Haftstrafe für Johannemann im Cum-ex-Prozess

„Auf das Tor in der Nachspielzeit“ gehofft

Im Frankfurter Cum-ex-Prozess sind die Urteile gefallen. Der Ex-Steueranwalt Ulf Johannemann soll dreieinhalb Jahre ins Gefängnis, der mitangeklagte Ex-Maple-Bank-Geschäftsführer Hagen W. erhielt eine Bewährungs- und eine Geldstrafe.

„Auf das Tor in der Nachspielzeit“ gehofft

„Auf das Tor in der Nachspielzeit“ gehofft

Im Frankfurter Cum-ex-Prozess gibt es eine Haft- und eine Bewährungsstrafe – Richter nimmt Steueranwalt Johannemann späte Reue nicht ab

Im Cum-ex-Verfahren in Frankfurt ist der ehemalige Steueranwalt Ulf Johannemann zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden – zwei Jahre weniger als vom Staatsanwalt gefordert. Der mitangeklagte Banker kam mit einer Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe davon. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

tl Frankfurt

Im Cum-ex-Verfahren vor der 24. großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt sind die Urteile gefallen. Der Angeklagte Ulf Johannemann erhält wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen drei Jahre und sechs Monate Haft. Hagen W., Ex-Geschäftsführer der Maple Bank, wurde wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu zwei Jahren verurteilt. Die Strafe ist dabei zu einer dreijährigen Bewährung ausgesetzt. Außerdem wurden eine Geldstrafe von 63.000 Euro und ein Vermögenseinzug von 1,9 Mill. Euro verfügt. Die Verurteilten gaben nach der Urteilsverkündigung keine Stellungnahme ab. Sie haben eine Woche Zeit, über Rechtsmittel zu entscheiden.

In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen „5/24 KLs-7480 Js 208433/21“ ging es um sogenannte Cum-ex-Geschäfte der inzwischen insolventen Maple Bank zwischen 2006 und 2009, durch die über die doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätssteuer ein Schaden für den Fiskus von 389 Mill. Euro entstand. Der Vorsitzende Richter Werner Gröschel machte in seiner Urteilsbegründung von Anfang an klar, dass es der Bank darum ging, „Steuervorteile zu generieren, die es eigentlich gar nicht gibt“, so eine interne Mail von 2006.

Um Feinheiten gekümmert

Johannemann, ab 2007 Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer und von 2016 bis 2019 Global Head of Tax, habe sich in der Rechtsberatung um die „Feinheiten“ gekümmert und die bankintern als „German Pair“ bezeichnete Strategie in mehreren Gutachten als steuerrechtlich zulässig bezeichnet. Dies war zwar im Sinne der Auftraggeber bei der Maple Bank in Frankfurt und auch im Sinne einiger Kollegen in der Kanzlei. Es gab aber auch andere Stimmen, betonte Gröschel. So habe ein Maple-Banker anfangs das Cum-ex-Prinzip als „intuitiv betrügerisches System“ bezeichnet und sich erst durch die Expertise von Johannemann entschlossen, die Strategie mitzutragen.

Der Steueranwalt und Steuerberater habe die wesentlichen Einzelheiten der von der Bank verfolgten Strategien gekannt, zieht Gröschel den Schluss aus den 30 Verhandlungstagen, ebenso vielen vernommenen Zeugen und einer „unfassbaren“ Datenmenge. Cum-ex-Geschäfte seien ohne Kapitalertragsteuer-Erstattung „wirtschaftlich völliger Unsinn“ gewesen. Es sei nur darum gegangen, „dem Staat in die Tasche zu greifen“, so Gröschel.

Anwalt kein Erfüllungsgehilfe

Er wehrte sich gegen die verbreitete Haltung, ein Anwalt müsse die Wünsche der Mandanten erfüllen. „Das steht nirgendwo.“ Johannemann sei auch nicht gezwungen gewesen, die Rechtsauffassung anderer Freshfields-Partner zu übernehmen. „Sie hatten objektiv und subjektiv die Möglichkeit, die Maple Bank anders zu beraten“, wandte sich der Richter direkt an den Steueranwalt. Spätestens nach dem Jahressteuergesetz 2007 hätte er seine Beratungslinie ändern können und auch müssen.

Johannemanns Geständnis Mitte Dezember 2023, in dem er die volle strafrechtliche Verantwortung für sein Tun übernahm, sei zwar „spät, aber nicht zu spät“ gekommen. Zuvor hatte Gröschel in einem Zwischenfazit eine Verurteilung als „hoch wahrscheinlich“ bezeichnet. Der Richter hatte allerdings schon 2019 in einem Haftprüfungstermin Johannemann empfohlen, zu einer „rückhaltlosen Tataufklärung“ beizutragen. Dies habe er nicht gemacht. Er habe wohl „auf das Tor in der Nachspielzeit gewartet“, sprich auf die Entscheidung eines Gerichts, dass Cum-ex doch rechtlich zulässig sein könnte. Die Gerichte bis hin zum Bundesgerichtshof und dem Bundesfinanzhof haben aber das genaue Gegenteil gestützt.

Frühe Reue von Hagen W.

Ganz anders hat sich der mitangeklagte Maple-Bank-Geschäftsführer Hagen W. verhalten. Er zahlte schon vor Prozessbeginn im Rahmen eines Vergleichs mit dem Insolvenzverwalter der Bank über 10 Mill. Euro und legte am zweiten Verhandlungstag ein umfangreiches Geständnis ab, was aus Gröschels Sicht einen „hohen Wert“ hat. W. sei mit Reue am Start gewesen. Bei der in Johannemanns Geständnis geäußerten Reue kam er zu einer anderen Bewertung. Er habe den Eindruck, reuig beziehe sich darauf, „dass Sie sich ärgern, dass Sie erwischt worden sind“.

Zulasten der Angeklagten wertete Gröschel nicht nur die hohe Schadensumme. Er konstatierte auch eine erhebliche kriminelle Energie, bandenmäßige Strukturen in der Maple Bank und sprach von „organisierter Kriminalität“. Gröschel verwies auf Johannemanns „zentrale Position“ in den Rechtsmittelverfahren der Finanzverwaltung, in denen es um die Rückerstattung von Kapitalertragsteuern ging. Er habe das Geschehen dort „gelenkt“ und die Einsprüche der Bank federführend verantwortet. Wäre dies eine eigenständige Tat gewesen, hätte der Angeklagte sogar als Mittäter – und nicht nur wegen Beihilfe – verurteilt werden können.

Land Hessen „ist untätig“

Zum Schluss setzte sich Gröschel noch kritisch mit der Rolle des Landes Hessen im Insolvenzverfahren der Maple Bank auseinander. Der Insolvenzverwalter habe laut einer Zeugenaussage schon vor Jahren eine Insolvenzquote von 60 bis 70% in Aussicht gestellt. Trotzdem sei das Land als einer der Hauptgläubiger bis heute untätig geblieben, so dass der Insolvenzverwalter inzwischen sogar eine Untätigkeitsklage überlege.

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