Auf den Megatrend Gesundheit setzen
Von Anna-Maria BorseDer Gesundheitssektor gilt eigentlich als absolute Zukunftsbranche. Entsprechend lief es an der Börse lange gut. Im September 2015 schickte allerdings ein Tweet von Hillary Clinton Biotech-Aktien auf Talfahrt. Auch Healthcare-Indizes, in denen viele Pharma- und Biotechaktien enthalten sind, verloren deutlich. Zwischen Sommer vergangenen Jahres und Februar 2016 hat der US-Branchenindex Nasdaq Biotech um ein Drittel nachgegeben – und sich seitdem kaum erholt. Clinton hatte sich über die massive Preiserhöhung bei lebenswichtigen Medikamenten empört und Maßnahmen gegen ein solches Vorgehen angekündigt. Dem vorausgegangen war ein beispielloser Höhenflug von Biotech- und Healthcare-Titeln: Zwischen Januar 2010 und dem Höhepunkt im Sommer 2015 hatte sich der Nasdaq Biotech mehr als verfünffacht. Ähnlich rasant nach oben ging es für den Industrieländer-Branchenindex MSCI World Health Care. Sektor bleibt langfristig interessant”Vor den US-Wahlen herrscht erst einmal Zurückhaltung”, erklärt Thomas Meyer zu Drewer von Comstage. Am Markt werden bei einem Wahlsieg Clintons Eingriffe in die Preisgestaltung für Medikamente befürchtet. Doch auch ein Sieg Trumps wird nicht herbeigewünscht: Abgesehen von den Handelshemmnissen, die dieser fordert und die auch die Branche treffen würden, ist Trump Feind der unter Obama lancierten Gesundheitsreform Affordable Care Act (“Obamacare”) und will diese rückgängig machen. Die US-Pharmaunternehmen profitieren aber davon, dass mehr Menschen im Land krankenversichert sind. Einige Analysten befürchten daher Kursverluste nach den Wahlen – ganz egal wie diese ausgehen werden.”Es muss abgewartet werden, was bei den Wahlen herauskommt und was tatsächlich umgesetzt wird”, meint Meyer zu Drewer. “Unsere Analysten zeigen sich für die Healthcare-Branche daher kurzfristig eher zurückhaltend, langfristig ist der Sektor aber weiterhin interessant.” Auf lange Sicht spricht weiterhin viel für die Gesundheitsbranche – vor allem die wachsende Weltbevölkerung und der steigende Wohlstand in vielen Regionen mit einer immer älter werdenden Bevölkerung. Die UNO rechnet für 2050 mit 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde, bis 2100 sogar mit 11,2 Milliarden – im Sommer 2015, als die jüngste der im Zweijahresrhythmus aktualisierten Schätzungen herauskam, waren es 7,3 Milliarden. Einer aktuellen Studie der HSBC über die Zukunft der Konsumentennachfrage zufolge werden 2050 zwei Milliarden Menschen 60 Jahre oder älter sein – heute sind 900 Millionen. Erstmals in der Geschichte werde es bereits 2020 mehr über Sechzigjährige geben als unter Fünfjährige, heißt es außerdem. Rasant steigen werde darüber hinaus die Zahl derer, die über ein mittleres Einkommen verfügen: Verdiente bislang nur gut eine Milliarde Menschen zehn bis 20 US-Dollar pro Tag, seien es 2020 bereits 3,2 Milliarden und zehn Jahre später sogar 4,9 Milliarden. Nicht nur PharmaunternehmenWer auf den Gesundheitstrend setzen will, dem stehen eine ganze Reihe von ETF zu Verfügung: An der Börse Frankfurt sind aktuell 14 Healthcare-ETF gelistet, die größten von ihnen von iShares, Lyxor und DB X-Trackers, doch auch Comstage, Source, Amundi und SPDR haben ETF im Angebot. Hinter den Indizes verbergen sich nicht nur Pharma- und Biotech-Unternehmen, sondern auch Gesundheitsdienstleister, Krankenhausketten oder Hersteller von Medizintechnik. Die meisten der ETF beziehen sich auf den Stoxx Europe 600 Health Care, der 41 Unternehmen aus dem Stoxx Europe 600 abbildet. Schwerpunkt sind aktuell Pharmaunternehmen wie Novartis, Roche, Novo Nordisk, GlaxoSmithKline, Sanofi und AstraZeneca. Daneben gehören aber auch Gesundheitsunternehmen wie Fresenius und Fresenius Medical Care, das französische Augenoptikunternehmen Essilor, der dänische Medizinprodukteanbieter Coloplast, das schwedische Medizintechnikunternehmen Getinge und der Schweizer Zahnimplantate-Spezialist Straumann dazu. Ebenfalls im Index enthalten sind Biotechunternehmen wie Qiagen und Genmab sowie die Biotech-Beteiligungsgesellschaft BB Biotech. Fokus auf SchwellenländerAndere ETF zeichnen die Entwicklung des MSCI World Health Care nach, der Aktien aus dem Industrieländerindex MSCI World enthält. US-Titel sind hier mit mehr als zwei Dritteln stark übergewichtet. Neben dem europäischen Pendant, dem MSCI Europe Health Care, sowie dem S & P 500 Health Care und dem S & P Health Care Select mit ausschließlich US-Aktien beziehen sich einige ETF auch auf speziellere Märkte, konkret der DB X-Trackers MSCI Emerging Markets Health Care mit Fokus Schwellenländer und der DB X-Trackers CSI 300 Health Care mit Fokus China. In beiden Fällen sind die Fondsvolumina überschaubar. “Die allermeisten Sektor-ETF im Bereich der Schwellenländer sind noch recht klein. Dieses Segment ist bei den meisten Investoren noch nicht im Fokus”, erklärt Simon Klein, Leiter Passive Investments EMEA & Asien bei der Deutschen Asset Management. Wegen der zunehmenden Bedeutung von Schwellenländerinvestments geht er allerdings davon aus, dass sich das ändern wird. “In diesem Jahr wurde in ganz Europa per Ende August deutlich mehr in ETF auf Schwellenländermärkte als in Industrieländeraktien investiert”, berichtet Klein. Bisher stünden breite Schwellenländerindizes im Fokus, künftig könnten aber durchaus auch Sektor-ETF mehr Beachtung finden. US-lastige Biotech-BrancheReine Biotech-ETF sind in Deutschland – anders als in den USA – noch nicht auf dem Markt. Ohnehin ist es nicht immer leicht, eine genaue Grenzlinie zu ziehen, auch viele der traditionellen Pharmaunternehmen setzen mittlerweile auf die sogenannten Biologicals. “Im Biotech-Bereich wird eher aktiv angelegt”, meint Meyer zu Drewer zudem. “Wir können auch keine besondere Nachfrage feststellen.” Comstage hat daher keine Pläne für einen Biotech-ETF. Klein zufolge bevorzugen Investoren oft Anlagen, die sie aus ihrem Heimatmarkt kennen würden. “Es gibt einen sehr großen Unterschied zwischen dem breiten, diversifizierten Markt für Biotech-Aktien in den USA und einer eher überschaubaren Branche in Europa oder gar in Deutschland.” Durch die fehlende Erfahrung mit Biotech-Investments sieht auch er keine ausgesprochen große Nachfrage nach reinen Biotech-ETF. “Ich denke, das Angebot an Sektor-ETF für deutsche Investoren ist ausreichend groß.” Volatil und chancenreich Trotz guter Perspektiven insgesamt: Speziell Biotech-Aktien sind extrem volatil. Heute ganz oben, morgen schon ganz unten – das ist das Schicksal nicht weniger Unternehmen in dieser Branche. Das zeigen nicht zuletzt Beispiele wie das des einstigen Vorzeigeunternehmens Theranos, das die Welt der medizinischen Diagnostik revolutionieren wollte. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Testmethoden sorgten aber für Ernüchterung und einen rasanten Kurssturz. “Sektor-ETF sollten eine Beimischung zu einem Kernportfolio sein”, betont Simon daher. Zudem seien die breiten regionalen oder weltweiten Indizes ja bereits in unterschiedlichen Sektoren investiert, mit Sektor-ETF würde die Allokation deutlich erhöht. “Auch sollte Anlegern bewusst sein, dass die Schwankungsbreite in den meisten Sektor-ETF wesentlich höher ist als in den breiten Indizes.” Nach Ansicht von Thomas Bucher von der Deutschen Asset Management ist der aktuelle Zeitpunkt für ein Investment nicht schlecht: “Wegen der Befürchtungen um die US-Wahl hat die Branche jüngst schlechter performt als der Gesamtmarkt. Die Aktienbewertungs-Multiples und die Dividendenrendite sind dadurch wieder attraktiver geworden. Eine weitere Kursschwäche sollte nach unserer Einschätzung eine gute Einstiegsgelegenheit bieten.”