IM INTERVIEW: HANS-MARTIN KRAUS, CAPCO

"Apple Pay baut Brückenkopf für Deutschland"

Markttest in Frankreich mit PSD-2-Umsetzung für weitere Länder nutzbar - Banken müssen ab 2018 Infrastruktur für Kontodienste alternativer Anbieter öffnen

"Apple Pay baut Brückenkopf für Deutschland"

Apple Pay lässt sich Zeit mit dem deutschen Markteintritt. Spätestens mit Umsetzung der Zahlungsverkehrsrichtlinie PSD 2 dürfte es aber losgehen, sagt Hans-Martin Kraus von Capco.- Herr Kraus, Apple Pay ist in der Schweiz gestartet. Rückt der Start des mobilen Bezahldienstes in Deutschland damit näher?Die aus meiner Sicht relevantere Nachricht ist der Marktstart von Apple Pay in Frankreich. Die großen drei England, Deutschland und Frankreich machen 60 % des Zahlungsverkehrs im Sepa-Raum aus. Und Frankreich ist kein Land mit einer antiquierten Payment-Welt, wo ein Wallet (digitale Geldbörse) wie Apple Pay sofort einen zusätzlichen Nutzen stiften könnte. Von daher ist es sehr interessant, dass Apple Pay nun den französischen Konsumenten erobern will. Bislang hatte sich Apple Pay auf Zahlungsverkehrsmärkte konzentriert, die aus Verbrauchersicht große Convenience-Potenziale haben – allen voran die USA mit ihrem Schecksystem.- Und das ist ein Fingerzeig für die Annäherung an den deutschen Markt?Deutschland wäre logisch nicht zwingend der erste Markt für Apple Pay, weil er so bargeldintensiv ist. Aber alles, was Apple Pay in Frankreich lernt, kann das Unternehmen dann in hoher Geschwindigkeit in anderen europäischen Märkten umsetzen. Die bis 2018 stehende PSD-2-Infrastruktur lässt sich ja dann auf einen Schlag europaweit ausbauen. Frankreich ist nicht nur Brückenkopf, sondern Testmarkt. Und da alle deutschen Banken nach europäischem Standard die entsprechende PSD-2-Infrastruktur bis dahin aufgebaut haben müssen, bleibt für Apple Pay beim Erschließen weiterer Länder eigentlich nur noch ein Assimilations- und Marketingrisiko.- Aber werden sich deutsche Banken auf die bei Apple übliche Quote der Umsatzbeteiligung einlassen?So viel Umsatzbeteiligung ist da in einer Debitkartenwelt ja gar nicht. Für Apple dürfte das mehr eine Initiative sein, um mehr Nutzeraktivität auf das Smartphone zu bringen, indem man mittels Zahlfunktion einen weiteren Alltagsbezug liefert. Und man will die Nase vorn haben gegenüber Samsung. Die haben ja prompt reagiert mit Samsung Pay nebst einer Europastrategie sowie einer Akquisition in den USA.- Apple handelt also perspektivisch?So sieht es aus. Zu einem künftigen Zeitpunkt X mit dann sehr vielen Wallet-Nutzern sowie der PSD-2-Umsetzung besteht für Anbieter wie Apple die Möglichkeit, da mehr rauszuschneiden. Ab 2018 können Kontoinformations- und Zahlungsauslösedienste aufgeschaltet werden – und dann stehen die Kartenschemata unter Druck, weil Apple oder Partner günstiger und schneller sein können und Mehrwertdienste anbieten werden. Das ist wahrscheinlich auch der Hintergrund, weshalb Apple schon jetzt in einen großen Debitkartenmarkt geht.- Ist der deutsche Markt besonders schwierig? Das Scheitern von Yapital gilt als warnendes Beispiel.Yapital ist natürlich überall registriert worden – und man hatte einen Versandhandel mit einer großen Kundenbasis im Hintergrund. Was wir daraus gelernt haben, ist, dass der Status quo sich ohne exogene Faktoren, wie zum Beispiel Regulationen oder wahrnehmbare Kundenvorteile, nur schwer bewegen lässt.- Wie beurteilen Sie die Aussichten von Paydirekt?Das ist als Internet-Bezahlverfahren aufgesetzt. Etablierte Wettbewerber für Paydirekt sind insbesondere Paypal und Sofortüberweisung. Als Nummer 3 hat man es immer schwerer, eine vergleichbare Größenordnung zu erreichen. Es ist ein nicht zu unterschätzender Schulterschluss der deutschen Kreditwirtschaft. Die mittel- und langfristige Frage ist, ob Internet-Bezahlverfahren und Mobile Payment zwei getrennte Welten bleiben.- Im August kommen die technischen Standards der PSD 2. Rückt der damit verbundene Wandel dann noch stärker ins Bewusstsein?Es passiert schon jetzt ein tiefgreifender Sinneswandel in der Branche. Die strategische Dimension der PSD 2 wird überall verstanden, zum Beispiel spricht die Kooperation von Telefónica Deutschland mit Fidor Bank für sich. Andere deutsche Marktteilnehmer haben mit der Homebanking-Schnittstelle HBCI schon mit Frontloading begonnen. Eine bedeutende deutsche Bank hat kürzlich angekündigt, dass sie auf diesem Standard loslegt und mit Überarbeitung dieser Schnittstellenschicht entsprechende Strukturen schafft. Das Rennen ist eröffnet.- Wie sollen sich die Banken in dieser neuen Welt orientieren? Ist diese API-Welt Fluch und Segen gleichzeitig?Es gilt, die Chancen für sich zu nutzen und aktiv zu gestalten. Aus dem neuen Schnittstellen-Ökosystem dürften Aggregatoren entstehen, die Daten und Dienste bankübergreifend bündeln, um ganzheitliche Beratung anbieten zu können oder eine B2B-Plattform für Fintech zu sein. Viele Anwendungsmöglichkeiten bieten gerade für Banken eine neue Chance aufgrund ihrer Markenbekanntheit, der Vertrauenswerte und der großen Kundenstämme.- Wird das für den Verbraucher nicht unübersichtlich?Dass Neues entsteht, ist die Absicht des Regulators. Dieser hat angeordnet, dass eine Wettbewerbsinnovation vor das Konto zu schalten ist und damit ein von Banken unabhängiges Payment-System entsteht. Durch die damit verbundenen Marktmechanismen kann meines Erachtens deutlich mehr Verbraucherrelevanz entstehen als bislang.- Wird mit dem Aufkommen des Mobile Payment dann auch das Bargeld schrittweise zurückgedrängt?In vielen europäischen Ländern ist das Thema deutlich weiter. Allein die Adaption von P2P-Diensten wird an vielen Stellen den Einsatz von Bargeld überflüssig machen. Das wird von der WhatsaApp-Generation vorangetrieben. Und diese Welle wird sich am Ende schon in der Bargeldstatistik niederschlagen. Aber Deutschland wird in Europa die letzte Bastion des Bargelds bleiben.- Die Sparkassen haben mit Yomo das Projekt einer Smartphone-Bank gestartet. Was erwarten Sie von den Sparkassen bei Digitalisierung und Mobile Payment?Mit den Top-Personalien der vergangenen 18 Monate sind schon viele Weichen für Mobile Payment gestellt worden. An der Spitze beim DSGV steht jetzt ein erfahrener Kartenexperte. Paydirekt wird im Sektor von einem Fintech-Profi vorangetrieben. Auch das IT-Ressort beim DSGV ist sehr kompetent besetzt. Somit besteht jetzt eine Konstellation, die eine sehr genaue Wettbewerbssicht hat und weiß, dass mit dem hohen Kundenbestand jetzt eine historische Chance besteht, den digitalen Wandel vorteilhaft für den Sparkassensektor zu gestalten. Die Sparkassen können einen enormen Kundenbestand hebeln und haben jetzt starkes Innovationstalent an Bord.- Aber eigentlich müsste Yomo allen Sparkassen gehören, damit es zum Sektor passt. Müsste das dann nicht bei der Deka angedockt werden?Sie sprechen hiermit die Governance von Digital Ventures im Sparkassensektor an. Ob traditionelles Andocken hier generell richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Diese die Entwicklung von neuen strategischen Fähigkeiten bestimmende Governance muss neu gedacht und vor allem unter dem Aspekt Marktnähe und Innovationsrate gestaltet werden. Bewährtes nutzen – ja. Mein Rat wäre aber auch, keine Angst vor neuen Wegen zu haben.—-Das Interview führte Björn Godenrath.