„Auch Immobilienfonds werden wieder attraktiv“
Im Interview: Hans Joachim Reinke
„Auch Immobilienfonds werden wieder attraktiv“
Der Union-Investment-Chef über den Wertabschlag für einen Fonds im Juni und warum er mit dem Geschäftsverlauf seines Hauses sehr zufrieden ist
Im Juni löste der Wertabschlag des UniImmo Wohnen ZBI Debatten über Immobilienfonds aus. Union-Investment-Vorstandschef Hans Joachim Reinke erläutert, warum die Neubewertung nötig war. Und warum er trotzdem keine Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit von Investments in Wohnimmobilien hegt.
Herr Reinke, Ende Juni hat Ihr Haus für den Immobilienfonds „UniImmo Wohnen ZBI“ einen zweistelligen Wertabschlag vornehmen müssen. Was war seinerzeit operativ denn schiefgelaufen?
Operativ war nichts schiefgelaufen. Wir haben Mietsteigerungen in den investierten Objekten durchgesetzt und den Leerstand reduziert. Wir haben Projektentwicklungen abschließen können. Das hat alles funktioniert.
Trotzdem musste der Wert drastisch nach unten korrigiert werden.
Ja, und das tut mir auch für die Privatanleger und die beteiligten Banken leid.
Was hat den Wertabschlag ausgelöst?
Man muss da zwei Phasen unterscheiden. In der ersten Phase haben wir die Corona-Pandemie, den Ausbruch des Ukraine-Kriegs und den rasantesten Zinsanstieg seit 60 Jahren und die höchste Inflation seit 1949 erlebt. Damit einher gingen steigende Baukosten und eine völlige Transaktionsstarre bei Wohnimmobilien.
Wie hat sich das an den Märkten abgebildet?
Erst sind die Kurse börsennotierter Immobilienfirmen gesunken, dann die Projektentwickler in Probleme geraten. Und das hat negative Folgen für die Immobilien-Kreditportfolios von Banken gehabt. Natürlich haben diese Entwicklungen auch vor Offenen Wohnimmobilienfonds keinen Halt gemacht.
In welcher Form?
Seit dieser Zeit haben wir rückläufige Anteilspreise. Die berechnen sich nach dem Ertragswertverfahren, dessen Hauptfaktor der Liegenschaftszins ist. Der jähe Zinsanstieg hat sich dort niedergeschlagen. Soweit die erste Phase.
Und was geschah in Phase zwei?
Ab Januar 2024 haben Anleger Fondsanteile gekündigt, weil sie mit der Performance nicht zufrieden waren beziehungsweise höhere Renditen in alternativen Geldanlagen erzielen konnten. Deshalb hat sich für uns die Aufgabe gestellt, Liquidität für die Rücknahmen zu schaffen. Aber: Es gab kein entsprechendes Neugeschäft, und die Möglichkeiten der Fremdkapitalaufnahme sind begrenzt. Also musste der UniImmo Immobilien verkaufen.
Wie hoch waren die Abschläge, auf die sich der Fonds einlassen musste?
Einige opportunistische Käufer haben Abschläge von 25% bis 30% verlangt. Aber man darf ja nur oberhalb des Sachverständigenwerts verkaufen oder höchstens 5% darunter. Zu diesem Preis gab es aber keine Käufer. Deshalb musste der UniImmo Wohnen ZBI einen Wertabschlag vornehmen – von 16,7%.
Was heißt das für Anleger, die engagiert geblieben sind?
Wir gehen davon aus, dass die Werteinbußen ab 2026 wieder eingeholt werden – zumal sich die Schockstarre am Transaktionsmarkt langsam wieder entkrampft. Auf der Gewerbeseite haben wir bereits im ersten Halbjahr Objekte für 1,2 Mrd. Euro sehr erfolgreich verkauft – und zwar bisher zu Preisen über den Sachverständigenwerten.
Aber die Anleger haben nun erst einmal den jüngsten drastischen Wertverlust vor Augen, wenn sie an Offene Immobilienfonds denken.
Mag sein. Aber man darf dabei nicht übersehen, dass dieser Wertabschlag in einer von einer Transaktionsstarre gekennzeichneten außergewöhnlichen Marktsituation geschehen ist. Diese Marktphase, die wir da gerade erlebt haben, war nicht normal.
Soll das heißen: Sie sind für Offene Immobilienfonds schon wieder zuversichtlich?
Ja. Denn strukturell hat sich ja nichts geändert. Der Wohnungsnotstand ist noch größer geworden. Die Trends zu mehr Einzelhaushalten und zum Umzug in die Stadt halten an. Ich habe keinen Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit von Investments in Wohnimmobilien. Auch Immobilienfonds werden wieder attraktiv.
Was sind Ihre Lehren aus der ganzen Geschichte?
Niemand – und auch niemand in unserem Haus – hatte die schnelle Zinswende auf dem Radar. Die Lehre daraus lautet, dass wir künftig noch mehr Szenarien sondieren müssen.
Lassen Sie uns über Ihr Geschäft auch jenseits von Immobilienfonds sprechen. Wie ist das erste Halbjahr gelaufen?
Wir schreiben unsere eigene Konjunktur. Das Momentum ist sogar noch stärker als voriges Jahr. Das Neugeschäft hat sich verdoppelt.
Was heißt das in Zahlen?
Der Nettoabsatz ist von 5,7 Mrd. Euro auf 11,5 Mrd. Euro geklettert. Davon stammen 6,5 Mrd. Euro aus dem Absatz von Publikumsfonds, etwas mehr als im Vorjahr. Und 5 Mrd. Euro aus dem Neugeschäft mit institutionellen Anlegern, das damit wieder deutlich ins Positive gedreht hat.
Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
Ich bin damit sehr zufrieden. Der BVI meldet für die gesamte Branche bei Publikumsfonds ein Neugeschäft von 11,7 Mrd. Euro. Bei Union Investment sind es allein 6,5 Mrd. Euro. Damit bin ich natürlich zufrieden. Und ich bin insbesondere den Volksbanken und Raiffeisenbanken sehr dankbar, denn die machen ein Top-Geschäft da draußen.
Welche Publikumsfonds wurden zuletzt gekauft?
Fixed income ist gefragt. Wir haben 5,2 Mrd. Euro Nettoabsatz bei Rentenfonds, mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr. Daneben haben wir netto 2,0 Mrd. Aktienfonds verkauft. Der Absatz von Mischfonds und von Offenen Immobilienfonds ist derweil leicht rückläufig.
Welche Rolle spielen Sparpläne?
Die Zahl der Fondssparpläne ist deutlich gestiegen. Im ersten Halbjahr sind mehr als 100.000 neue Sparpläne hinzugekommen, die meisten davon in Aktien.
Die BVI-Bilanz zeigt branchenweit einen Abfluss aus aktiv gemanagten Aktienfonds und Zuflüsse in Aktien-ETF. Was ist Ihr Argument, um die Kunden in aktiv gemanagten Fonds zu halten?
Das gelingt uns deshalb, weil die Wertentwicklung überzeugt. Unsere Fonds haben im ersten Halbjahr 2024 die beste Performance der Wertpapiere – Aktien, Renten, Multi Asset – aller Zeiten erzielt.
Wie sieht es mit der institutionellen Kundschaft aus?
Das Geschäft mit den Genossenschaftsbanken war gerade in Zeiten der Zinswende schwierig. Was hingegen sehr gut läuft, ist sowohl das Auslandsgeschäft als auch das mit Kunden außerhalb des Verbunds.
Was ergibt sich aus Neugeschäft und Performance für das verwaltete Vermögen?
Die Assets under Management liegen per 30. Juni bei 486,9 Mrd. Euro, knapp 13% höher als ein Jahr zuvor.
Und was bedeutet das für Ihren Gewinn?
Wir laufen auf ein Ergebnis mindestens wie im vergangenen Jahr zu – trotz aller Herausforderungen.
Wie fällt Ihr Ausblick für das Umfeld des Fondsgeschäfts in den nächsten Jahren aus? Zwischenzeitlich hat es ja zuletzt an den Börsen ein wenig gescheppert.
Die jüngste Marktkorrektur hatte meiner Ansicht nach drei Gründe: Übertreibungen im Tech-Bereich wurden ausgepreist, in den USA hat sich das Wachstum verlangsamt, und in Japan ist der Yen etwas stärker geworden.
Und wie bewerten Sie diese Themen beim Blick nach vorne?
Wir halten Tech-Aktien gerade nach der jüngsten Korrektur für attraktiv, der US-Aktienmarkt ist intakt. Wir erwarten ein geringeres Wachstumstempo in den USA, aber keine Rezession. Und wir rechnen damit, dass die Bank of Japan noch vorsichtiger darauf achtet, wie sie agiert. Das zweite Halbjahr wird aus Sicht der Investoren allerdings insgesamt holpriger als das erste, allein schon wegen der US-Wahl.
DWS-Chef Stefan Hoops hat jüngst vor einem Bedeutungsverlust der Branche im Retailgeschäft gewarnt.
Das sehe ich ganz anders – vielleicht ja auch, weil Union Investment anders aufgestellt ist. Wir machen unser Geschäft mit aktiven Produkten. Unser regionaler Fokus im Retailgeschäft, das für uns große Bedeutung hat, liegt klar in Deutschland.
Aber sind Sie nicht besorgt, dass Fondsgesellschaften verstärkt zu Lieferanten von Bausteinen werden?
Ganz im Gegenteil. Wir bieten nicht nur Produkte, denn dann wären wir womöglich tatsächlich austauschbar, sondern Lösungen: Wir kümmern uns um die Grundbedürfnisse Anlegen, Ansparen und Streuen – und sind damit immer in der Beratung mit dabei. Und nun entwickeln wir uns zum Systemanbieter, indem wir Banken in sich geschlossene technologische Architekturen anbieten.
Sie rechnen also auch weiterhin mit Wachstum?
Ganz sicher, die Fondsbranche ist eine Wachstumsindustrie. Ich rechne in den kommenden Jahren mit Wachstumsraten von 4% bis 5%.
Was macht Sie so zuversichtlich, dass die Nachfrage nach Fondsprodukten hoch bleibt?
Die Treiber für Wachstum sind ungebrochen. Die Bevölkerung in Deutschland ist die reichste, die es je gab. Die Sparquote ist unverändert hoch mit mehr als 11%. Und es gibt die inhaltlichen Treiber.
Die da sind?
Demografie, Dekarbonisierung, Digitalisierung. Das Thema Altersvorsorge wird nicht kleiner – und es gibt eine Teilantwort der Politik darauf, die heißt Altersvorsorgedepot. Davon werden Ansparprozesse profitieren. Die Digitalisierung wiederum gibt uns die Chance, attraktivere Angebote zu entwickeln, die unser Wachstum ebenfalls unterstützen. Und wenn sich nachhaltige Fonds wieder besser entwickeln und wenn die Politik die Anlage in diese Fonds regulatorisch wieder einfacher handhabbar macht, entstehen dadurch ebenfalls zusätzliche Wachstumschancen.
Angesichts solcher aus Ihrer Sicht blendenden Wachstumsaussichten: Sie sind seit 2010 Vorstandsvorsitzender. Wie lange wollen Sie diesen Job noch ausfüllen?
Es macht mir weiterhin eine Riesenfreude. Und ansonsten werde ich von Jahr zu Jahr entscheiden.
Das Interview führte Detlef Fechtner.