Anleihen bleiben trotz niedriger Zinsen interessant

Gestaltungsspielraum sorgt für Lösungen für die jeweiligen Anlagepräferenzen

Anleihen bleiben trotz niedriger Zinsen interessant

Fast die Hälfte des deutschen Geldvermögens liegt auf niedrig verzinsten Bankkonten. Zugleich bekunden viele Sparer, mit den sehr niedrigen Zinsen unzufrieden zu sein. Trotzdem befindet sich mit den Zinsanleihen eine ganze Anlageklasse auf dem Rückzug: Privatanleger halten derzeit nur noch rund 73 Mrd. Euro in diesem Anlagesegment, das in den vergangenen zehn Jahren bis zu 140 Mrd. Euro schwer war. Dabei sind die Gestaltungsmöglichkeiten von Zinspapieren so vielfältig, dass sich auch in der Niedrigzinsphase interessante Lösungen gerade für spezielle Anlageanforderungen bieten. Flexible TilgungsanleihenZinskupons von mehr als 1 % p. a. lassen sich derzeit nur mit längerfristigen Anlagen erzielen, die so mancher wegen der festen Bindung des angelegten Kapitals scheut. Tilgungsanleihen bieten einen Ausweg aus diesem Dilemma: Sie zahlen das angelegte Kapital nicht erst bei Fälligkeit, sondern sukzessive schon während der Laufzeit zurück. Somit erhält der Investor neben den regelmäßigen Zinszahlungen zusätzlich Kapitalrückzahlungen. Der Tilgungsmodus kann ganz unterschiedlich gestaltet werden und so verschiedenen Anforderungen an den Liquiditätszufluss gerecht werden. Beispielsweise kann die Tilgungsanleihe als Auszahlplan dienen, um wiederkehrende Ausgaben zu bestreiten. Einmal angenommen, ein Investor weiß schon heute, dass er in den kommenden zehn Jahren regelmäßig, z. B. vierteljährlich, den Betrag von 1 000 Euro benötigt. Gleichzeitig will er sein Geld verzinslich anlegen, ohne sich ständig darum kümmern zu müssen. Die Lösung ist einfach: Er kauft einmalig eine Tilgungsanleihe für 40 000 Euro und erhält dann jedes Vierteljahr den gewünschten Betrag, in diesem Fall 2,5 % des angelegten Geldes, plus Zinsen auf das noch gebundene Kapital. Der Kupon ist wegen der langfristigen Laufzeit deutlich höher als im Geldmarktbereich, wenn auch nicht ganz so hoch wie bei einer vergleichbaren Anleihe ohne Tilgung. Denn dort steht der Emittentin das volle Kapital bis zum Laufzeitende zur Verfügung, was sie entsprechend vergütet. Andererseits reduziert sich mit jeder Tilgung das Bonitätsrisiko der Emittentin. Schließlich kann der Investor bei diesem “Auszahlplan” jederzeit über das noch gebundene Kapital verfügen und die Tilgungsanleihe täglich über die Börse verkaufen. Hierbei sind – je nach Zinsentwicklung – Kursrisiken zu berücksichtigen. Eine Variante der Tilgungsanleihe schaltet am Anfang tilgungsfreie Jahre vor, so dass diese Alternative solchen Investoren entgegenkommt, die zwar heute eine größere Summe zur Anlage zur Verfügung haben, aber erst in einigen Jahren Ausgaben erwarten.Flexibel erweist sich die Tilgungsanleihe nicht nur bezüglich der Verfügbarkeit des Kapitals, sondern auch gegenüber Zinsänderungsrisiken: Wer heute mit steigenden Zinsen rechnet, ist nicht mit seinem gesamten investierten Kapital bis zum Laufzeitende “gefangen”, sondern kann die freiwerdenden Gelder sukzessive in Papiere mit lukrativerer Verzinsung investieren und auf diese Weise sogar die Gesamtrendite seiner Anlage erhöhen. Entsprechend gilt natürlich umgekehrt, dass im Falle noch weiter sinkender Zinsen der Gesamtertrag fallen könnte.Auf einen ganz anderen Aspekt der Anleiherendite stellen Inflationsprodukte ab. Auch wenn es derzeit “gefühlt” ebenso wenig Inflation wie Zinsen gibt – die Fakten sprechen eine andere Sprache: Im August 2015 lag die Inflationsrate bei 0,1 % und damit über dem aktuellen (Stand: 22. September 2015) zweijährigen Kapitalmarktzins von 0,056 %. Zumindest bei Geldanlagen mit dieser Frist droht somit eine schleichende Entwertung. Die entscheidende Frage ist allerdings, wie sich die Teuerung längerfristig entwickelt. Bekanntlich gibt es kaum ein volkswirtschaftliches Problem, das so kontrovers diskutiert wird wie dieses.Jeder Investor wird sich hier seine Meinung bilden. Für diejenigen, die mit einem Anstieg des Preisniveaus rechnen, bieten sich grundsätzlich zwei Arten von Papieren an, um ihr Zinsdepot vor Inflation zu schützen: Die sogenannten Inflationsanleihen erhalten die Kaufkraft der Zinsen, indem deren Höhe auf unterschiedliche Weise an die Entwicklung der Teuerungsrate gekoppelt wird. Zu Grunde gelegt wird hierbei jeweils der sogenannte unrevidierte Harmonisierte Verbraucherpreisindex in der Eurozone ohne Tabakwaren (HVPI) als Maß für die Preisveränderungen. Verbreitet ist die Variante einer Mindestverzinsung plus einem Zinsaufschlag, der abhängig von der Inflationsentwicklung ist.. Diese wird jährlich ermittelt durch einen Vergleich des Inflationsindexstandes zu Beginn und am Ende der Zinsperiode. Je größer der Preisanstieg, desto höher der Aufschlag auf den Mindestzins. Gab es keine Teuerung oder gar eine Deflation, erhält der Anleger den Mindestzins. Am Laufzeitende erhält der Anleger sein Kapital zu 100 % zurück.Der zweite Typ, die sogenannten Realzinsanleihen, gewähren einen vollen Inflationsausgleich sowohl für die Zinserträge als auch für den Anlagebetrag. Diese Produktausgestaltung weisen beispielsweise die meisten Staatsanleihen, wie die Inflationsanleihen des Bundes, auf. Sie “konservieren” die Kaufkraft zum Emissionszeitpunkt. Als laufender Ertrag wird ein Realzins vorgegeben, zum Beispiel 0,5 % p. a. Dieser wird dann für das entsprechende Verzinsungsjahr mit dem Quotienten aus dem Indexstand zum Zinszahlungstermin geteilt durch den Indexstand zum Emissionszeitpunkt multipliziert. Somit steigt der Zinsertrag, wenn die Preise steigen, bzw. sinkt, wenn die Preise fallen. Der Realzins aber, als Zins nach Inflation, bleibt konstant. Analog wird mit dem eingesetzten Kapital verfahren: Bei Endfälligkeit werden die 100 % mit dem Quotienten aus dem Inflationsindex zu diesem Zeitpunkt und dem Indexstand bei Emission multipliziert. Wichtig ist hierbei, dass auch im Falle einer Deflation 100 % zurückgezahlt werden. Bonitätsrisiken kombinierenInflations- und Realzinsanleihen, die am deutschen Markt übrigens nur von einigen wenigen Emittenten angeboten werden, unterscheiden sich im Ergebnis bezüglich ihres Auszahlungsprofils. Vereinfacht gesagt zahlt die Inflationszinsanleihe schon während der Laufzeit ungefähr das aus, was die Realzinsanleihe bis zur Fälligkeit kumuliert. Dies liegt darin begründet, dass für Erstere jeweils die Preisveränderung innerhalb der einzelnen Zinsperioden betrachtet wird, während sich die Realzinsanleihe immer auf den anfänglichen Indexstand bezieht. Mit welchem Produkttyp man letztlich besser fährt, hängt von den persönlichen Präferenzen ab. Sollte sich während der Laufzeit nur eine geringe oder gar keine Preissteigerung ergeben, erzielt der Anleger mit der Inflationszinsanleihe etwas höhere Erträge, da der Mindestzins üblicherweise über dem Kupon der Realzinsanleihe liegt.Höhere Renditechancen angesichts historisch niedriger Zinsen bieten risikobewussten Anlegern Zinspapiere, die das Bonitätsrisiko von zwei Schuldnern in einer Anleihe kombinieren. Bei Bonitätsanleihen setzt der Anleger zum einem auf ein Referenzunternehmen und dessen Fähigkeit, Zinsen zu zahlen und die Anleihe bei Fälligkeit zu tilgen, sowie zum anderen auf die Zahlungsfähigkeit der Emittentin. Die Gesamtrendite ergibt sich somit aus dem aktuellen Marktzins plus einer Prämie für das zusätzliche Risiko des Referenzunternehmens plus einer Verzinsung für die Geldüberlassung an die Emittentin. Das Bonitätsrisiko in Bezug auf das Referenzunternehmen ist dabei klar definiert: Wenn dieses insolvent wird, seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann oder diese neu ordnet (z. B. indem es niedrigere Zinsen zahlt), erhält der Anleger sein eingesetztes Kapital nur anteilig zurück.Bonitätsanleihen können mit unterschiedlichen Kuponstrukturen ausgestattet werden: Setzt der Anleger beispielsweise auf langfristig steigende Zinsen, entscheidet er sich für eine variabel verzinsliche Variante. Will er sich hingegen die Zinshöhe von Anfang an sichern, ist eine Stufen- oder Festverzinsung die beste Wahl. Auch bei den Referenzunternehmen kann der Anleger wählen. Damit bestimmt er mittelbar auch die Ertragschancen des Investments. Denn der zu erwartende Zinsertrag der Bonitätsanleihe steigt bzw. fällt, abhängig von der Bonität des Referenzunternehmens. An der Börse handelbarWährend es für kurzfristige Geldanlagen derzeit am Markt nur nennenswerte Zinsen gibt, wenn man ein neues Konto eröffnet, offerieren Geldmarktzins-Anleihen einen festen Kupon auf interessantem Niveau. Dieses von nur wenigen Emittenten angebotene Produkt hat einen Anlagehorizont zwischen sechs und 24 Monaten. Die Zinszahlung erfolgt einmalig zum Laufzeitende zusammen mit der Kapitalrückzahlung. Eine weitere Besonderheit besteht zusätzlich darin, dass die Anleihe jederzeit über die Börse verkauft werden kann.Es lohnt sich, die Anlageklasse Zinsprodukte – trotz der derzeit niedrigen Zinsen – im Blick zu behalten. Je nach Ausgestaltung bieten Zinsanleihen mehr als “nur” Zinsen: Sie ermöglichen flexible Lösungen, um individuelle Anlagepräferenzen abzubilden.—Felix von Campe, Senior Structurer Retail Products bei der HSH Nordbank