Auf dem Weg zum digitalen Ökosystem

Robo-Advisor gleicht Anfragen von Kunden mit Fördermöglichkeiten ab - Etablierte Institute und Fintechs ergänzen sich

Auf dem Weg zum digitalen Ökosystem

Der Fördersektor in Deutschland muss sich im Zuge der Digitalisierung auf weitreichende Anpassungen einstellen: Erhöhte Erwartungen von Kunden und Finanzierungspartnern, steigender Wettbewerb durch junge Finanz-Start-ups und aufstrebende Technologien verändern die Geschäftsprozesse. Viele Förderbanken stehen nun erstmals vor der Entwicklung einer Digitalstrategie. Doch wie stellt man sich erfolgreich für die Zukunft auf? Die Antwort liegt in den drei Dimensionen der digitalen Vernetzung. Momentan unruhige ZeitenDer Förderbankensektor durchlebt im Moment unruhige Zeiten. Die bisherigen Geschäftsmodelle werden durch die Digitalisierung und die daraus resultierenden veränderten Kundenbedürfnisse in Frage gestellt. In vielen Instituten stehen die bewährten Vertriebswege auf dem Prüfstand. Das Geschäftspotenzial, das Förderbanken bislang über den etablierten Kontakt zwischen Kunden und ihrer Hausbank genutzt haben, dürfte sich immer stärker auf digitale Kanäle verlagern. Ein Indiz dafür ist nicht zuletzt das schrumpfende Filialnetz der Hausbanken. 2003 gab es rund 50 000 Filialen – 2015 waren es nur noch rund 36 000. Die digitale Neupositionierung der Förderbanken steht vor der Tür.Hausbanken können sich im Moment sehr günstig bei der Europäischen Zentralbank (EZB) refinanzieren – dafür sorgt das weiter anhaltende Niedrigzinsumfeld. Sie haben aus diesem Grund derzeit wenige Anreize, Förderbanken in die Kreditvergabe einzubinden. Für die Förderbanken selbst ist das ein großes Problem, schließlich sind sie häufig noch auf die Hausbanken als Vermittler zum Endkunden angewiesen. In der neuen Welt drohen sie nun den Kontakt zum Kunden zu verlieren. Einen Ausweg bieten die drei Dimensionen der digitalen Vernetzung:- Vernetzung mit Finanzierungspartnern- Kooperationen mit Fintechs- Eigene Online-AbschlusskanäleIn der ersten Dimension entwickelt sich die klassische Vernetzung der Förderbanken mit Finanzierungspartnern hin zur digitalen Vernetzung. So sollte unter anderem ein webbasierter Antragsprozess für Fördermittel geschaffen werden. In der zweiten Dimension gehen die Förderbanken gezielt Kooperationen mit Fintechs ein. Diese könnten quasi als Co-Finanzierungspartner auftreten. Die Zusammenarbeit bringt weitreichende Vorteile für die Förderbanken mit sich. Mit Hilfe von technischen Schnittstellen (Application Programming Interface – API) ist eine nahtlose Verbindung von externen und förderbankinternen Systemen möglich. Dadurch können sich die Datenbanken der Fintechs mit denen der Förderbank verbinden, zum Beispiel zur Bonitätsprüfung. Zentraler ServiceEin zentraler Service, den Förderbanken mit Hilfe von Fintechs ihren Kunden anbieten können, ist der Einsatz eines Robo-Advisors. Dieser prüft automatisch eingehende Finanzierungsanfragen auf ihre Förderfähigkeit. Dabei wird über eine API die Anfrage des Kunden mit den Vorgaben der unterschiedlichsten Förderprogramme abgeglichen. Passen die Kriterien von Anfrage und Angebot zusammen, wird der Kunde darüber informiert. Er kann anschließend entscheiden, ob der das Angebot annehmen möchte oder nicht.Anbieter von Robo-Advisor verzeichnen seit einiger Zeit einen hohen Zulauf. So gibt es beispielsweise bereits Fintechs, deren Robo-Advisor-Lösungen speziell auf den Förderbedarf mittelständischer Unternehmen ausgerichtet sind – vom Kontokorrentkredit und klassischem Darlehen über Leasing und Factoring bis zu individuellen alternativen Finanzierungen. Die ersten Erfahrungen aus der Zusammenarbeit zwischen solchen Fintechs und Förderbanken sind sehr positiv und lassen das künftige Potenzial dieser Konstellation bereits erahnen.Berichten aus der Praxis zufolge sind zum Teil fast ein Drittel der eingestellten Anfragen förderfähig – rund 97 % der Kunden, die auf Fördermöglichkeiten hingewiesen werden, sind an ihnen interessiert. Dabei handelt es sich um Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, die in den meisten Fällen einen Jahresumsatz von mindestens 100 000 Euro erwirtschaften. Das angefragte Kreditvolumen liegt dabei fast zur Hälfte bei über 250 000 Euro. Der Clou für die Förderbanken: Sie profitieren nicht nur von vereinfachten Prozessen, sondern werden durch die Zusammenarbeit mit Fintechs unabhängiger von der Beratungsleistung der Hausbanken. Darüber hinaus erreichen sie eine neue Kundengruppe: die Digital Natives.Die dritte Dimension der digitalen Vernetzung umfasst ein eigenes, innovatives Online-Angebot. Dieses beinhaltet unter anderem ein ansprechendes Design der Internetseite, die an sämtliche mobile Endgeräte angepasst ist. Im Idealfall bietet sie Video- oder Chatberatungen an, die einen unkomplizierten Kundenservice ermöglichen. Im Fokus sollten digitalisierte Förderprodukte stehen, die ohne viel Bürokratie – online – in Anspruch genommen beziehungsweise abgeschlossen werden können. Mit diesen eigenen Online-Abschlusskanälen können Kunden Förderinstrumente losgelöst von Dritten beantragen und anschließend mit korrespondierenden Finanzprodukten über Filialbanken oder Partner-Online-Kanäle kombinieren. Daten verdeutlichen esWie gut sich alte und neue Welt in den Augen der Kunden ergänzen, zeigt ein Blick auf Daten des Statistischen Bundesamts. So gelten klassische Finanzdienstleister und Banken bei den Kunden als sicherer, vertrauenswürdiger und zuverlässiger als die jungen Finanz-Start-ups. Fintechs hingegen werden als kundenorientierter und transparenter eingeschätzt als die etablierten Institute. Zusätzlich punkten sie in den Augen der Kunden mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. Mit Kooperationen zwischen Förderbanken und Fintechs könnten auf diese Weise die jeweiligen Schwächen des anderen ausgeglichen werden. Flexibler agierenSetzen Förderbanken auf die digitale Vernetzung mit Finanzierungspartnern, Kooperationen mit Fintechs und die Etablierung eigener Online-Abschlusskanäle, dann können sie ihr bestehendes Vertriebsnetz zu einem digitalen Förderökosystem ausbauen. Als offenes System bietet es Fördernehmern den Vorteil, dass sie mehrere Beratungs- und Antragswege miteinander kombinieren können. Die Einbindung von Finanzierungspartnern und ihren Dienstleistungen erfolgt über digitale Schnittstellen – wodurch eine Ergänzung und Erweiterung des Förderangebots möglich wird.Mit einem digitalen Förderökosystem ist es den Förderbanken möglich, flexibler auf die veränderten Kundenbedürfnisse einzugehen. Ausgehend von einer Kosten-Nutzen-Rechnung können Förderbanken sich hierfür eines bereits etablierten digitalen Ökosystems bedienen oder ein eigenes aufbauen. In jedem Fall ist es unabdingbar, sich auf dem veränderten Markt strategisch neu aufzustellen.—Rainer Wilken, Leader Banking & Capital Markets Advisory bei PwC—Hartmut Liehr, Director im Bereich Financial Services Advisory bei PwC