EU-Regulierung

Anbieter von ESG-Ratings müssen umdenken

Bewertungen zur Nachhaltigkeit werden für Unternehmen immer wichtiger, doch klare Regeln fehlen. Das will die EU-Kommission ändern – und trifft in der Finanzbranche einen Nerv.

Anbieter von ESG-Ratings müssen umdenken

Anbieter von ESG-Ratings müssen umdenken

EU-Kommission setzt Vorgaben für Nachhaltigkeitsbewertungen auf – Trennung von anderen Geschäftsfeldern – Versicherer und Fondsindustrie erfreut

Bewertungen zu den Nachhaltigkeitskriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) werden für Unternehmen immer wichtiger, doch klare Vorgaben fehlen. Das will die EU-Kommission ändern und gegen Interessenkonflikte vorgehen. In der Versicherungs- und Fondsindustrie trifft sie damit einen Nerv.

rec Brüssel

Die EU-Kommission nimmt sich den Markt für spezialisierte ESG-Ratingagenturen vor. Sie will Anbieter solcher Ratings für die Nachhaltigkeitskriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – kurz ESG – zu mehr Transparenz verpflichten. Außerdem schwebt ihr eine strikte Trennung von anderen Geschäftsfeldern wie Beratung und Prüfung vor, um Interessenkonflikte in der Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen auszuschließen.

Zu diesem Zweck schlug die EU-Kommission nun eine neue Verordnung vor. Mit ihr müssen sich jetzt EU-Staaten und Europaparlament auseinandersetzen, aus dem bereits erste Kritik laut wird. Im Falle einer Einigung greifen die Vorgaben unmittelbar für sämtliche Anbieter von ESG-Ratings in der Europäischen Union. Den Brüsseler Angaben zufolge sind es derzeit 59, davon komme die Hälfte von außerhalb der EU.

Der Markt für ESG-Ratings weise Mängel auf und funktioniere nicht ordnungsgemäß, heißt es im Gesetzentwurf. Der Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness zufolge ist dieses Geschäft in der EU bislang komplett unreguliert, obwohl es im Zuge des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft stark wächst. Es gehe darum, ESG-Ratings „transparent, vergleichbar und zuverlässig zu machen“.

EU-Kommission trifft einen Nerv

Ersten Reaktionen aus der Finanzindustrie nach zu urteilen, trifft die EU-Kommission damit einen Nerv. Vertreter der Versicherungs- und Fondsindustrie begrüßen das Vorhaben. „Es ist richtig, den ESG-Bereich zu regulieren“, findet Jörg Asmussen, Chef des Versicherungsverbands GDV. ESG-Agenturen seien ein wichtiges Bindeglied zwischen der Finanz- und der Realwirtschaft auf dem Weg zur Transformation. „Die Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz bei den Prozessen und Kosten der Agenturen werten wir klar positiv.“

Es ist richtig, den ESG-Bereich zu regulieren.

Jörg Asmussen, GDV

Auch beim Fondsverband BVI zeigt man sich erfreut. „Mehr Transparenz und damit mehr Wettbewerb bei ESG-Ratings ist dringend notwendig“, sagt ein BVI-Sprecher. Fondsanbieter versprechen sich geringere Lizenzkosten. „Die großen ESG-Rating-Anbieter verfügen über eine unverhältnismäßig große Marktmacht. Wir unterstützen daher, dass die EU-Kommission eine faire, angemessene und transparente Gebührenerhebung vorschlägt und die ESMA bei Verstößen Aufsichtsmaßnahmen ergreifen darf.“

„Absurd und kontraproduktiv“

Die für Wertpapiere und Marktaufsicht zuständige EU-Behörde spielt in den Plänen der EU-Kommission eine wichtige Rolle. Die ESMA soll dafür zuständig sein, Anbieter von ESG-Ratings zuzulassen und zu beaufsichtigen. Denn diese brauchen künftig eine Lizenz für die EU. Dafür will sie die Ratingagenturen zur Kasse bitten – eine Praxis, die Banken unter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) wohl bekannt ist.

Ein besonderes Augenmerk legt die EU-Kommission auf mögliche Interessenkonflikte. Sie stört sich daran, dass Anbieter von ESG-Ratings den von ihnen bewerteten Unternehmen gleichzeitig andere Finanzdienstleistungen anbieten können. Das soll künftig nur noch dann möglich sein, wenn die Ratinganbieter solche Geschäfte von der Vergabe von ESG-Ratings trennen. Bei Verstößen gegen diese und andere Auflagen drohen Geldstrafen bis zu 10% des Jahresumsatzes.

Für den CSU-Finanzexperten Markus Ferber sollte die EU-Kommission diesen Ansatz überdenken. „Das Modell einer ‚Stand-alone-ESG-Ratingagentur‘, das der Kommission als ideales Geschäftsmodell vorschwebt, engt den Pool potenzieller Anbieter enorm ein“, sagt Ferber. Etablierte Kreditratingagenturen, Anbieter von Benchmarks (Richtwerten) oder Rechnungsprüfer dürften künftig womöglich keine ESG-Ratings mehr anbieten – „das ist gleichermaßen absurd wie kontraproduktiv“. Womöglich könnten letztlich „deutlich weniger verlässliche ESG-Ratings in Europa zur Verfügung stehen“, fürchtet Ferber.

Derweil verzichtet die EU-Kommission darauf, Anbietern dezidiert vorzuschreiben, in welcher Weise sie Ratings zu erstellen haben. Im Vordergrund stehe mehr Transparenz, nicht die Methode hinter den Bewertungen, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Der BVI lobt die Zurückhaltung: „Es ist wichtig, die Vielfalt der ESG-Ratings zu erhalten und den Wettbewerb des Marktes zu stärken.“

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