Anklage in Defensive im Deutsche-Bank-Prozess

Gericht stellt Exaktheit von Protokollen in Frage

Anklage in Defensive im Deutsche-Bank-Prozess

mic München – In dem Betrugsprozess gegen teils ehemalige Deutsche-Bank-Manager lässt das Landgericht München Distanz zur Anklage erkennen. Richter Peter Noll vermied zwar bei der Befragung des Richters Guido Kotschy, dessen Urteil gegen das Kreditinstitut in Sachen Leo Kirch die Basis für eine Schadenersatzzahlung an die Erben des Medienunternehmers war, eine explizite eigene Einschätzung. In der fünfstündigen Befragung des Zeugen machte er jedoch deutlich, dass dessen zusammenfassende Protokollierung von der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht (OLG) in wesentlichen Punkten abweiche von parallel gefertigten wörtlichen Mitschriften der Deutschen Bank und Kirch. Der kleine UnterschiedNoll betonte, es gehe nicht darum, Kotschy eine falsche Protokollierung vorzuwerfen. Zugleich hielt er seinem Kollegen ein rundes Dutzend Mal Diskrepanzen vor. Beispielsweise habe dieser eine Aussage von Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig zur Kontaktaufnahme mit Kirch protokolliert mit den Worten, sollten Murdoch oder andere ein Interesse haben, die Bank zu mandatieren, dann sei sie frei. “Da tue ich mich schwer, das in der Niederschrift zu finden”, sagte Noll. Bei einer Aussage des Ex-Vorstandschefs Rolf Breuer habe Kotschy protokolliert, es sei nicht beschlossen worden, aktiv auf Kirch zuzugehen. Der Zusatz, um Geschäfte anzubahnen, sei entfallen. “Das ist natürlich ein Unterschied”, so die Feststellung Nolls.Breuer-Verteidiger Norbert Scharf hatte zuvor festgestellt, es seien Kernaussagen verkürzt und sinnentstellend protokolliert worden. Er beantragte ebenso wie weitere Verteidiger, das Wortprotokoll als Beweismittel zuzulassen.Kotschy wies mehrfach darauf hin, die Angeklagten hätten die Protokolle genehmigt. Während er anfangs erklärte, die Aussagen seien vorgelesen und nur von Joe Ackermann am Laptop genehmigt worden, erklärte er später, alle Angeklagten hätten am Bildschirm gelesen.Noll wies darauf hin, dass in zwei Fällen – dabei einer Zeugenaussage – ein Zusatz (wenn es eine Anfrage “von dritter Seite” gegeben habe), von einem Anwalt in die Aussage eingeführt worden sei. Anders als im Zivilprozess, so Nolls Hinweis an anderer Stelle, gehe es im Strafverfahren darum, ob Angeklagte persönlich verantwortlich seien für ihre Aussagen – also um die subjektive Schuld.Nolls Fragen zielten auch darauf, mit welchen Annahmen im Hinterkopf Kotschy die Zeugen einvernahm bezüglich des Streitpunkts, ob die Bank ein Beratungsmandat von Kirch wollte. Die Frage sei, ob die sogenannte Konditionalität – also ein Aktivwerden nur dann, wenn ein Kirch-Interessent vorstellig werde – isoliert betrachtet werden könne vom Willen, ein Mandat zu erhalten. Damit zielte Noll auf die inhaltliche Konstruktion des OLG-Urteils.Erstmals berichtet Kotschy, dass die Deutsche Bank anlässlich des Vergleichsbeschlusses die Aussagen von Breuer in zwei Schriftsätzen abgeändert habe. Dies sage er, “um der Sache die gesamte Breite zu geben”.