Anlagestrategien der Hochvermögenden

Warum sich der zweite Blick für Privatanleger lohnt

Anlagestrategien der Hochvermögenden

Carl von WredeHead of Global Family Office Germany and Austria bei UBSWer sich in Fachblättern über Anlagestrategien informiert, findet selten eine spezifische Angabe, für welche Investorengruppe sich die Empfehlungen nun eigentlich eignen. Den Kreis der Hochvermögenden schließen Sie zumindest oftmals nicht ein. Verwunderlich ist das nicht, ist doch die Zahl der Milliardäre weltweit relativ niedrig und ihre Bedürfnisse in der Regel so besonders, dass sich Asset-Allokationen und Portfolio-Strategien erheblich von denen der Privatanleger unterscheiden. Und dennoch lässt sich viel von dieser kleinen Gruppe lernen. Dafür sprechen allein schon die Zahlen in einer der volatilsten Zeiten der Kapitalmärkte: Nachdem das weltweite Gesamtvermögen bis April 2020 im Vergleich zum Vorjahr zuerst gefallen war, erlebte die globale Milliardärspopulation während der V-förmigen Markterholung bis Juli 2020 einen Vermögensanstieg um rund 28%. Ende Juli belief sich das Vermögen der 2189 Milliardäre weltweit auf rund 10,2 Bill. US-Dollar. Auf den ersten Blick laden diese Zahlen jedes Jahr wieder Neider und Bewunderer zugleich zum Staunen ein. Dabei lohnt es sich gerade für Anleger, einen zweiten Blick auf ihre Strategien zu wagen.Aus der gelebten Praxis und unserer jährlichen Befragung wissen wir, dass sich erfolgreiche Family Offices einerseits zur strategischen Vermögensallokation bekennen und zugleich mit taktischen Portfolioveränderungen die erhöhten Marktschwankungen zu ihrem Vorteil nutzen. So haben beispielsweise 55% der befragten Family Offices zwischen März und Mai 2020 ihre Portfolios rebalanciert, um an ihrer langfristig ausgerichteten Asset-Allokation festhalten zu können. Das durchschnittliche Portfolio war dabei stark diversifiziert, mit rund 59% der Assets in traditionellen Anlageklassen (darunter 29% in Aktien) und rund 35% in alternativen Anlageklassen. Gerade Letztere werden von der deutlichen Mehrheit zunehmend als entscheidender Renditetreiber gesehen.Disziplinierter Fokus, Diversifikation und ein vergleichsweise ausgeprägter Risikoappetit haben sich für den Kreis der Hochvermögenden also schon im letzten volatilen Jahr als gute Leitplanken erwiesen und viele unter ihnen bislang erfolgreich durch die Pandemie navigiert. Ein tieferer Blick kommt dem Erfolgsrezept jedoch noch näher. Denn selbst innerhalb der globalen Milliardärspopulation haben sich nach Pandemieausbruch frappierende Unterschiede in der Vermögensentwicklung hervorgetan: Die Innovatoren und Disruptoren in den durch Covid-19 rasant wachsenden Bereichen wie Technologie und Gesundheitswesen verzeichneten seit Pandemieausbruch den mit Abstand höchsten Vermögenszuwachs. Allein zwischen April 2018 und Juli 2020 konnte diese Gruppe ihr Vermögen um 17% auf rund 5,3 Bill. US-Dollar steigern. Das Vermögen derer, die zwar hochvermögend, aber eher in nichttechnologiegetriebenen Bereichen wie etwa Real Estate beheimatet sind, wuchs im Vergleich dazu um nur 6% auf rund 3,7 Bill. US-Dollar. Nach Sektoren betrachtet, befanden sich die meisten Profiteure im Technologie- (94%) und Gesundheitsbereich (71%). Innovationen in diesen Sektoren wurden vor allem durch neue Verbrauchertechnologien und durch Services wie künstliche Intelligenz, Cloud Computing und Software as a Service vorangetrieben. Im Medizinbereich waren insbesondere neue Arzneimittelentdeckungen, Innovationen im Bereich Diagnostik und Medizintechnik sowie in letzter Zeit von Covid-19-Behandlungen und -Geräten zu beobachten.Auch vor der Pandemie waren die meisten dieser Bereiche schon auf die Agenda vieler Anleger gerückt. Covid-19 hat den digitalen und technologischen Wandel jedoch so rasant beschleunigt, dass Investoren in den letzten Monaten doppelt profitieren konnten: Zum einen hielten sich die kurzfristigen Ertragseinbußen in Grenzen, während sich die langfristigen Ertragsperspektiven teilweise deutlich verbesserten. Zum anderen hat ein nachhaltig niedriges Zinsniveau die Bewertung von stabilen und wachsenden Unternehmen überproportional erhöht. Wer nun auf diese Elite, ihre Anlagestrategien und letztlich ihr Vermögen schaut, sollte aber auch deren positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft nicht vergessen. Neben Rekordspenden zur Bekämpfung von Covid-19 beobachten wir beispielsweise eine weiter steigende Aktivität im Bereich Impact Investing. Gerade die jüngere Generation ist mehr denn je daran interessiert, mit einem strategischen Engagement nachhaltige Veränderungen zu fördern. Vor allem aber werden die innovativen Geschäftsmodelle der Milliardäre im Gesundheits- und Technologiebereich einen großen Anteil daran haben, wie wir gemeinsam aus der Krise hervorgehen – und damit auch neue Chancen für Privatanleger eröffnen.