stille Einlage von 2 Mrd. Euro an der Portigon, der Rechtsnachfolgerin der WestLB. Der Soffin war in der Finanzkrise mit Mitteln für Garantien von 400 Mrd. Euro und zur Rekapitalisierung von 80 Mrd. Euro ausgestattet. In der Hochphase waren 168 Mrd. Euro Garantien und 29,4 Mrd. Euro für Kapitalmaßnahmen vergeben. Alle Garantien wurden ohne einen einzigen Ausfall zurückgezahlt. Eingenommen hat der Soffin 2,0 Mrd. Euro aus Garantieentgelt. Von den Kapitalmaßnahmen standen Ende 2022 noch 14,6 Mrd. Euro aus.

Steuerabzug ohne Effekt

Gegen das steuerliche Betriebsausgabenabzugsverbot wehrt sich die Kreditwirtschaft seit Beginn der Bankenabgabe. In der Spitze hatte die deutsche Finanzbranche 3,8 Mrd. Euro (2022) gezahlt, 2023 waren es 2,63 Mrd. Euro. Deutschland nahm damit eine Sonderstellung ein. Die Bankenabgabe sollte in ungeminderter Höhe auf risikoärmere Geschäftsmodelle hinwirken, begründete das Bundesfinanzministerium das Abzugsverbot. Bei steuerlicher Abzugsfähigkeit wäre der Effekt teils neutralisiert worden.

„Durch die nunmehr geänderten europäischem Rahmenbedingungen bedarf es des Abzugsverbots zur Beibehaltung der Lenkungswirkung allerdings künftig nicht mehr“, heißt es im Referentenentwurf. Verwiesen wird auf die mittlerweile verbesserte Abwicklungsfähigkeit von Kreditinstituten, Erfolge bei der Risikoreduzierung, die verbindlichen Mindestanforderungen an das Eigenkapital, besondere Verbindlichkeiten zur Verlustabsorption und Rekapitalisierung sowie die Vorgabe für deutsche Institute, abwicklungsfähig zu sein. Allerdings ist die Streichung des steuerlichen Abzugsverbots als Betriebsausgaben inzwischen von geringer Relevanz: Laut Referentenentwurf entstehen steuerlich voraussichtlich keine Mindereinnahmen. Das Ministerium geht nicht davon aus, dass weitere Abgaben für den gut gefüllten europäischen SRF erhoben werden.

Seit Monaten ringen Kreditwirtschaft und Bundesregierung um die Altmittel der deutschen Bankenabgabe von 2,3 Mrd. Euro. Banken und Sparkassen wollten die Gelder zur Transformationsfinanzierung einsetzen. Der Bund will nun aber damit faktisch seine Staatshilfen für die Finanzkrise 2008/2009 kompensieren.