Anleihen aus Schwellenländern bieten attraktive Renditen

Die Spreads von Hochzinspapieren liegen noch über Vor-Corona-Niveaus

Anleihen aus Schwellenländern bieten attraktive Renditen

Als Reaktion auf die Pandemie um Covid-19 haben weltweit Regierungen und Zentralbanken mit beispiellosen fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen geantwortet, was die Renditen entwickelter Märkte wieder unter null rutschen ließ. Dies führt dazu, dass Anleiheanleger sich anderweitig umsehen müssen, um Renditen zu finden. Glücklicherweise bieten Schwellenländeranleihen immer noch eine Fülle von Möglichkeiten – zumal die Spreads nach wie vor über Vor-Corona-Niveaus liegen und die Fundamentaldaten solide erscheinen. Während jedoch Investment-Grade-Titel bereits stark abgegrast sind, bietet das Hochzinssegment weitgehend ungenutztes Potenzial. Beginn eines neuen ZyklusWährend sich die Spreads von Schwellenländeranleihen auf erhöhten Niveaus bewegen, haben sich die Märkte stabilisiert und das technische und fundamentale Umfeld bietet Anlegern zahlreiche Gelegenheiten, langfristige und risikobereinigte Erträge auf überdurchschnittlichem Niveau zu erzielen.Obwohl das Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 weltweit eingebrochen ist, schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Schwellenländern im Vergleich zu den Industrieländern nur halb so schwer ausfallen wird, da die Rückkehr zum Wachstum im Jahr 2021 dort schneller vonstattengehen dürfte.Auf der einen Seite scheint die Pandemie die Volkswirtschaften der Schwellenländer aufgrund einer weit jüngeren Bevölkerung und weniger strengen Sperrmaßnahmen nicht derart getroffen zu haben, wie es in vielen entwickelten Länder der Fall ist. Auf der anderen Seite sind die Gesundheitssysteme aufstrebender Wirtschaften weniger gut gegen die Pandemie gerüstet und können eine Abflachung der Kurve weniger effizient umsetzen. Insgesamt, so der IWF, dürfen die Schwellenländer jedoch auf deutlich bessere oder zumindest weniger schlechte Wachstumserwartungen für das Jahr 2020 blicken. Doch auch das kommende Jahr dürfte den Schwellenländern mehr Wachstum bringen, als den entwickelten Ländern. Dazu kommt, dass Schwellenländer solidere Bilanzkennzahlen vorweisen können, was sich bereits darin zeigt, dass Schwellenländer eine geringere Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP haben, als es bei den G4-Staaten der Fall ist. Zwar ist der Zugang zu Kapital für Schwellenländerunternehmen heute etwas schwieriger als vor der Krise; die Liquiditätsschwemme schafft jedoch Abhilfe.Die Erholung von schweren Rückschlägen an den Anleihenmärkten erfolgt in der Regel in drei Phasen. Zuerst orientieren sich Anleger an hochwertigen Ländern und Titeln. Dies haben wir in den vergangenen Monaten gesehen: Der Aufschwung von Anleihen entwickelter Länder setzte mit den Investment-Grade-Anleihen (AAA-BBB) ein, als die Anleger versuchten, von den Prämien zu profitieren, die nach dem Ausverkauf in höherwertigeren Titeln zu erzielen waren. Sobald diese Prämien nicht verfügbar sind, wechseln die Anleger in einer zweiten Phase zu Hochzinstiteln der Industrieländer. In der dritten Phase erholen sich die Schwellenländeranleihen – auch hier beginnend mit höherwertigen Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen – gefolgt von Hochzinstiteln.Dieses Phänomen ist aktuell in vollem Gange. Die Spreads von Schwellenländeranleihen hatten Ende Februar ihren Höhepunkt erreicht, erholen sich seit Ende März jedoch wieder. Dies zeigt, dass die Anleger ihren Fokus auf Schwellenländeranleihen verlagert haben, da sie nach Renditen und weiteren Verengerungen der Spread suchen.Aufgrund der starken Outperformance von Investment-Grade-Ländern nehmen die Renditemöglichkeiten in diesem Segment rapide ab. Hochzinsemittenten hingegen bieten mit Spreads von 650 Basispunkten und starkem Spread-Verengungspotenzial immer noch viele Gelegenheiten für Anleger. In den Schwellenländern hat sich die Ausweitung der Spreads zwischen Investment-Grade- und Hochzinsanleihen seit dem Ausbruch der Coronakrise nur um etwa 60 % verringert, während sich die Spreads in den USA und Europa bereits um 95 % bzw. 90 % eingeengt haben. Vor den US-Präsidentschaftswahlen haben sich die Anleger noch zurückgehalten, diese Gelegenheit zu nutzen, und haben mit Positionen in hochqualitativen Titeln Vorsicht walten lassen. Jetzt da die Wahlen vorbei sind, wenden sich die Anleger zunehmend dem Hochzinssegment zu, was zu einer starken Performance in diesem Segment geführt hat, die sich auch in naher Zukunft fortsetzen dürfte. Als Beispiel in diesem Bereich sehen die Bahamas attraktiv aus. Auch wenn der Tourismussektor des Landes durch Covid-19 hart getroffen wurde, ist das Land aufgrund seines international wichtigen Bankensektors widerstandsfähig. Darüber hinaus dürfte das sorgfältige Krisenmanagement des Landes den Weg für eine kräftige Erholung ebnen, sobald der internationale Reiseverkehr wieder in Gang kommt. Gegenwärtig werden die Anleihen des Landes mit hohen Spreads gehandelt, obwohl es sich um ein Land handelt, das laut der Ratingagentur S&P bis vor kurzem noch Investment Grade war und jetzt BB- ist. Da es sich jedoch um eine Position außerhalb gängiger Benchmarks handelt, sind sich nur wenige Investoren des Potenzials des Landes bewusst.Die aufkeimende Konjunkturerholung und die deutliche Verbesserung der Fundamentaldaten dürften eine Verengung der Kreditrisiko-Spreads begünstigen. Unterdessen werden die Renditedifferenzen mit hoher Wahrscheinlichkeit weit von den Tiefständen aus dem ersten Quartal 2020 entfernt bleiben, da sie sich bereits erheblich verengt haben.Allerdings sollten sich Anleger bewusst sein, dass die Flut nicht alle Boote hebt. Bei Staats- und Unternehmensanleihen sind gleichermaßen eine wachsende Zahl von Ausfällen zu beobachten. Wie in den Industriestaaten werden Ausfälle und Restrukturierungen von nun an wohl zunehmen – Sambia ist hier Beispiel, das kürzlich einen Ausfall bekannt geben musste. Eine Verschlechterung bei einzelnen Titeln könnte sogar die Spreadverengung auf Benchmark-Ebene begrenzen.Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es in den Schwellenländern zwar zu Ausfällen kommt, diese aber seltener sind als allgemein angenommen, und die Folgen sind in der Regel weniger schwerwiegend als in entwickelten Ländern. Tatsächlich sind Konkurse in den Schwellenländern um etwa 25 % seltener als in den Industrieländern. Die meisten “Defaults” (55 %) sind in den Schwellenländern auf versäumte Zahlungen zurückzuführen.Die für Anleger allerdings wichtigste Frage sollte lauten: Bietet das Renditepotenzial einer Investition eine angemessene Kompensation für das eingegangene Risiko? Schwellenländeranleihen können diese Frage in Hinblick auf die derzeitigen Mittelbewegungen und Bewertungsniveaus mit einem klaren Ja beantworten. Luc D’hooge, Head of Emerging Market Debt bei Vontobel Asset Management