ZERTIFIKATE

An Bedürfnissen der Anleger orientiert

Interview mit Henning Bergmann

An Bedürfnissen der Anleger orientiert

Henning Bergmann, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV)Herr Bergmann, vor 30 Jahren wurde von der Dresdner Bank das erste Indexzertifikat auf den Dax aufgelegt. Welche Bedeutung hat dieses Ereignis für Privatanleger?Das war der Startschuss für Indexzertifikate und für weitere Zertifikate ein wichtiger Meilenstein. Das Angebot für Privatanleger hat sich durch diese neue Kategorie deutlich verbreitet. Warum haben Zertifikate und Indexinvestments in den vergangenen Jahrzehnten so geboomt oder zugelegt?Es hängt – auch historisch gesehen – von der jeweiligen Marktsituation ab, welche Produkte aufgelegt werden. Im Laufe der Zeit wurden auch viele Produkte entwickelt, die mit Schutzfunktionen für Anleger ausgestattet sind. Dazu zählen Garantiestrukturen oder auch das erste Bonuszertifikat, das 2003 aufgelegt wurde. Es ist eine sehr breite Produktpalette entstanden, die unterschiedliche Anlegerbedürfnisse idealtypisch abdecken kann.Am 15. September 2008 ging die US-Investmentbank Lehman Brothers insolvent, was dann auch von Lehman aufgelegte Zertifikate traf. Dies war zwar am deutschen Zertifikatemarkt ein singuläres Ereignis, doch hat die Branche unter Lehman gelitten. Was sind die Konsequenzen für Sie als Verband?Die Lehman-Insolvenz war ein massiver Einschlag für die gesamte Branche, der zunächst auch zu einer großen Verunsicherung geführt hat. Wir haben darauf als Verband mit einer umfassenden Informations- und Transparenzoffensive nebst zahlreichen Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes reagiert. So veröffentlichen wir beispielsweise seitdem die CDS-Werte der einzelnen Emittenten auf unserer Website. 2013 hat sich die Branche dann selbst zu einem einheitlichen Fairness Kodex verpflichtet. Zudem ist es uns gelungen, die verschiedenen Produkte einheitlich zu klassifizieren und Fachbegriffe zu vereinheitlichen. Zudem informieren wir Anleger über Broschüren, Webinare und Veranstaltungen.Zertfikate gelten als besonders riskant. Was sagen Sie zu dieser Kritik?Diese Aussage ist so schlichtweg nicht richtig. Wir haben eine sehr breite Produktpalette mit zahlreichen risikoarmen Zertifikaten. Insgesamt weisen nach einer externen Erhebung 95 % der Zertifikate gemessen am Volumen ein geringeres Risiko als Aktien auf.Auch wird oft der Einwand erhoben, dass Zertifikate mit relativ hohen Kosten behaftet sind. Das ist ein weiteres Vorurteil, das nicht zutrifft. Zwischen den Emittenten von strukturierten Wertpapieren herrscht beinharter Wettbewerb. Dieser führt zu niedrigen Kosten. Eine wissenschaftliche Untersuchung hat festgestellt, dass die Kosten von Anlagezertifikaten inklusive Vertriebsvergütung nur bei rund 1 % pro Jahr liegen. Das ist nicht hoch und niedriger als bei vielen anderen Produkten.Ist die Vielzahl der angebotenen Produkte ein Vorteil oder ein Nachteil?Die hohe Zahl der Produkte ist ein Ausdruck der Vielfalt und der Leistungsfähigkeit der Branche. Die Anbieter orientieren sich an den Bedürfnissen der Anleger und können passgenau auf diese eingehen. Wichtig ist, dass der Markt über Produktklassifizierungen transparent ist.Muss die Zertikatebranche noch mehr informieren oder braucht es allgemein eine bessere Finanzbildung?Wir sind immer bestrebt, noch besser zu informieren, und arbeiten daran, unser Informationsangebot zu optimieren. Finanzbildung ist ein allgemeines Anliegen der Finanzbranche. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe an, zu einer besseren Finanzbildung mit beizutragen. Gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase ist Finanzwissen besonders wichtig.Wie beurteilen Sie die Auswirkungen von Mifid II? Wird dadurch nicht die Beratung von Privatanlegern erschwert?Viele Ansätze sind sinnvoll, aber in mehreren Bereichen wird die Regulierung von Anlegern schon als sehr bürokratisch empfunden. Darunter leiden natürlich auch Beratung, Produktabsatz und das Wertpapiergeschäft insgesamt. Insofern herrscht Nachbesserungsbedarf bei Mifid II. Das Thema wird übrigens auch jetzt in Brüssel angegangen.Drohen nicht gerade strukturierte Produkte derzeit vom Fiskus benachteiligt zu werden?Das hängt von Detailregelungen ab, die noch nicht feststehen. Zum einen sieht eine gesetzliche Neuregelung, die wir nicht für sinnvoll halten, die unterschiedliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten von Privatanlegern allgemein bei Wertpapieren vor. Auch wurde für Privatanleger eine begrenzte Verlustverrechnung von Termingeschäften beschlossen.Wohin bewegt sich der Zertifikatemarkt? Ein großes Thema für uns ist Nachhaltigkeit. Hier bringen wir uns als Verband ein. Ein weiteres Thema ist Digitalisierung, wobei aber gerade die Zertifikatebranche hier schon sehr weit ist. Darüber hinaus sind strukturierte Wertpapiere besonders im aktuellen Niedrigzinsumfeld interessant. Denn die Anleger suchen Produkte, die noch Erträge bieten, aber zugleich, wie schon erwähnt, ein niedrigeres Risiko als Aktien aufweisen.Das Interview führte Werner Rüppel.