An der Elbe herrscht Aufbruchstimmung

Digitales Umfeld könnte kaum vitaler sein - Finanzielle Hilfen durch Kredite, Zuschüsse und Beteiligungskapital gehören zu den direkten Leistungen für Start-ups

An der Elbe herrscht Aufbruchstimmung

Die Besucher des Hamburg Innovation Summit, des jährlichen Gipfels der Innovationsakteure der Metropolregion Hamburg, waren beeindruckt. Eben noch war es in der Kabine des Demonstrators richtig laut, plötzlich herrscht Ruhe – auf Knopfdruck. Hinter der überraschenden Lautlosigkeit steckt eine innovative Akustiklösung des Start-up recalm, entwickelt für die Fahrer von Bau- und Landmaschinen. Der Lärm wird absorbiert, ganz ohne Kopfhörer.Die recalm GmbH ist im Rahmen des Förderprogramms “InnoRampUp” der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) gefördert worden. Damit werden insbesondere technologiebasierte innovative Gründungen beim Aufbau eines Unternehmens unterstützt. Als Mitglied des “Enterprise Europe Network” hat die IFB Hamburg zudem später bei der Beantragung von EU-Zuschüssen geholfen. “Die Förderung hat uns erst in die Lage versetzt, unsere allerersten Schritte beim Unternehmensaufbau zu gehen”, sagt Lukas Henkel, einer der vier Gründer. Inzwischen hat das Start-up einen strategischen Investor gewonnen.In Hamburg herrscht Aufbruchstimmung. Sie spiegelt sich auch in diversen Rankings wider: Im Bundesländerranking des KfW-Gründungsmonitors 2019 belegt die Hansestadt Platz zwei hinter Berlin. Das Investitionsvolumen in Neugründungen stieg gegenüber dem vorangegangenen Jahr laut dem Start-up-Barometer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) um 138 % auf 548 Mill. Euro. Insbesondere in E-Commerce, Fintechs und Mobility wird investiert. Aber auch Medizintechnik, Life Science, Medien, Logistik, Industrie 4.0 und Gaming sind hanseatische Schwerpunkte.Pro Jahr gehen etwa 300 Finanzierungsanfragen junger innovativer Unternehmen bei der IFB Hamburg ein. Mit etwa 25 Finanzierungen jährlich ist die Bank der aktivste Kapitalgeber für die Start-ups der Elbmetropole. Vollständig im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg ist sie der zentrale Partner des Senats für die Umsetzung seiner Förderstrategie. Das Institut versteht sich dabei als moderner Dienstleister, der gut vernetzt und auf Augenhöhe mit öffentlichen und privaten Partnern den Standort Hamburg stärkt. Entscheidend ist dabei, dass die IFB Hamburg nicht nur die finanziellen Förderprogramme der Hansestadt umsetzt, sondern sich auch aktiv in das Innovations-Ökosystem der Stadt einbringt. Dies geschieht beispielsweise durch die Mitveranstaltung des Hamburg Innovation Summit oder die enge Zusammenarbeit mit Clusterorganisationen und Technologietransferstellen.Individuelle Beratung und finanzielle Förderung durch Kredite, Zuschüsse oder Beteiligungskapital gehören zu den direkten Leistungen für Start-ups. So werden junge Unternehmen vom “Innovationsstarter Fonds” mit offenen Beteiligungen unterstützt, die gegebenenfalls um Nachrangdarlehen ergänzt werden. Pro Finanzierungsrunde können bis zu 600 000 Euro investiert werden, insgesamt bis 1 Mill. Euro je Unternehmen. Voraussetzungen für das Engagement sind eine selbst entwickelte Technologie und innovative Produkte mit klaren Alleinstellungsmerkmalen und überzeugendem Kundennutzen. Für nahezu jede Phase im Lebenszyklus steht ein geeignetes Förderinstrument zur Verfügung. Für sehr junge VorhabenSo richtet sich das Angebot “InnoRampUp”, von dem die recalm GmbH profitierte, an noch sehr junge Gründungsvorhaben. Bereitgestellt werden Zuschüsse von bis zu 150 000 Euro, sofern die Geschäftsidee überzeugen und ein Marktpotenzial nachgewiesen werden kann. Mit CellmatitQ, einer Software-Plattform für die automatische diagnostische Analyse von medizinischen Bilddaten durch Künstliche Intelligenz, wurde im vergangenen Jahr das 100. Start-up gefördert.Das Programm “InnoFounder” wurde vor kurzem als Ergänzung zu “InnoRampUp” konzipiert. Es zielt ab auf aussichtsreiche innovative Geschäftsmodelle, insbesondere aus dem Bereich der Medien- und Content-orientierten Start-ups. Und das in einer noch früheren Phase, in der die Geschäftstätigkeit noch nicht aufgenommen wurde oder weniger als ein Jahr Bestand hat. Mit einem Zuschuss in Höhe von bis zu 75 000 Euro werden maximal drei Personen eines Teams gefördert, die ihre Idee auf den Weg bringen wollen. Es zeichnet sich zudem durch eine pauschalierte und damit für die Gründer und die Förderbank unbürokratische Zuschussförderung aus. Mit dem neuen Förderbaustein wird sich die Start-up-Förderung auf etwa 40 Finanzierungen jährlich erhöhen.Im Auftrag der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) begleitet die IFB Hamburg die Errichtung des Hamburger Innovations-Wachstumsfonds (HIWF), um in späteren Phasen die Lücke bei Risikokapitalfinanzierungen im Volumen von 1 bis 5 Mill. Euro zu schließen. Der Fonds soll 100 Mill. Euro an Wagniskapital einwerben, wobei bis zu 10 Mill. Euro von der IFB Hamburg als Ankerinvestor stammen. So wird privates Kapital aktiviert, um jungen Unternehmen schnelles Wachstum zu ermöglichen.Rund 700 Start-ups mit 6 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben nach einer Erhebung von Hamburg Start-up Monitor inzwischen in Hamburg ihren Firmensitz. Sie sind sichtbarer Ausdruck des Erfolgs der bereits 2008 initiierten “InnovationsAllianz Hamburg”. Ziel war und ist die Vernetzung der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, um Synergien zu schaffen zur Steigerung von Innovation und Wertschöpfung für den Standort Hamburg.Die Basis dieser Allianz bildet eine starke und diversifizierte Wirtschafts- und Wissenschaftsstruktur, um neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Hamburg ist ein weltweit bedeutender Standort für die Schifffahrt, die zivile Luftfahrtindustrie, die Windkraftindustrie und die Wissenschaft. Der Senat stärkt diese Struktur auf unterschiedlichen Wegen. Ein wichtiger Baustein ist die Clusterpolitik. Mit ihr fördert die Wissenschaftsmetropole traditionelle Stärken und baut gleichzeitig die wichtigsten Zukunftsfelder aus – von der Luftfahrt rund um Airbus über erneuerbare Energien bis hin zu Life Science, Elektromobilität oder Logistik.Die Grundüberlegung der Clusterpolitik ist, dass die Verzahnung von Unternehmen, Wissenschaft und auch der öffentlichen Hand die wirtschaftliche Entwicklung sowie die Entstehung von Wissen und Innovation fördert. Ein Beispiel für diese Politik mit besonderer Strahlkraft ist das Deutsche Elektronen Synchrotron (DESY) der Helmholtz-Gemeinschaft. Das Forschungszentrum für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, an dessen Standort es mit dem XFEL inzwischen den weltweit größten Röntgenlaser gibt, zieht Spitzenwissenschaftler aus der ganzen Welt an, die wiederum Nachwuchsforscher und Gründer inspirieren.Als Ergebnis der Arbeit der InnovationsAllianz entstehen rund um das DESY sowie an drei anderen Standorten der Stadt Innovationsparks, in denen Grundlagenforschung, angewandte Forschung und der Transfer in marktreife Produkte zusammenkommen. Sie verbinden Gewerbeflächen, Technologiezentren für Jungunternehmer und Forschungseinrichtungen mit Inkubatoren für Existenzgründer.Neben 19 Hochschulen und Universitäten mit weit mehr als 100 000 Studierenden sind an der Elbe auch Institute der Max-Planck-Gesellschaft sowie der Leibniz-Gemeinschaft zuhause. Ein weiterer Meilenstein beim Ausbau der anwendungsorientierten Forschung war der Beitritt zur Fraunhofer Gesellschaft; inzwischen sind sechs Fraunhofer-Institute in Hamburg beheimatet. Verbindungen schaffenDas Umfeld an Elbe und Alster könnte also kaum vitaler sein, es ist übrigens auch sehr digital. Im “Deutschland-Index der Digitalisierung 2019” vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT am Fraunhofer-Institut FOKUS liegt Hamburg auf Platz 2, die digitale Verwaltung sogar auf Platz 1. Dies hilft, die Akteure miteinander zu vernetzen, Verbindungen zu schaffen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, zwischen KMU (kleine und mittlere Unternehmen) und Forschungseinrichtungen, zwischen Gründern, Investoren und etablierten Unternehmen.Hierfür stehen beispielsweise auch Initiativen wie das Airbus BizzLab, der Health Innovation Port von Philipps und der Techniker Krankenkasse oder auch der Hamburg Innovation Summit. Auf diesem von der IFB Hamburg unterstützten Innovationsgipfel tauschen sich Gründer, Visionäre und Zukunftsgestalter über neue Technologien, Innovationen und Strategien aus.Dort trat nicht nur recalm auf, sondern auch die bentekk GmbH, eine Ausgründung der Technischen Universität Hamburg, die unter anderem über das Programm “InnoRampUp” und den “Innovationsstarter Fonds” gefördert und begleitet wurde – von der ersten Idee bis zur Marktreife. Das Unternehmen hat Messgeräte entwickelt, mit denen Grenzwerte für Benzol und andere Chemikalien in der Luft ermittelt werden können. Inzwischen hat die Dräger Safety AG & Co. KGaA Anteile erworben. Ein erfolgreicher Exit also, über den der IFB Hamburg nun weitere Mittel zur Förderung innovativer Unternehmen zur Verfügung stehen. So soll es sein. Ralf Sommer, Vorstandsvorsitzender der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg)