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Asien ist für Versicherer bisher nur ein Traum

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 15.1.2019 Asien boomt auch in der Versicherungsindustrie. "Ohne China ist alles nichts", proklamierte beispielsweise das Allianz-Research im März 2017. Doch die Spitzenmanager der europäischen...

Asien ist für Versicherer bisher nur ein Traum

Von Michael Flämig, MünchenAsien boomt auch in der Versicherungsindustrie. “Ohne China ist alles nichts”, proklamierte beispielsweise das Allianz-Research im März 2017. Doch die Spitzenmanager der europäischen Branchengrößen sind desillusioniert, sie haben auf dem asiatischen Markt wenig erreicht.”Wir befinden uns immer noch in einer Aufholjagd”, umschrieb Allianz-Vorstand Oliver Bäte jüngst vor Investoren die Erfolglosigkeit seines Hauses. Sein Axa-Kollege Thomas Buberl versuchte sich ebenfalls in einer positiven Sichtweise der Fehlschläge. “Wir haben eine sehr gute Basis, aber wir können mehr daraus machen”, sagte er auf dem Axa-Kapitalmarkttag. Asien-Chef Gordon Watson, der seit Ende 2017 für den Konzern in der Region aufräumt, nahm bei gleicher Gelegenheit kein Blatt vor den Mund. Sein Urteil: “Axa hat in den vergangenen Jahren in Asien unterdurchschnittlich abgeschnitten.”Dies erstaunt. Schließlich haben die Europäer das Potenzial des Marktes in Fernost sehr früh erkannt. Die Allianz sei in der Region schon Anfang der neunziger Jahre aktiv geworden, referierte Bäte die Konzernhistorie auf dem jüngsten Kapitalmarkttag. Damals, als noch Helmut Kohl als Bundeskanzler fungierte, konnten die Münchner Repräsentanzen in Schanghai, Kanton und Peking eröffnen – und arbeiteten auf die erste Niederlassung der Allianz mit Versicherungslizenz in China hin. Mit Erfolg. Im Jahr 1999 startete sogar die Allianz China Life als erstes Joint Venture eines europäischen Versicherers, die Münchner erhielten die Mehrheit. Staatsversicherer dominierenDoch die Rahmenbedingungen erwiesen sich als widrig. In Asien gibt es sehr viele lokale Versicherer. Dies hat zwei Folgen: Erstens kennen sie die einheimischen Märkte exzellent und lassen den Europäern wenig Raum zur Expansion. Zweitens können die globalen Multis nicht durch wenige Zukäufe einen Markt aufrollen, weil den Akquisitionsobjekten die notwendige Masse fehlt. Besonders heikel ist die Lage in China. Dort blockte der Regulator jahrzehntelang jeden eigenständigen Schritt der Europäer ab und verhinderte den Zugang zu den lukrativen Geschäften. So schützten die Aufsichtsbehörden ihre früheren Staatsversicherer.Dass die Europäer bis heute nicht aufgegeben haben, hat einen einfachen Grund: Die Fleischtöpfe in der Region sind reich gefüllt. Der Versicherungsmarkt in 15 asiatischen Ländern ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 7 % per annum gewachsen. Damit kommt schon ein Drittel des weltweiten Beitragsvolumens aus der Region. Ein Blick auf das Jahr 2017 zeigt die Hebelkraft für die Versicherer: Die Beitragseinnahmen stiegen weltweit um 130 Mrd. Euro auf 3,7 Bill. Euro. Von dem Zuwachs lieferten 80 % die Schwellenländer, wobei zwei Drittel davon wiederum auf China entfielen.Besonders verlockend: Das Beste kommt erst noch. Während der durchschnittliche Asiate pro Jahr nur gut 300 Euro für seinen Versicherungsschutz ausgibt, sind es in der übrigen Welt fast 1 200 Euro, hat die Allianz in ihrer Studie “Globale Versicherungsmärkte – aktueller Stand und Ausblick bis 2027” errechnet. Das Nachholpotenzial ist also enorm. Axa-Asien-Chef Gordon Watson, der bereits seit zwei Jahrzehnten in der Region Geschäfte macht, prognostiziert ebenfalls rosige Perspektiven. Im Jahr 2025 würden die Beitragseinnahmen die Marke von 2 Bill. Euro knacken: “Das sind zwei Drittel mehr als in Europa.” Der Wachstumsmotor sei das Anschwellen der Mittelklasse. Denn 90 % jener eine Milliarde Menschen, die in dieser Zeit in die Mittelklasse aufstiegen, lebten in Asien. Zudem: China scheint seinen Markt seit November 2018 wirklich zu öffnen.Trotzdem sind die europäischen Konzerne relativ maulfaul, wenn es um ihre Position in der Region geht. Zurich hat zwar jüngst in Indonesien zugekauft, weiß jedoch im Bericht über die Geschäftsentwicklung 2017 nur zu sagen, dass die Präsenz in Asien-Pazifik an Größe und Bedeutung gewinne. Generali-Chef Philippe Donnet lobte auf dem Kapitalmarkttag im November Europa ausführlich als einen der attraktivsten Versicherungsmärkte und hatte für Asien lediglich wenige Worte übrig. Das gleiche Bild bei der Allianz: Sie ließ auf dem Kapitalmarkttag Ende 2018 zwar im Detail über Deutschland oder Osteuropa berichten, ersparte sich aber eine Präsentation über Asien. Nur Axa, wenngleich mit der eigenen Performance nicht zufrieden, rückte das Thema an erste Stelle. Schließlich sehen sich die Franzosen als den größten ausländischen Sach- und Lebensversicherer in China und als größten Sachversicherer in Hongkong. Probleme in ChinaBevor die Allianz eine große Asien-Story präsentiere, habe sie die Basis richten müssen, erklärte Bäte. In China habe man landauf, landab Probleme in den bisherigen Joint Ventures gehabt, in Thailand seien die Anteilsverhältnisse geändert worden. Grundsätzlich habe es sich als falsch erwiesen, ein kleiner Partner zu sein in einer großen Bancassurance-Kooperation. Dort könne man Gewinne zeigen, sehe aber nie Cash, weil dieses komplett an die Bank gehe. Auch sei es problematisch gewesen, in den falschen Produkten zu wachsen, die langfristige Risiken in Bezug auf die Asset Allocation hätten: “China ist ein sehr schwieriger und gefährlicher Ort in Bezug auf Lebensversicherungsprodukte.”Der Verzicht auf derartige Geschäfte führe zu einem kurzfristig niedrigen Wachstum, stelle aber sicher, dass die Allianz langfristig ein lebensfähiges Geschäft habe, sagte der Allianz-Chef. Nun pflanze der Versicherer Samen für die Zukunft. Allerdings blieben Nachteile. “Wir sind nicht stark genug in den Mega-Citys”, so die Diagnose von Bäte mit Blick auf Hongkong und Singapur: “Ich erwarte hier keine kurzfristige Veränderung.” Darum konzentriere sich die Allianz auf die Region, die ihre Märkte öffne: “Das ist China.”Dort hat die Allianz jüngst die erste Genehmigung der Aufsicht für eine Versicherungsholding erhalten, die komplett in ausländischem Besitz ist. Dies ermögliche, das komplette Geschäft inklusive Assetmanagement nach China zu bringen, sagte Bäte. Man erkunde weitere Optionen, nachdem die Regierung dem eigenen Land klargemacht habe, dass die Allianz hochwillkommen sei. Teils setzt die Allianz auch auf Partnerschaften mit Internet-Plattformen, um eine Skalierbarkeit zu ermöglichen.Axa, die einen Tag später als die Allianz die Übernahme von 100 % an einem chinesischen Versicherer (Axa Tianping) ankündigte, setzt in Asien künftig laut Watson drei Schwerpunkte: Das Agentur-Netzwerk soll ausgebaut, die Krankenversicherung intensiviert und die Marke stärker beworben werden. In der Lebensversicherung will Axa in Kombination mit der Bank ICBC weniger Einmalbeiträge akzeptierten. Dafür sollen mehr laufende Beiträge akquiriert werden, die als profitabler gelten.