GASTBEITRAG

Anreize für die Wohneigentumsbildung

Börsen-Zeitung, 3.12.2019 Bezahlbarer Wohnraum ist die neue soziale Frage. In der politischen Debatte stehen dabei meist Mietwohnungen im Fokus. Sie fehlen vor allem in den angespannten Ballungsräumen. Dass zur Lösung dieser Frage auch ein...

Anreize für die Wohneigentumsbildung

Bezahlbarer Wohnraum ist die neue soziale Frage. In der politischen Debatte stehen dabei meist Mietwohnungen im Fokus. Sie fehlen vor allem in den angespannten Ballungsräumen. Dass zur Lösung dieser Frage auch ein ausreichender Eigenheimbau gehört, bleibt jedoch oft unerwähnt. Dabei ist der Eigenheimbau die zentrale Säule des Wohnungsbaus.Mehr als 100 000 Wohneinheiten entstanden im vergangenen Jahr allein in Ein- und Zweifamilienhäusern, knapp 65 000 in Eigentumswohnungen – und weniger als 70 000 in Mehrfamilienhäusern. Die klassischen Häuslebauer leisten dabei einen wichtigen Beitrag zur Entlastung angespannter Wohnungsmärkte. Über Umzugsketten werden – empirisch belegt – durch neue Eigenheime innerhalb kurzer Zeit preiswertere Mietwohnungen für Durchschnitts- und Geringverdiener frei. Neue Eigenheime haben somit kaum geringere soziale Effekte als Mietwohnungen. Wichtige soziale FunktionWohneigentum hat aber noch andere soziale Komponenten. Erstens ist es der klassische Weg zur Vermögensbildung normalverdienender Menschen. In der gleichen Einkommensklasse bauen Wohneigentümer bis zum Renteneintritt im Durchschnitt sechsmal mehr Vermögen auf als Mieter, wie das Forschungs- und Beratungsinstitut Empirica ermittelt hat. Der Grund: Wohneigentümer sparen mehr als Mieter. Einige sagen “selbstverordnetes Zwangssparen” dazu. Dieser Vermögenseffekt wurde in diesem Jahr von der Deutschen Bundesbank bestätigt. Bei Vorstellung einer Vermögensbefragung hieß es: “Haushalte, die in einer in eigenem Besitz stehenden Immobilie leben, haben deutlich höhere Nettovermögen als Mieterhaushalte.”Während Immobilienbesitzer auf ein mittleres Nettovermögen von 277 000 Euro kamen, waren es bei Mieterhaushalten 10 400 Euro. In Zeiten, in den wir darüber diskutieren, ob die Spaltung zwischen Arm und Reich zunimmt und wie es gelingen kann, möglichst viele Menschen am ökonomischen Fortschritt teilhaben zu lassen, sollte man sich diese Zahlen genau anschauen. Natürlich ist dieser riesige Unterschied auch auf die unterschiedliche Haushaltsstruktur von Eigentümern und Mietern zurückzuführen, zum Beispiel hinsichtlich des Alters, der Haushaltsgröße, des Familienstands der Haushaltsmitglieder und des Einkommens. Vor allem aber liegt er doch in der Tatsache des Immobilienbesitzes begründet und der Bereitschaft, für Wohneigentum zu sparen.Zweitens wirkt Wohneigentum im Alter wie eine steinerne Zusatzrente. Wohneigentümer geben im Alter laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weniger als 20 % ihres Einkommens für ein warmes Zuhause aus; Mieter mehr als 30 %. Die eingesparte Miete ist dabei umso wichtiger, je geringer das Einkommen ist.Und die dritte soziale Komponente: Wohneigentum ist die bevorzugte Generationenvorsorge. Jährlich werden in Deutschland – wiederum nach Angaben des DIW – 200 bis 300 Mrd. Euro vererbt oder verschenkt. Etwa zwei Drittel davon gehen an die nächste Generation. Das durchschnittlich vererbte Vermögen pro Erbfall liegt – bei Herausrechnung der besonders großen Vermögen an die besonders Wohlhabenden – bei rund 240 000 Euro. Fast drei Viertel der vererbten Vermögen beziehen sich auf Ein- und Zweifamilienhäuser.Entlastung angespannter Mietwohnungsmärkte, Vermögensbildung für die Mitte der Gesellschaft, Zukunftsvorsorge für das Alter und Generationenvorsorge: Allein diese Gründe haben es mehr als gerechtfertigt, das Instrument Wohnungsbauprämie zu verbessern. Sie ist für viele junge Menschen der entscheidende Anreiz, frühzeitig mit dem Sparen für eigene vier Wände zu beginnen und notwendiges Eigenkapital aufzubauen. Billige Bauzinsen sind dafür kein Ersatz!23 Jahre lang wurden die Einkommensgrenzen bei der Wohnungsbauprämie nicht mehr an die Preisentwicklung angepasst. Viele ehemals Berechtigte sind deshalb inzwischen aus der Förderung “herausgewachsen”, ohne dass sie real mehr Geld in der Tasche haben als früher. Eine Krankenschwester im zweiten Berufsjahr verdient heute danach schon “zu viel”, um für die Wohnungsbauprämie berechtigt zu sein. Gleiches gilt für eine alleinstehende Erzieherin im vierten Berufsjahr oder einen Feuerwehrmann im dritten Berufsjahr. Wohnbauprämie ergibt SinnDabei ist die Wohnungsbauprämie für den Staat nicht nur vergleichsweise preiswert. Sie wirkt auch im gewünschten Sinn: Um sie zu erhalten, muss ein Vielfaches an Eigenleistung erbracht werden. Tatsächlich wird sogar weit mehr zurückgelegt: Wer Wohnungsbauprämie bekommt, spart im Schnitt über fünf Prozentpunkte mehr als ein vergleichbarer Haushalt ohne Prämie. Mehr Gespartes heißt weniger Schulden und damit eine geringere Zins- und Tilgungslast. Für viele normalverdienende Haushalte wird nur so mietfreies Wohnen im Alter möglich.Beschlossen wurde jetzt die Anhebung der Einkommensgrenzen von 25 600 Euro für Singles auf 35 000 Euro bzw. von 51 200 Euro für Verheiratete auf 70 000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen. Die förderfähigen Einzahlungen steigen von 512 bzw. 1 024 Euro pro Jahr auf 700 bzw. 1 400 Euro. Der Prämiensatz liegt künftig wieder bei 10 % (wie bis zum Jahr 2004) statt bei 8,8 %. Die Verbesserungen gelten ab dem Sparjahr 2021. Durch diesen “Inflationsausgleich” werden in den nächsten paar Jahren voraussichtlich rund eineinhalb Millionen Menschen neu anfangen, gefördert zu sparen.Mit der verbesserten Ansparhilfe rückt der Traum von eigenen vier Wänden insbesondere für junge Familien mit Kindern und mittleren Einkommen vielerorts wieder in greifbare Nähe – vielleicht nicht in Ballungsräumen, aber im Umland. Dorthin zieht es Familien angesichts explodierender Immobilienpreise schon seit Jahren. Und nicht zu vergessen: Deutschland besteht nicht nur aus sieben Top-Regionen, in denen sich die Immobilienpreise in den letzten acht Jahren mehr als verdoppelt haben. Die meisten Deutschen leben auf dem Land – und hier haben sich die Immobilienpreise maßvoll entwickelt.Hinzu kommt, dass Wohneigentumsbildung nach einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mittlerweile zu 60 % durch Erwerb von Gebrauchtimmobilien stattfindet. Anfang der 2000er Jahre lag dieser Anteil noch bei 33 %. Beide Effekte, die Abwanderung ins Umland und vermehrte Bestandskäufe, bezeichnet das BBSR als “Ausweichstrategien” von Baufamilien.Sozial treffsichere Sparanreize, die überproportionale Sparanstrengungen auslösen: Das sorgt nicht für weitere kurzfristige Impulse am Wohnungsmarkt, derer es aber angesichts einer voll ausgelasteten Bauwirtschaft und fehlenden Handwerkern auch gar nicht bedarf. Die Wohnungsbauprämie wirkt langfristig und konjunkturstabilisierend.Die Vorstellung, sich beim Eigenheimerwerb das Vorsparen zu sparen und angesichts von Mini-Bauzinsen alles auf die Karte Verschuldung setzen zu können, ist für Normalverdiener absurd. Und Sparen lohnt sich eben auch bei Mini-Guthabenzinsen. Geld, das nicht zur Seite gelegt wird, ist sonst nicht da, wenn man es braucht. Das Bewusstsein für den hohen Wert einer Sparkultur hat die Große Koalition mit ihrer Entscheidung gestärkt. Bernd Hertweck, Vorstandsvorsitzender, Verband der Privaten Bausparkassen e.V.