Amerika will eine Postbank schaffen
Von Björn Godenrath, FrankfurtSenatorin Elizabeth Warren ist Amerikas oberste Verbraucherschützerin und weiß sich in Szene zu setzen. Mit dem Segen von Präsident Barack Obama richtete sie 2010 das Consumer Financial Protection Bureau ein und nutzte diese Bühne, um die Banken kräftig in die Mangel zu nehmen, nachdem sie sich zuvor in einem Kongressausschuss zum TARP-Programm bereits einen Namen gemacht hatte. Heute gilt die 64-Jährige aus Massachusetts als oberste Bankenkritikerin der USA und verkörpert das soziale Gewissen des Landes. Manche halten es für möglich, dass Warren statt Hillary Clinton für die Demokraten als Präsidentschaftskandidatin in den Ring steigt.Ihr Wort hat jedenfalls auch so schon ausreichend Gewicht, wenn es darum geht, eine Gesetzesinitiative anzuschieben. Warrens neuestes Steckenpferd ist die Schaffung einer Postbank für die USA. Konkret geht es darum, dass Warren den Kredithaien der “payday lenders” das Wasser abgraben will, die bei Bürgern unterer Einkommensschichten mit hohen Zinsen für kleinere Ausleihungen zulangen. Um das zu bewerkstelligen, soll der U. S. Postal Service (USPS) mit seinen Niederlassungen eine solche Kreditgeber- und Sparkontenfunktion übernehmen. Warren wirbt explizit damit, dass Postbank-Strukturen in Deutschland und Japan sich bewährt hätten, um einkommensschwachen Schichten insbesondere in dünner besiedelten Gebieten Zugang zu Bankdienstleistungen zu verschaffen.Genau darum geht es. 60 % der Niederlassungen des U. S. Postal Service befinden sich in Gebieten, die als “Bankenwüste” gelten, also mit maximal einer Bankfiliale. Einer Untersuchung der Post zufolge verfügen 68 Millionen Amerikaner über keinerlei Bankkonto und wendeten 89 Mrd. Dollar an Zinsen und Gebühren für Basisdienste auf, wie sie von den “payday lenders” bereitgestellt werden. Rund 10 % ihres Einkommens sollen die ärmeren Haushalte für diese Kredite aufwenden – da sieht Warren den Staat in der Pflicht, für Linderung zu sorgen. Die Senatorin ist Verfechterin eines starken Staates, der die Kluft zwischen Arm und Reich schließen soll.Und der USPS schielt natürlich auf zusätzliche Einnahmen, die sich generieren ließen, wenn einfaches Bankgeschäft für zusätzliche Auslastung der Filialen sorgt. Operativ ist die Post wohl profitabel, ein gesetzliches Relikt aus der Bush-Ära zur Überdotierung der Pensionskassen mit jährlich 5,5 Mrd. Euro lässt die Behörde aber ein Defizit ausweisen.Insofern ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das Budget des beim Bund bereits mit 15 Mrd. Dollar in der Kreide stehenden USPS muss reformiert werden, gleichzeitig könnten die Filialen im ländlichen Amerika um eine elementare volkswirtschaftliche Funktion bereichert werden. Denn der Zugang zu Kredit- und Kontendienstleistungen dürfte auch weiterhin nicht allein über das Internet herzustellen sein. Außerdem ist der USPS nicht ganz unbeleckt, was Finanzdienstleistungen angeht, wickelt er doch auch Geldanweisungen ab. Und von 1910 bis 1967 war die US-Post bereits eine vollwertige Postbank für die kleinen Leute mit staatlicher Unterstützung – ohne die Mission, damit Gewinne zu erzielen.Ordnungspolitisch ist so etwas in den USA ja durchaus machbar. Man denke nur an die staatlich garantierte Immobilienfinanzierung durch Fannie und Freddie Mac. Die von Obama angeregte Initiative zur Abwicklung des Häuser-Duos ist mittlerweile komplett versandet. Um das Anliegen von Warren zur Etablierung einer Postbank im Kongress zur Abstimmung zu bringen, braucht es nur noch wenige Unterzeichner einer Petition. Allerdings ist der Kongress von den Republikanern dominiert, was die Erfolgsaussichten doch empfindlich mindert. Andererseits kann hier ein Stück Regionalpolitik vorangebracht werden, das auch ein republikanischer Abgeordneter seinem Wahlvolk als Verdienst verkaufen kann.