Gedenkfeier

Auf den Spuren von Deutsche-Bank-Manager Hilmar Kopper

Ein Jahr nach Tod von Hilmar Kopper, ehemals Chef der Deutschen Bank, eruieren die Gäste auf einer Gedenkfeier das Wesen guter Führung. Nicht in allen Punkten war Kopper ein leuchtendes Vorbild.

Auf den Spuren von Deutsche-Bank-Manager Hilmar Kopper

Von Jan Schrader, Frankfurt

Zeit ist Geld. Daher kommt es oft auf eine schnelle Entscheidung an, wie Hilmar Kopper sagt. „Ich bin sehr für ein Ja und für ein Nein.“ Der vor einem Jahr verstorbene ehemalige Chef der Deutschen Bank ist heute natürlich nur im Video zu sehen. Doch fast entsteht der Eindruck, als sei Kopper, der 1954 als Azubi in die Bank eintrat, die Deutsche Bank von 1989 bis 1997 als Vorstandssprecher führte und bis 2002 den Aufsichtsrat leitete, selbst im Saal. Rund 200 Gäste, darunter viele Weggefährten Koppers, kamen am Montagabend in die Zentrale der Deutschen Bank, um das Lebenswerk des langjährigen Managers zu würdigen. Schnell drehte sich die Gedenkfeier um die Frage, was eine gute Führungskraft ausmacht.

So gehört eine rasche Auffassungsgabe dazu, wie Althistoriker Hartmut Leppin sagt, Vorsitzender des Kuratoriums des Historischen Kollegs in München, das auch von der Bank unterstützt wird. Gute Führungskräfte erkennen demnach Schwächen in einer Argumentation, auch wenn es sich nicht um ihr Fachgebiet handelt.

Schnell entscheiden, aber nicht allein – auch dafür stand Kopper ein, wie der ehemalige DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch in der gleichen Podiumsrunde sagt: In der Administration des Frankfurter Städel-Museums habe sich Kunstliebhaber Kopper dafür eingesetzt, die ehrwürdige Institution für das breite Publikum interessanter zu machen. So investierte das Museum in einen Museumsladen, in die Beleuchtung, in die Klimaanlage – es ging dabei um viel Geld. „Hilmar Kopper war jemand, der zugehört hat, und dann am Ende gesagt hat: So machen wir es“, sagt Kirsch. „Sein Wort hatte Gewicht.“ Ähnlich beschreibt es auch Historiker Leppin, der Kopper eine „auffällige Präsenz“ attestiert. „Man spürte, wenn er in den Raum trat.“ Zugleich habe er niemals Aufmerksamkeit eingefordert und er habe sich für die Sache zurückgenommen. Als Kopper nach der Ermordung seines Vorgängers Alfred Herrhausen ungeplant an die Spitze der Bank trat, plädierte er selbst für eine Doppelspitze statt für eine alleinige Führung, wie der Wirtschaftshistoriker Harold James, der die Deutsche Bank in seiner Forschung kritisch begleitet hat, in seiner Rede festhält.

Quer im Stall

Ein Banker müsse Persönlichkeit – neudeutsch „Personality“ – haben, sagt Kopper im Interview. Die geladenen Gäste diskutieren, was damit gemeint ist. „Wir brauchen unangepasste Menschen, die auch mal Dinge sagen, die nicht gehört werden möchten“, sagt Julia Heraeus-Rinnert, stellvertretene Vorstandsvorsitzende der Freunde und Förderer der Frankfurter Goethe-Universität, für die sich Kopper ebenfalls eingesetzt hatte. Kirsch warnt derweil vor „zu viel Personality“. Es sei auch wichtig, als Führungskraft die Vorstandskollegen einzubinden, um das Wissen im Unternehmen zu nutzen. „Viele Firmen sind durch zu starke Persona­litys in ganz schweres Fahrwasser gekommen.“ Ähnlich äußert sich Karl von Rohr, der heutige stellvertretene Chef der Bank. Widerspruch und eine faire Auseinandersetzung seien wichtig, das gelte auch für Führungskräfte. „Sie sollten nur nicht zu quer im Stall stehen, sonst stehen sie irgendwann dauerhaft im Weg.“

Die Liste gewünschter Eigenschaften von Führungskräften ist lang, wie an diesem Abend deutlich wird. So sei Kopper offen für Kritik gewesen, wie Wirtschaftshistoriker James weiter erklärt. Selbstironie zeigte Kopper in einer Werbekampagne der „Frankfurter Allgemeinen“, als er sich mit Zeitung auf einer Waggon-Ladung Erdnüsse ablichten ließ und somit auf seinen berühmten sprachlichen Fauxpas der „Peanuts“ anspielte. Integrität gehöre ebenfalls dazu, wie James deutlich machte. „Show rather than tell“, sage man dazu. „Man muss ein anständiger Kerl sein“, erklärt Kopper im eingespielten Interview. Nicht zuletzt gehöre „abschalten können“ zum Handwerk – sonst drohe ein Magengeschwür.

Vor allem aber betont Kopper, eine Führungskraft müsse auch allgemein gebildet sein, wozu er Interesse an Kunst, Kultur und Musik zählt. „Ein guter Banker kann nicht nur Banker sein.“ Zu Beginn der Feier spielen die Schülerinnen Paula Wettengel und Maria Hauptmann vom Musikgymnasium Schloss Belvedere in Weimar auf der Harfe, während am Ende Timon Knötzele von der Franz-Liszt-Hochschule für Musik in Weimar mit der Schülerin Rhoda Knötzele mit Geige und Bratsche den Abend abrunden. Kopper selbst fühlte sich mit der Musik in Weimar verbunden.

Er ist freilich mehr als nur ein Manager, sondern eine historische Figur. James hebt Koppers Rolle in der Wiedervereinigung hervor, als er etwa nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Kohl der Sowjetunion einen Milliardenkredit ge­währte, und die Hinwendung des Konzerns zum Investment Banking. Mit der Übernahme von Bankers Trust habe die Bank eine „völlig neue und sehr, sehr fremde angloamerikanische Kultur“ aufgenommen. Es sei jedoch zu einfach, diesen Schritt aus heutiger Sicht als Fehler zu brandmarken, sagte er.

Vielleicht wäre Kopper zu viel Lob fremd gewesen. Im Interview zeigt er sich als Schlitzohr: Als er in frühen Jahren nach New York geschickt wurde, fuhr er nicht nur im Auftrag der Bank mit dem Bus über viele Tage nach Los Angelas, um eine dortige Finanzierung zu beobachten, sondern reiste auch darüber hinaus durch den Kontinent. Seine Berichte und die Briefumschläge habe er vorbereitet, um seine Reise zu verschleiern. Das habe in Deutschland „Gott sei Dank niemand gemerkt“. Die Gäste lachen über die Schummelei. So viel Personality darf sein.

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