SERIE: DIGITALE BÖRSENWELT (12 UND SCHLUSS)

Asien und Australien holen bei Fintechs ihren Rückstand schnell auf

Börsenbetreiber prüft Handel und Abwicklung über Blockchain - Politische Schwierigkeiten in China - Statt Kreditvergabe nur noch Vermittlung

Asien und Australien holen bei Fintechs ihren Rückstand schnell auf

Von Ernst Herb, HongkongDie fernöstliche Finanzbranche ist mit einiger zeitlicher Verzögerung zu Nordamerika und Westeuropa vom IT-getriebenen Innovationsschub erfasst worden. Grund dafür ist nicht in erster Linie, dass große asiatische Volkswirtschaften wie China, Indien oder auch Indonesien noch relativ junge Wachstumsmärkte sind. Japan, Südkorea oder auch Taiwan haben immerhin mit Sony, Samsung oder auch Acer im Hochtechnologiesegment weltweit führende Unternehmen hervorgebracht.Dass die Finanztechnologie in den fernöstlichen Märkten dennoch später Fuß fasste als im Westen, ist vor allem eine Folge der 1997 ausgebrochenen asiatischen Finanzkrise. Die bittere Erinnerung daran hinterließ einen vorerst wenig experimentierfreudigen Finanzsektor. Doch hat sich das mittlerweile gründlich geändert. Gemäß einer Umfrage der Silicon Valley Bank wird der asiatische Fintech-Markt im laufenden Jahr mit 22 % beinahe doppelt so schnell wachsen wie der europäische. Gemäß der “Financial Times” sind heute sieben der weltweit 50 erfolgreichsten Fintech-Unternehmen in China angesiedelt. Schwierige TrennungEs ist dabei aber sowohl in Asien als auch andernorts schwierig, Fintechs von den traditionellen Finanzintermediären zu trennen, wie ein Blick auf die Börsen zeigt. An den fernöstlichen Aktienmärkten wird der Handel längst über voll elektronisch gestützte Plattformen abgewickelt. “Es muss festgehalten werden, dass die Börsen bereits heute eigentliche IT-Unternehmen sind”, sagt Arjan van Veen, Analyst asiatischer Börsenbetreiber der Credit Suisse. Wie offen die ganze Region Asien-Pazifik mittlerweile gegenüber innovativen Finanzprodukten und Plattformen ist, offenbart ein Blick auf Australien und Indien. Laborrekord in MumbaiASX, der Betreiber der Börse Sydney, prüft gegenwärtig, ob sich die bisherige Handels- und Abwicklungsplattform durch Blockchain ersetzen lässt. Die Bombay Stock Exchange wiederum hat jüngst nach eigenen Angaben zumindest im Labor einen Rekord beim weltweit schnellsten Handel aufgestellt. Doch soll das nur eine Zwischenstufe sein. “Wir wollen in den kommenden drei Jahren die Geschwindigkeit von 200 Nanosekunden brechen”, sagte Chief Information Officer (CIO) Kersi Davadia vergangenen Oktober der indischen Nachrichtenagentur PTI.Dass gerade Indien in diesem Bereich eine Spitzenposition einnimmt, ist kein Zufall, spielt das Land im Fintech-Bereich mit Konzernen wie Infosys oder auch Tata Consulting seit langem eine wichtige Rolle. In Bangalore etwa, der Software-Kapitale Indiens, werden seit Jahren vor allem im Auftrag großer westlichen Finanzkonzerne innovative IT-Anwendungen entwickelt. Das ist auch der Grund dafür, dass sich in diesem Umfeld eine Vielzahl von Start-ups im Fintech-Bereich angesiedelt hat.Wie radikal innovative Technologie den Handel mit verändern, kann zeigt indes vor allem das chinesische Fintech-Unternehmen Lufax. Das von Pin Ang, dem größten privat kontrollierten Versicherer des Landes, kontrollierte Unternehmen trug mit seiner alternativen Finanzierungs- und Handelsplattform in der ersten Hälfte 2015 wesentlich zum Boom der chinesischen Börsen bei. Politische GrenzenDoch weist Lufax wenn auch nicht auf die technischen, so doch auf die politischen Grenzen von Fintechs hin. Nach dem Platzen der Blase im Juni 2015 intervenierte die Regierung mit drastischen Maßnahmen gegen eine ganze Reihe von zuvor erst durch Fintech möglich gewordenen Praktiken. Wie riskant das sein kann, beweist Ezubao, die größte der insgesamt 3 800 chinesischen Online-Banken. Die Polizei hat Mitte Dezember 2015 eine ganze Reihe von Ezubao-Managern offenbar wegen irregulärer Praktiken in Gewahrsam genommen.Ironischerweise wurde dieser Test gerade im autoritär regierten China durchlaufen. Denn möglich war der Einsatz dieser und zahlreicher ähnlicher alternativer Plattformen vor allem deshalb, weil in China der Finanzmarkt erst in einer frühen Phase steckt und damit die staatliche Aufsicht meist der Entwicklung hinterherhinkt. Das soll sich allerdings ändern. So sollen Fintech-Plattformen zukünftig nicht mehr selbständig Kredite vergeben können, sondern ähnlich wie Börsen lediglich Intermediäre zwischen Kapitalgeber und -nehmer sein. Es fragt sich, ob das primär die staatlich kontrollierten Banken schützen oder der Finanzstabilität dienen soll.Lufax plant in der zweiten Hälfte 2016 den Gang an die Börse in Hongkong (HKEx). Das könnte dem Unternehmen schätzungsweise 5 Mrd. Dollar in die Kasse spülen. Damit wäre wohl gezeigt, dass die traditionellen Handelsplattformen auch von Fintechs nicht so schnell verdrängt werden. Trend zur KooperationNach Meinung von Credit-Suisse-Analyst van Veen liegt der Trend eher darin, dass sich bestehende Börsen zusammenschließen oder zumindest enger zusammenarbeiten. Ohne Fintechs gäbe es diesen Trend nicht. Ein Beispiel ist Hong Kong Shanghai Stock Connect. Dadurch können seit Ende 2013 trotz der in Festlandchina bestehenden Kapitalverkehrskontrollen grenzüberschreitend Aktien gehandelt werden. An einer ähnlichen Brücke arbeitet die HKEx mit ihrer Tochter, der London Metal Exchange (LME).