GASTBEITRAG

Auf dem Weg zur Weltwährung

Börsen-Zeitung, 25.6.2019 Facebook macht Ernst. Mitte Juni hat der Internetgigant angekündigt, die Etablierung einer globalen Währung anzustreben. Sie heißt Libra, ist eine Kryptowährung und soll in der ersten Hälfte des Jahres 2020 lanciert werden....

Auf dem Weg zur Weltwährung

Facebook macht Ernst. Mitte Juni hat der Internetgigant angekündigt, die Etablierung einer globalen Währung anzustreben. Sie heißt Libra, ist eine Kryptowährung und soll in der ersten Hälfte des Jahres 2020 lanciert werden. Misstrauen gegen eines der mächtigsten Unternehmen der Welt ist sicher angebracht. Bevor man jedoch Facebooks Initiative entsprechend vorurteilsbeladen ablehnt, lohnt eine nähere Beschäftigung mit dem Konzept, das der Öffentlichkeit in Form eines Konzeptpapiers (Whitepaper) vorgestellt wurde. Wie Bitcoin, nur zahmerLibra möchte so etwas wie Bitcoin werden, nur zahmer. Eine globale Internetwährung, aber ohne die wahnwitzigen Kursschwankungen, ohne den enormen Energieaufwand zur Aufrechterhaltung des Vertrauens in die Blockchain und ohne die archaische und wenig anwenderfreundliche Art und Weise, Transaktionen durchzuführen. Facebook geht dafür einen interessanten Weg. Das Unternehmen hat zahlreiche Gründungsmitglieder, u. a. aus den Sektoren Zahlungssysteme, Technologie, Telekommunikation und dem nicht gewinnorientierten Bereich, zusammengebracht, die diese Blockchain betreiben sollen. Insgesamt werden es rund 100 Mitglieder sein, die in der Libra-Association organisiert sind und die beim Start der Kryptowährung für eine entsprechend dezentrale Struktur sorgen sollen. Facebook steht dabei neben Mastercard, Ebay, Lyft, Vodafone und Women’s World Banking und vielen anderen Institutionen, um eine Machtkonzentration zu vermeiden. Diese betreiben die sogenannten Knotenpunkte der Libra-Blockchain. Transaktionen, die von zwei Drittel der Knotenpunkte akzeptiert werden, werden in die Blockchain aufgenommen und sind dann gültig. Mit diesem Konsensverfahren erspart man sich das energieaufwändige und extrem langsame sogenannte “Beweis durch Arbeit”-Verfahren, auf dem die Bitcoin-Blockchain basiert. Kurz: Die Transaktionsgeschwindigkeit in der Libra-Blockchain wird damit an die modernen Anforderungen angepasst.Entscheidend für die Akzeptanz der Libra dürfte der sogenannte Stablecoin-Ansatz werden. Die Libra wird jederzeit gegen einen Korb von Währungen einlösbar sein. In der Praxis bedeutet das, dass ein Nutzer aus dem Euroraum seine Libra gegen Euro eintauschen kann, unter Berücksichtigung des Euro-Wechselkurses gegenüber dem Währungskorb. Letzterer dürfte aus den wichtigsten und stabilsten globalen Währungen bestehen wie etwa Euro, Dollar, Yen, Pfund, Schweizer Franken und sicher auch dem Yuan.Hier dringt man dann allmählich auch zum Kern der Funktionsweise der neue Kryptowährung vor. So wird immer dann eine neue Libra geschaffen, wenn Nutzer Libra von der Libra-Association auf einem Börsenplatz kaufen. Da die Libra keinen Zins abwirft, aber das Geld, das die Libra-Association erhalten hat, jedoch zinsbringend investiert werden soll, können mit den entsprechenden Zinserträgen die Blockchain-Infrastruktur betrieben und bei einem Überschuss die Kapitalgeber entlohnt werden. Stellt man sich vor, dass in der Zukunft eine Milliarde Menschen die Libra-Blockchain nutzen, kann sich ein erklecklicher Gewinn ergeben. Damit kopiert das Konzept letztlich das Seigniorage-Modell von Zentralbanken. In der Tat kann man die Libra-Association mit der einer Zentralbank vergleichen, zumal diese auch das Zahlungssystem betreibt.Hier enden aber keineswegs die Visionen dieses möglicherweise bahnbrechenden Konzepts. Vielmehr soll die Libra-Blockchain mit Hilfe von sogenannten smart contracts zu einer Plattform für Finanzinnovationen werden. Einfaches Beispiel: Eine Flugverspätungsversicherung könnte auf der Libra-Blockchain so programmiert werden, dass bei einer Flugverspätung von mehr als zwei Stunden die Libra-Versicherungssumme automatisch an den Versicherungsnehmer gezahlt wird. Die Libra-Blockchain ist dabei so angelegt, dass Programmierer weltweit sich an der Weiterentwicklung der Plattform beteiligen können. Facebook-Netzwerk nutzenEs ist davon auszugehen, dass sich die Libra-Association das Facebook-Netzwerk zunutze machen wird, etwa indem jedem User eine einfach integrierbare Wallet-Funktion angeboten wird, die das digitale Äquivalent einer Geldbörse darstellt. Es wäre geradezu fahrlässig, diesen Vorteil nicht zu nutzen. Dadurch stiege natürlich auch die Attraktivität von Facebook, wobei nicht geplant ist, die Libra-Nutzung nur Facebook-Nutzern vorzubehalten. Mit einer derartigen Exklusivität würde der Glaubwürdigkeit der neuen Währung einen Bärendienst erwiesen.Abgesehen davon bleiben noch einige Fragen offen. So ist gemäß dem Whitepaper ein pseudonymes System geplant, das Adressen erlaubt, die nicht mit der Identität aus der “realen” Welt verknüpft sind. Wie man unter diesen Umständen gleichzeitig vermeiden will, dass Libra zur Geldwäsche genutzt wird bzw. wie man “Know Your Customer”-Regeln einhalten will, bleibt offensichtlich unbeantwortet. Regulierer könnten den globalen Anspruch erheblich bremsen, spätestens wenn es darum geht Zahlungen an sanktionierte Staaten wie den Iran, Venezuela oder Russland zu verhindern. Insofern darf dem Bestreben, aus der zunächst nur für bestimmte Betreiber zugelassenen Blockchain (eine sogenannte permissioned Blockchain) eine nach dem Bitcoin-Vorbild für alle zugelassene Blockchain zu entwickeln, mit sehr viel Skepsis begegnet werden. Geldsystem außer KontrolleMan muss sich nichts vormachen: Hier schickt sich Facebook zusammen mit anderen großen Institutionen der Privatwirtschaft an, der ureigenen staatlichen Institution des Geldes Konkurrenz zu machen. Das kann durchaus wohlfahrtsfördernd sein. Aber spätestens jetzt sollten sich Notenbanken ernsthaft Gedanken über die Einführung eines digitalen Zentralbankgeldes machen, wollen sie im Bereich des Zahlungsverkehrs auch künftig eine dominante Rolle spielen. Ansonsten könnte ihnen das Geldsystem noch stärker außer Kontrolle geraten, als dies ohnehin schon der Fall ist. Kurz: Es wird ernst. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt Hamburg Commercial Bank und Leiter Economics