GASTBEITRAG

Anlegerschutz unter Mifid II bedarf digitaler Lösungen

Börsen-Zeitung, 3.6.2017 Der Anlegerschutz in der Finanzbranche spielt eine immer größere Rolle. Dies wurde nicht zuletzt auf der diesjährigen Jahrespressekonferenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) deutlich. Der Präsident...

Anlegerschutz unter Mifid II bedarf digitaler Lösungen

Der Anlegerschutz in der Finanzbranche spielt eine immer größere Rolle. Dies wurde nicht zuletzt auf der diesjährigen Jahrespressekonferenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) deutlich. Der Präsident der BaFin, Felix Hufeld, verwies auf die verheerende Finanzkrise 2007/2008 als Folge einer zu laxen Regulierung. Anstatt nun auf Deregulierung zu setzen, solle zunächst geprüft werden, welche Reformen denn die gewünschte Wirkung entfaltet hätten. In diesem Zusammenhang wird wohl auch ein besonderes Augenmerk auf die Beaufsichtigung der Implementierung der Finanzdienstleistungsrichtlinie Mifid II gelegt werden, und hier speziell auf den Bereich der Produktüberwachungspflichten (Product Governance). Einen Vorgeschmack auf die zukünftige Aufsichtspraxis dürfte auch das Verbot der riskanten Finanzdifferenzkontrakte (Contracts for Difference, CFD) geben. Ob man dies befürwortet oder nicht, mag dahinstehen; eins ist jedoch deutlich, die Aufsichtsbehörde wird zukünftig verstärkt von ihren Produktinterventionsrechten für einen verbesserten Anlegerschutz Gebrauch machen.Aber zurück zur Finanzdienstleistungsrichtlinie Mifid II: Die Vorgängerrichtlinie Mifid Ihatte der Gesetzgeber vor knapp zehn Jahren in nationales Recht überführt. Als grundlegender Rechtsrahmen für den Handel mit Finanzinstrumenten enthältdie Mifid II gegenüber der Mifid I nun eine deutlich dichtere Regulierung. Vollen Zyklus überwachenDie Einführung von Produktüberwachungspflichten ist hier eine der weitreichendsten Neuerungen mit Auswirkungen für den Anleger. Die Prozesse, die dazu einzurichten sind, setzen zeitlich schon an, bevor Anbieter eine Wertpapierdienstleistung erbringen, nämlich bei der Erstellung eines Finanzinstruments. So soll die Aufsicht den gesamten Produktzyklus eines Finanzinstrumentes einheitlich kontrollieren können. Die künftig verlangte Bestimmung des Zielmarktes für ein Finanzinstrument soll fördern, dass Anleger mit Finanzprodukten versorgt werden, die zu ihnen passen. Der Zielmarkt soll bereits vom Hersteller in der Produktkonzeption definiert werden und dann beim Vertrieb Berücksichtigung finden. Um dies sicherzustellen, wird eine Kommunikation zwischen Hersteller und Vertrieb erforderlich, die es bislang so nicht gegeben hat und die beide Seiten vor neue Herausforderungen stellt. Die Zeit drängt, denn die Vorgaben müssen bis zum Januar 2018 umgesetzt sein. Eine IT-basierte Kommunikationsplattform könnte hier des Rätsels Lösung werden. Eine Abstimmung zwischen Herstellern und Vertriebskanälen wird zu einer Verbesserung des Angebots dem Kunden gegenüber führen. Hier wird der Schutz der Anlegerinteressen konkret.Neue Regulierung, die eine Implementierung neuer Prozesse erfordert, ist naturgemäß eine Zusatzbelastung für Finanzdienstleister. Da die Neuerungen im Product-Governance-Bereich jedoch die Schnittstelle zum Endkunden betreffen, sollten diese als Chance begriffen und die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden. Eine digitalisierte Kundenansprache im Online- und/oder Offline-Modus wird sowohl dem Hersteller als auch dem Vertrieb neue Möglichkeiten eröffnen. Der Datenanalyse und der Online-Erfassung von erforderlichen Informationen wird eine größere Wichtigkeit beigemessen werden, da eine analoge, papierbasierte Erfassung von Daten und Informationen häufig dem eigentlichen Ziel der Regulierung nicht mehr gerecht wird.Durch die verbesserte Konnektivität und Vernetzung über Daten und Informationen kann zum Beispiel direkt auf ein Marktgeschehen oder besondere Ereignisse reagiert werden. Eine digitale Auswertung der Kundeninformationen und -daten ermöglicht es so im Sinne des bezweckten Anlegerschutzes, den Kunden und seine Anlagesituation besser zu verstehen und dieser gerecht zu werden. ZuwendungsdebatteDieses Ziel ist der Kern der Geeignetheitsprüfung, die unter Mifid II überarbeitet und neu gestaltet werden muss. Es spricht aber noch mehr für eine digitalisierte Geeignetheitsprüfung mit Zusatzwert. Ermöglicht der Vertrieb dem Endkunden den Zugang zu einer breiten Palette geeigneter Finanzinstrumente, inklusive einer angemessenen Anzahl von Produkten von Drittanbietern, so kann dies bereits die Entgegennahme von Provisionen rechtfertigen. Die sogenannte Zuwendungsdebatte, wie die Entgegennahme von Provisionen durch eine Verbesserung der Qualität der Dienstleistung dem Kunden gegenüber gerechtfertigt werden kann, wird in diesem Stadium der Kundenansprache entschieden. Der Einsatz IT-basierter Zusatzdienstleistungen wird die Rechtssicherheit für die Zulässigkeit der Entgegennahme von Provisionen festigen. Wer hier die Gleise richtig stellt, wird mehrere Ziele gleichzeitig erreichen.—-Peter Lohse, Managing Director Lexcube GmbH