An solider Eigenkapitalbasis geht kein Weg vorbei

Rein fremdfinanzierter Umbau der Energiewende wird nicht gelingen - Unternehmen brauchen einen ausreichenden finanziellen Handlungsspielraum

An solider Eigenkapitalbasis geht kein Weg vorbei

Die tiefgreifende strukturelle Transformation der Energieversorgung in den nächsten Jahren erfordert signifikante Investitionen von den Energieversorgungsunternehmen auf allen Wertschöpfungsstufen. Zwar hat sich die wirtschaftliche Situation vieler Energieversorgungsunternehmen trotz des zunehmenden Wettbewerbs im Energievertrieb, des steigenden Regulierungsdrucks bei den Versorgungsnetzen und des schwierigen Marktumfelds sowohl im konventionellen Erzeugungsbereich als auch bei den erneuerbaren Energien in den letzten Jahren durchaus stabil entwickelt – gerade auch im Hinblick auf die Eigenkapitalquoten – die Kapitalrenditen liegen jedoch zum Teil deutlich unter dem Niveau früherer Jahre. Trotz dieser stabilen Vergangenheitsentwicklung erfordern die investiven Herausforderungen der nächsten Jahre die volle Aufmerksamkeit der Unternehmen im Hinblick auf die Investitionsentscheidungen, die Ertrags- und Cash-flow-Planung sowie den passenden Finanzierungsmix. Treiber künftiger InvestitionenDie Treiber der zukünftigen Investitionen – mit signifikanten Auswirkungen auf die tradierten Geschäftsmodelle und vermutlich auch auf die Finanz- und Ertragslage der Energieversorgungsunternehmen – lassen sich unter den Schlagworten Dekarbonisierung, Digitalisierung sowie Dezentralisierung zusammenfassen.Die Ziele der Bundesregierung zur Dekarbonisierung – mithin der deutlichen Reduzierung der CO2-Emissionen – erfordern ein sektorenübergreifendes Agieren zwischen den Bereichen Strom- und Wärmeversorgung sowie dem Verkehrssektor. Um die Ziele der CO2-Reduzierung zu erreichen, müssen Energieversorger in neue Technologien investieren und mittels regenerativ erzeugtem Strom möglichst viele fossile Brenn- und Treibstoffe ersetzen.Durch die Digitalisierung werden bestehende Prozesse grundlegend verändert. Neue Geschäftsmodelle entstehen, disruptive Innovationen führen zu tiefgreifenden Marktveränderungen, monodirektionale Versorgungsnetze wandeln sich zu Smart Grids. Um diese Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen sind Investitionen insbesondere in Personal und Informationstechnologien notwendig.Die Dezentralisierung führt schließlich zu einer kompletten Abkehr von Großkraftwerken mit Leistungen im Gigawattbereich. Stattdessen entstehen viele kleine Erzeugungsanlagen mit Leistungen im Mega- oder Kilowattbereich. Dazu kommt die Entwicklung und Integration von Speichertechnologien. Die Integration dieser Vielzahl von Versorgungsanlagen in das Versorgungssystem sowie die bedarfsgerechte Steuerung ist eine der großen Herausforderungen der Zukunft und erfordert hohe Investitionen. Voraussichtliche KostenDie Kosten für den Umbau der Energieversorgung in den nächsten Jahrzehnten lassen sich nicht abschließend schätzen. Aber allein auf Ebene der Stromversorgungsnetze belaufen sich die geschätzten Kosten der dena-Leitstudie Integrierte Energiewende, 2018 zufolge auf ca. 80 bis 110 Mrd. Euro für die Übertragungs- sowie ca. 140 bis 250 Mrd. Euro für die Verteilnetzebene. Ein Großteil dieser Kosten landet somit auf Ebene der klassischen – zumeist in kommunalem Eigentum stehenden – Energieversorgungsunternehmen.Viele dieser Investitionsmaßnahmen müssen zukünftig überwiegend fremdfinanziert werden. Zumeist erfolgt die Bereitstellung des benötigten Fremdkapitals in Form eines Bankdarlehens, ausgestaltet entweder als Projekt- oder Unternehmensfinanzierung. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass die Aufnahme von Darlehen – auch bei kommunalen Versorgungsunternehmen – zunehmend komplexer wird. Während in der Vergangenheit Versorgungsunternehmen mit kommunaler Eigentümerstruktur in der Regel keine Probleme bei der Akquisition von Fremdkapital hatten, agieren die Banken bei der Kreditvergabe zwischenzeitlich deutlich restriktiver.Ein Grund für diese Entwicklung sind die im Jahr 2013 in Kraft getretenen und als Basel III bekannten Vorschriften zur Regelung der Eigenkapitalbasis und der Liquiditätssituation für Banken. Ein weiterer Grund für die restriktivere Kreditvergabepolitik der Banken im kommunalen Versorgungsumfeld ist die Bewertung des Kreditausfallrisikos. Galten kommunale Versorger bisher als nahezu risikolose Kreditnehmer, so hat sich diese Einschätzung durch mehrere Insolvenzen beziehungsweise wirtschaftliche Schieflagen in der Stadtwerkelandschaft in den letzten Jahren negativ entwickelt.Die Verknappung der Kreditmittel bedeutet für die Stadtwerke, dass der Finanzierung von Investitionen sowie des laufenden operativen Betriebs zukünftig deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Dies beginnt mit der Anzahl der für die Finanzierung angefragten Kreditinstitute und mündet in der Vorlage von bankenfähigen Businessplänen. Banken erwarten detaillierte – insbesondere zukunftsgerichtete – Informationen seitens des potenziellen Kreditnehmers, um entsprechende Analysen (zum Beispiel Cash-flow-, DSCR-, Projektwert-Analyse) zur Beurteilung der Kreditfähigkeit, Risikoeinschätzung und im Hinblick auf die Finanzierungsstruktur (Kredithöhe, Laufzeit, Tilgung) erstellen zu können. Klare Aussagen erforderlichEine transparente und fundierte Aufbereitung der zukünftigen Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ist somit essenziell für eine gute Bonitätsbeurteilung und leistet einen wesentlichen Beitrag für eine erfolgreiche Darlehensaufnahme sowie “günstige” Zinskonditionen. Gerade dem Unternehmenscontrolling kommt im Rahmen der Informationsbereitstellung im Zuge des Kreditakquisitionsprozesses aber auch während der Kreditlaufzeit eine tragende Rolle zu. Neben diesen quantitativen Informationen sind darüber hinaus klare Aussagen zur strategischen Entwicklung der einzelnen Geschäftsbereiche und zur Rolle der Gesellschafter im Finanzierungsmodell erforderlich.Um in Zukunft erfolgreich Fremdkapital zu akquirieren, muss in erster Linie eine Voraussetzung erfüllt sein – eine solide und angemessene Eigenkapitalbasis. Der Finanzierungsbeitrag der Gesellschafter, das heißt der Anteil des Eigenkapitals an der Finanzierung der zukünftigen Investitionen, wird entscheidend sein für den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg der Energieversorgungsunternehmen. Gerade im regulierten, kapitalintensiven Netzgeschäft spielt die Eigenkapitalausstattung eine herausragende, ergebnisdeterminierende Rolle.Eine geringe Eigenkapitalquote wirkt sich negativ auf die Ergebnisentwicklung aus et vice versa. Grundsätzlich sollte die bisher geübte Ausschüttungspraxis vor dem Hintergrund der anstehenden Investitionsherausforderungen auf den Prüfstand gestellt werden. Energieversorgungsunternehmen führen regelmäßig einen hohen Anteil ihres Gewinns – im Mittel ca. 90 % – an ihre Gesellschafter ab. Im Vergleich dazu schütten börsennotierte Aktiengesellschaften in Deutschland im Mittel nur ca. 42 % ihres Gewinns als Dividende an die Aktionäre aus.Hohe Ausschüttungen sind generell ein Merkmal reifer Unternehmen in einem eingeschwungenen Zustand. Dieser Zustand war auch für die Energiebranche in der Vergangenheit kennzeichnend. Aber seit dem Jahr 2011 ist die Branche von dynamischen und strukturellen Veränderungen geprägt, Geschäftsmodelle müssen angepasst oder neu erfunden und notwendige Investitionsmaßnahmen finanziert werden. Heute säen, morgen erntenUm diesen Strukturwandel in den kommenden Jahren erfolgreich zu gestalten, wichtige Ergebnissäulen zu stabilisieren und neue Ergebnisquellen zu erschließen, benötigen die Unternehmen einen ausreichenden finanziellen Handlungsspielraum. Ein rein fremdfinanzierter Umbau der Energiewende wird nicht gelingen. Nur wenn die Gesellschafter in den nächsten Jahren einen angemessenen Finanzierungsbeitrag leisten, werden sie nachhaltig an Gewinnen ihrer (kommunalen) Energieversorgungsunternehmen partizipieren – getreu dem Motto “Heute säen, morgen ernten”.—-Christoph Beer, Certified Valuation Analyst und Partner bei Rödl & Partner und Christoph Spier, Consultant und Associate Partner bei Rödl & Partner