Anlegen in der Coronakrise

Strukturelle Wachstumstrends setzen sich fort - Stabilität und Qualität gefragter denn je

Anlegen in der Coronakrise

Klaus NaeveLeiter Wealth Management Deutschland bei BerenbergDie internationalen Finanzmärkte sind durch das Coronavirus und den Ölpreisschock durcheinandergerüttelt worden wie selten zuvor. Die weitere Entwicklung ist schwierig zu prognostizieren. Dementsprechend stellt sich auch für Anleger natürlich die Frage, wie es weitergehen könnte. Hat die nachhaltige Erholung begonnen? Lohnt es sich, wieder einzusteigen? Unserer Meinung nach sollten langfristig denkende Investoren die aktuelle Situation in der Tat als Chance begreifen – dies zeigen viele Untersuchungen. So hat das Deutsche Aktieninstitut berechnet, dass wer von 1990 bis 2010 monatlich in den Deutschen Aktienindex Dax investiert hat, sich am Ende über eine durchschnittliche jährliche Rendite von 6,8 % freuen konnte. Und das, obwohl gleich zwei Krisen in diesen Zeitraum fielen. Dennoch muss man genau hinschauen. Die Chancen auf überdurchschnittliche Renditen sind zwar hoch, genauso aber die Risiken. Am Aktienmarkt ergeben sich die größten Erholungschancen oft zunächst in den am meisten betroffenen Branchen. Der Flugverkehr zum Beispiel könnte sich deutlich erholen und damit auch die Unternehmen, deren Geschäft davon betroffen ist. Welche Unternehmen und Aktien aber nachhaltig profitieren, hängt auch stark davon ab, wie der Exit aus dem Shutdown erfolgt und wie und ob sich das Bewusstsein der Konsumenten strukturell verändert hat. Deshalb sollte man bei der Bilanzqualität genau hinsehen, ob die Firmen diese Phase auch finanziell durchhalten. Bei der Kapitalanlage geht es letztendlich darum, Unternehmen zu entdecken, die sich besser als der breite Markt entwickeln und Erfolgsgeschichten schreiben. Schlagwort ist dabei Quality Growth. Diesen Ansatz verfolgt Berenberg in seinen Aktieninvestments und in seiner Vermögensverwaltung. Er steht dafür, Qualitätsunternehmen jeglicher Größe zu finden, die mit hohen Eigenkapitalrenditen und nachhaltigen Wachstumsraten über lange Zeiträume hinweg überzeugen – und das relativ unabhängig vom Wirtschaftswachstum. Allerdings ist es nicht einfach, solche Perlen zu finden, nicht zuletzt weil viele solcher Unternehmen im Bereich der Small und Mid Caps zu finden sind. Und was dies für eine Herkulesaufgabe ist, zeigt schon die Anzahl der gelisteten Firmen in Europa. Mit über 7 200 Vertretern des Mittelstands ist die Zahl doppelt so hoch wie in den USA. Aber auch im Bereich mittelgroßer Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung zwischen 5 und 20 Mrd. Euro sind einige schnell wachsende Firmen mit großem Potenzial zu finden. Ein weiterer guter Ansatz zur Aktienauswahl ist auch, auf strukturelle Wachstumstrends zu setzen, die sich langfristig auswirken werden, wie etwa die Digitalisierung oder der demografische Wandel. So gibt es auch etwa im deutschen Mittelstand Unternehmen, die letztlich von der derzeitig schwierigen Marktphase sogar profitieren können. Viele interessante Unternehmen zählen in ihren Bereichen zu den Technologieführern und sind Vorreiter im Bereich der Digitalisierung oder der Vernetzung von Maschinen. Zudem agieren sie in einem Markt mit hohen Einstiegsbarrieren. Da nun viele Unternehmen in diesen Zeiten stark auf ihre Kostenbasis achten, können solche Firmen ihren Kunden durch innovative und technologisch überlegene Produkte oftmals signifikanten Mehrwert bei den Kosteneinsparungen ermöglichen und somit selbst weiter solide wachsen. Dieser Ansatz bekommt in der aktuellen Phase sogar zusätzlich großes Gewicht: Denn jede große Krise hat strukturelle Verwerfungen mit sich gebracht und Trends verstärkt oder neu geschaffen. Dies deutet sich auch für Corona an. Denn der Lockdown hat dazu geführt, dass viele Menschen ihre Verhaltensweisen verändern, teils freiwillig, teils gezwungenermaßen. So nutzen mehr Menschen als zuvor den Onlinehandel, sie kaufen nicht mehr nur Bücher, Elektronik oder Anlageprodukte, sondern auch verstärkt Lebensmittel oder Kochboxen im Netz. Auch nimmt die Bedeutung von kontaktlosem Zahlen zu. Zudem könnte die Coronakrise auch der Digitalisierung einen zusätzlichen Schub verleihen: Die Bedeutung von mobilem Arbeiten und Webkonferenzen nimmt deutlich zu. Ärzte nutzen verstärkt die Möglichkeiten der digitalen Sprechstunden, und auch das Bildungssystem bewegt sich in Richtung digitale Schule oder digitale Universität. Sollte die Welt wieder in ihren normalen Rhythmus zurückkehren, ist es fraglich, ob diese neu gewonnenen digitalen Freiheiten wieder zurückgedreht werden. Auch das Gesundheitssystem könnte sich durch die Coronakrise verändern: Die Menschen könnten gesundheitsbewusster werden, die vielfach auftretende Unterversorgung mit Schutzkleidung und Krankenhausbetten könnte verstärkte Investitionen nach sich ziehen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Wissenschaftler warnen, dass eine solche Pandemie kein einmaliges Ereignis bleiben dürfte. Aber auch viele bestehende Unternehmen dürften die Krise als Chance begreifen. Denn Qualitätsunternehmen mit starken Marktpositionen, hohen Eintrittsbarrieren, überdurchschnittlicher Rentabilität und starken Bilanzen weisen bei Marktabschwüngen ein geringeres Risiko auf. Vor allem haben sie aber die Möglichkeit, zu reinvestieren und ihren Marktanteil zu vergrößern, wenn sich die Wirtschaft erholt. Somit ist dies – so paradox es klingt – nun sogar ein Umfeld, das solche Wachstumswerte begünstigt. Viele Marktführer aus der Technologiebranche und dem Gesundheitssektor sind zwar relativ gut durch die Marktverwerfungen der letzten Wochen gekommen, dennoch haben auch sie Federn lassen müssen. Hier ergeben sich auch Investitionschancen für Anleger. Gerade im Vergleich zu den Anleihemärkten oder auch Immobilien sind sie sogar äußerst attraktiv bewertet. Stabilität und Qualität sind also mehr gefragt denn je. Dass dieser Ansatz funktioniert, zeigt auch ein Blick in die Welt der Investmentfonds. Produkte, die einen Quality-Growth-Stil verfolgen, haben sich relativ besser behauptet als andere Investmentvehikel. Für Langfristinvestoren hat die aktuelle Krisenlage also zu einer hochspannenden Situation geführt: Sie können hochinteressante Unternehmen zu günstigen Kursen einkaufen. Und diese Unternehmen selbst können von der Krise sogar profitieren und somit langfristig noch besser wachsen.