LEITARTIKEL

Angst und Schrecken

Wer an ein wirklich gutes Banken- und Sparkassenjahr 2013 in Deutschland glaubt, muss auf einem anderen Stern leben oder zu viel Geld haben und vor lauter Verzweiflung über den grassierenden Anlagenotstand in Finanzwerten investiert sein. Abseits...

Angst und Schrecken

Wer an ein wirklich gutes Banken- und Sparkassenjahr 2013 in Deutschland glaubt, muss auf einem anderen Stern leben oder zu viel Geld haben und vor lauter Verzweiflung über den grassierenden Anlagenotstand in Finanzwerten investiert sein. Abseits des liquiditätsgetriebenen irrationalen Überschwangs, den man naturgemäß nicht ernst nehmen darf, war es freilich selten so schwer wie diesmal, Wohl und – vor allem – Weh der Branche für die neue Rechnungsperiode halbwegs verlässlich abzuschätzen. Mit diesem Problem sind aktuell nicht nur externe Beobachter konfrontiert. Auch die Akteure und Repräsentanten des Kreditgewerbes selbst tappen bei der Planung der Geschäfts- und Ertragsentwicklung weit mehr als sonst im Dunkeln. Sieht man von den unverbesserlichen Frohnaturen ab, die auf ein rasches Ende der Krise wetten, bewegt sich das Gros der Erwartungen in der Bandbreite von “halb so schlimm” bis “Annus horribilis”.So viel dürfte klar sein: Erstens werden die anhaltende Niedrig-, Null- oder sogar Negativzinsphase und andere unerquickliche Entwicklungen auf breiter Front deutlich spürbarer als noch im zurückliegenden Jahr in den Gewinn-und-Verlust-Rechnungen ankommen. Und zweitens werden zahlreiche Banken und Sparkassen auf die unvermeidlichen Ertragseinbußen sowie die kapital- und aufwandsintensiven neuen regulatorischen Anforderungen mit Einschnitten auf der Kostenseite reagieren, die vielfach über “Anpassungen”, wie man sie in der Vergangenheit immer wieder mal erlebt hat, weit hinausgehen und durchaus das Prädikat “drastisch” verdienen dürften.Die Branche mit ihren drei Säulen öffentlich-rechtlich, privat und genossenschaftlich war ja schon in der vermeintlich guten alten Zeit nicht gerade durch die Bank auf Rosen gebettet. Auch in der Vorkrisenära haben viele der gut 2 000 deutschen Geldhäuser im echten Kundengeschäft wenig bis nichts verdient, sondern lebten nicht zuletzt von der Anlage ihres Eigenkapitals und von der Fristentransformation. Das Eigenkapital, soweit einigermaßen sicher investiert, wirft aber im von Staatsschuldenkrise und Euro-Rettung bestimmten Zinsumfeld nur noch Kinkerlitzchen ab – umso weniger, je mehr höherrentierliche ältere Anlagen nun auslaufen. Und auf einer “Zinskurve”, die ja heute keine Kurve, sondern eine flach verlaufende Linie ist, lässt sich schwer mit Laufzeiten spielen. Bei den Zinsüberschüssen werden zweistellige Rückgänge in diesem Jahr keine Seltenheit sein, soweit der Ausgleich nicht aus dem Wachstum der Kreditnachfrage gelingt. Immerhin kommt der Branche diesmal noch entgegen, dass ihr Wertberichtigungsbedarf auf gewerbliche wie auf private Finanzierungen in aller Regel äußerst überschaubar bleiben dürfte. Das Provisionsgeschäft wird indes den Schwund auf der Zinsseite kaum kompensieren können: “Es ist Aktienhausse, und keiner geht hin”, bringt ein Sparkassenchef die Lage auf den Punkt. Den Spruch kann man auch auf die eigenen Investments etlicher lokaler Institute beziehen, denen der Risikoappetit schon wegen der neuen Bewertungs- und Kapitalunterlegungsvorgaben vergeht.Derweil hat die eine oder andere Bank weiterhin Schrott in furchterregender Dimension in den Büchern, für den es keinen Markt gibt und den sie mutmaßlich nie wieder loswird. Das gilt keineswegs nur im privaten Lager. Auch die Sparkassen, die für sich genommen in den allermeisten Regionen zwar Ergebnisrückgänge einpreisen dürften, aber auch dank komfortabler Eigenkapitalpolster weit von Katastrophenstimmung entfernt sind, müssen jederzeit gewärtigen, dass hoch im Norden ein neuer Fall WestLB aufpoppen könnte – mit unkalkulierbaren Folgen. Bei den Kreditgenossen richtet man sich unterdessen darauf ein, dass – getrieben von Kosten, vom Wettbewerb und von der von kleineren Häusern nicht mehr zu bewältigenden Regulierung – eine Legion von Primärinstituten durch eine neue Fusionswelle von der Bildfläche verschwindet. Und manches traditionsreiche Privatbankhaus steht womöglich auch längst nicht mehr ganz so glänzend da, wie es in den vergangenen Jahren den Anschein zu erwecken versuchte.Gewiss wird es anno 2013 auch im Kreditgewerbe Inseln der mehr oder weniger Glückseligen geben. Aber ein gutes Bankenjahr sieht anders aus. Seit Jahrzehnten wird über den Umbruch der Branche philosophiert. Jetzt kommt er mit Macht. In manchen Belegschaften ist von “Angst und Schrecken” die Rede. Deutsche Bank und Commerzbank zum Beispiel dürften alsbald mit massenhaftem Stellenabbau Ernst machen. Der branchenweite Strukturwandel wird schmerzhaft sein, manche meinen: brutal. Aber, das mag das Tröstliche am Bankenjahrgang 2013 sein, auch aus dieser Neuordnung werden neben Verlierern ein paar Gewinner hervorgehen.——–Von Bernd Wittkowski ——- Nur unverbesserliche Frohnaturen können in Deutschland ein wirklich gutes Bankenjahr erwarten. Der Umbruch kommt mit Macht und wird schmerzhaft.