Apple Pay ist das erste Opfer der neuen Plattformkontrolle
Von Björn Godenrath, FrankfurtWährend in Talkshows repetitiv darüber lamentiert wird, Deutschland und Europa seien Nachzügler in Sachen Digitalisierung und Plattformökonomie, haben die Parlamentarier im Deutschen Bundestag gehandelt. Mitte November wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Änderungsantrag für das Gesetz “zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie” eingereicht und am Freitag im Bundesrat beschlossen. In § 58a Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz heißt es nun, Anbieter einer “technischen Infrastruktur zum “Erbringen von Zahlungsdiensten” müssten ebendiese Infrastruktur Dritten zur Verfügung stellen. Schnittstellen öffnenDas heißt konkret: Ein Anbieter von Mobile Payment wie Apple müsste konkurrierenden Apps wie jenen der Sparkassen Zugang auf dem Gerät gewähren, um diese in das Betriebssystem iOS zu integrieren. Es geht also um eine Öffnung der Schnittstellen auf der Ebene von Hard- und Software, die von Plattformbetreibern wie Facebook, Google, Apple, Amazon, aber auch Alipay und Tencent abgeschirmt werden. Diese “Gatekeeper”-Stellung des Plattformetreibers führt zur Bildung von Monopolen in digitalen Ökosystemen, die sich bislang einer wettbewerbs- und kartellrechtlichen Kontrolle entziehen – auch wenn EU-Kommissarin Margrethe Vestager da schon einige Pflöcke eingeschlagen hat.Und diese Einschläge kommen näher für expansive Tech-Konzerne aus den USA und Asien, die in das europäische Bankgeschäft drängen und dabei gerne den elektronischen Zahlungsverkehr als Einfallstor wählen. Denn auch wenn § 58a Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz von PR-affinen Abgeordneten des Bundestages als “Lex Apple Pay” verkauft wurde, so geht dieser Gesetzesabschnitt doch weit über den Zahlungsverkehr hinaus. Denn es geht allgemein darum, dass ordnungsgemäße Verfahren geschaffen werden, konkurrierenden Anbietern mit ihren Dienstleistungen Zugang zu dominanten Plattformen zu verschaffen, so dass die Nutzer eine Wahl haben und nicht der Lock-in-Effekt perpetuiert wird.Dabei wollte die Bundesregierung eigentlich einen anderen Weg beschreiten, um die Öffnung der Schnittstellen zu bewirken. Noch im Frühjahr hieß es, man wolle dafür das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ändern. Das hatte eine Kleine Anfrage von “Bündnis 90/Die Grünen” ergeben, die wissen wollten, was der Start von Apple Pay und Google Pay für den Zahlungsverkehr bedeutet. In ihrer Antwort bekannte sich die Bundesregierung dazu, dass “wenn Unternehmen mit marktbeherrschenden Betriebssystemen/Plattformen ihre Schnittstellen nicht für alle Zahlungsdienstleister zur Verfügung stellen”, dies im Rahmen “der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht des Bundeskartellamts oder der Europäischen Kommission” adressiert werden könne. Und da ist Musik drin, steht doch 2020 für Deutschland die Umsetzung der EU-Richtlinie zur “Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden” (ECN+) an. PSD2-Neuregelung möglichDarüber hinaus hat das Bundesfinanzministerium im Blick, inwieweit die Zahlungsverkehrsrichtlinie PSD2 eines Updates bedarf. Hintergrund ist, dass zwischen Entwurf und Umsetzung der Richtlinie viel Zeit verging und man bei der Öffnung der Schnittstellen eigentlich nur an Fintechs als Bezugsquelle von Bankdaten gedacht hatte. Da nun aber Big Tech ins Bankgeschäft drängt, will man PSD2 dergestalt anpassen, dass Big Tech im Gegenzug ihre Schnittstellen öffnen muss. Diese Reziprozität im Datenverkehr hatte Levin Holle, Leiter der Abteilung Finanzmarktpolitik, im Sommer gefordert und bekundet, dass man an der Umsetzung arbeite. Mit dem § 58a Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz als Steilvorlage dürften in Berlin und Brüssel nun bereits die Köpfe rauchen, wie das auf EU-Ebene gehandhabt werden kann – und was man dabei über ein Update der PSD2 abdecken kann. Zu den verschlungenen Wegen der Gesetzgebung zählt ja auch, dass diverse Sachverhalte in dem Omnibus namens “Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie” gepackt wurden.Was auf gesetzgeberischer Ebene möglich ist bei der Reglementierung der Plattformwirtschaft, das hat Russland vergangene Woche vorexerziert. In der Duma wurde ein Gesetz verabschiedet, dem zufolge internetfähige Endgeräte wie Smartphones und Laptops nur noch mit vorinstallierten russischen Programmen ausgeliefert werden dürfen. Apple & Co werden also gezwungen, ihre Geräte mit Apps von Anbietern wie Yandex, ein großer börsennotierter Internetkonzern, auszustatten bzw. ihre bislang hermetisch abgeriegelten Betriebssysteme dafür zu öffnen. Yandex hat kürzlich dem Druck des Kreml nach staatlicher Überwachung nachgegeben und hat einem Statut zugestimmt, das dem Staat eine Goldene Aktie und damit Vetorechte gewährt. Digitale SouveränitätDabei folgt der Kreml dem großen Plan, ein eigenständiges Internet unter staatlicher Kontrolle in Russland zu schaffen – das souveräne Runet. Darüber hätte man in Europa früher verächtlich die Nase gerümpft. Heute strebt man zur Abwehr der Digitalgiganten nahezu vergleichbare Ziele an, auch wenn man natürlich keine totalitäre Überwachungsstruktur schaffen will, sondern auf Souveränität und damit Wettbewerbsfähigkeit mit amerikanischen und chinesischen Konzernen zum Beispiel in Cloud-Diensten dringt. Da die Regierungen dieser Länder aber nicht davor zurückschrecken, ihre technologische Dominanz als Hebel im geopolitischen Fingerhakeln einzusetzen, ist Europa gefordert, seine eigene Infrastruktur zu stärken, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein. Das schafft man über Investitionen in Innovationen sowie die Öffnung der Schnittstellen bei Big Tech für den reziproken Datenverkehr. Warum sollten nicht auch deutsche Banken und Sparkassen auf Amazon Kredite anbieten können?Doch zurück zum vermeintlichen “Lex Apple Pay”, das nun seiner Umsetzung harrt. Dieses regelt nur, dass Anbieter von “technischen Infrastrukturleistungen” für das “Erbringen von Zahlungsdiensten oder das Betreiben des E-Geld-Geschäfts” diese für Drittanbieter öffnen müssen – freilich ohne genau zu definieren, was “technische Infrastrukturleistungen” sind. Sprich der Adressenkreis ist offen. § 58a Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz dürfte allerdings bedeuten, dass Apple nicht mehr nach Gutdünken abkassieren darf: Im Payment werden bislang zu Lasten von Banken und Händlern 0,15 % vom Transaktionsumsatz einbehalten. Das ist eine Hausnummer im engmargigen Payment-Geschäft. Für Apple geht es aber um noch viel mehr, würden doch generell die App-Zusatzeinkünfte beschnitten.