ANLEIHEN

Auf der Suche nach den Zinsen

Die EZB hat gerade die Zinsen gesenkt, und weitere geldpolitische Lockerungen sind zu erwarten. Im Euroraum weisen immer mehr Anleihen negative Renditen auf. Es gibt aber noch Titel mit positivem Zins. Von Kai Johannsen und Werner Rüppel Ab...

Auf der Suche nach den Zinsen

Die EZB hat gerade die Zinsen gesenkt, und weitere geldpolitische Lockerungen sind zu erwarten. Im Euroraum weisen immer mehr Anleihen negative Renditen auf. Es gibt aber noch Titel mit positivem Zins. Von Kai Johannsen und Werner RüppelAb November ist es wieder so weit. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird dann erneut in die Vollen gehen und abermals neue Nettokäufe von Staatsanleihen vornehmen, und zwar für 20 Mrd. Euro, Monat für Monat. Sie wird – so die offizielle Ankündigung – “so lange wie nötig” Anleihen in dieser Größenordnung neu kaufen und diese Käufe erst kurz vor der ersten Zinserhöhung beenden. Und über diese erste Zinserhöhung redet im Markt ohnehin derzeit keiner. Denn das kann noch Jahre dauern. Die EZB hat zusammen mit diesem Beschluss über die Neukäufe von Anleihen den Einlagensatz gerade erst gesenkt. Und Marktteilnehmer stellen sich darauf ein, dass diese Senkung nicht die letzte war. So hat EZB-Präsident Mario Draghi auf der Pressekonferenz Mitte September nach der Sitzung des EZB-Rats erklärt: “Die seit der letzten Sitzung des EZB-Rats neu verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die Konjunkturschwäche im Euroraum länger anhält, ausgeprägte Abwärtsrisiken andauern und der Inflationsdruck verhalten bleibt.” Dies spiegele sich auch in den neuen Projektionen wider.Viele Volkswirte und Zinsanalysten erwarten vor diesem Hintergrund, dass die EZB im kommenden Jahr dann noch nachlegen muss und wird. Sollte sich der US-Handelskonflikt noch ausweiten, und es deutet momentan abgesehen von kurzzeitigen, meist rhetorischen Beruhigungen nichts darauf hin, dass der US-Handelskonflikt auf kurze Sicht aufgrund von endgültigen Einigungen ad acta gelegt werden könnte, ist mit weiteren konjunkturellen Eintrübungen zu rechnen. Auch die US-Notenbank Fed dürfte nach der aktuellen Zinssenkung mit einer neuerlichen Lockerung weiter nachlegen, und die EZB wird dann aller Voraussicht nach die Maßnahmen im Rahmen von Quantitative Easing ausweiten. Und so sollten sich Anleger durchaus darauf vorbereiten, dass die Währungshüter der Eurozone das Volumen der Bondankäufe noch erhöhen, vermutlich im nächsten Schritt auf 30 Mrd. Euro pro Monat. Das ist eine nicht selten gehörte Prognose. Das könnte – je nach Grad der konjunkturellen Eintrübung – schon im ersten Halbjahr 2020 der Fall sein. Immer mehr negative RenditenUnd auf welche Marktimplikationen müssen sich die Anleger damit einstellen? Auf so einige. Die Spreads von Anleihen werden sich durch die Bank weg weiter einengen. Die Renditen der Staatsanleihen und auch der Bonds anderer Emittenten, die in den Genuss von EZB-Käufen kommen (werden), werden weiter sinken. Das Universum von Anleihen mit einer negativen Rendite wird noch größer werden. Viele Bondmarktsegmente werden noch höhere Grade von Illiquidität aufweisen. Und der seit Jahren zu beobachtende Prozess der Verdrängung der Investoren in andere angrenzende Bondmarktsegmente, aber auch in andere Assetklassen wird nochmals befeuert. Denn Anleger, die keine negativen Renditen wollen oder Papiere mit solchen Negativrenditen aufgrund von Anlagevorschriften nicht kaufen dürfen, müssen auf entsprechende Alternativen ausweichen. “Das bedeutet für viele Investoren, dass sie noch längere Laufzeiten als bisher in Kauf nehmen müssen, wenn sie eine auskömmliche oder wenigstens positive Rendite erwirtschaften wollen. Oder sie müssen auf der Bonitätskurve nach unten wandern, d.h. sie müssen Anleihen von Emittenten mit schlechteren Ratings kaufen. Das ist eine Konsequenz der QE-Maßnahmen der EZB”, sagt Matthias Schell, Investmentanalyst im Strategy Research der Landesbank Baden-Württemberg. Die Probleme, die damit seit Jahren zu beobachten sind, werden sich nach Ansicht von Schell damit nur noch weiter verschärfen. “Anleger müssen einfach mehr ins Risiko gehen, wenn sie noch einen akzeptablen Ertrag und eben keine Minusrendite mehr sehen wollen. Das ist alles nicht gerade unkritisch. Man denke nur an die Probleme, die dadurch bei vielen privaten Anlegern in der Altersvorsorge aufkommen”, ergänzt Schell. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass auch schon die ersten High-Yielder-Adressen, also Emittenten mit einer Einstufung der Kreditwürdigkeit im spekulativen Bereich – das sind Ratings von BB+ und tiefer – bereits Bonds mit negativen Renditen ausstehen haben. Man muss also teilweise schon deutlich höhere Risikograde in Kauf nehmen, im Vergleich zu den Risikograden, die man dafür noch vor ein paar Jahren akzeptieren musste. Günstige Finanzierung Wer ist nun der Nutznießer einer solchen Situation? “Das sind beispielsweise die Unternehmen, die sich in den nächsten Jahren über sehr günstige Refinanzierungskonditionen – etwa an den Unternehmensanleihemärkten in Europa – freuen können. Denn hohe Zinsen werden sie in diesem Umfeld aus derzeitiger Sicht nicht zu befürchten haben”, sagt Schell. So ist denn auch damit zu rechnen, dass die Unternehmen dieses Umfeld in den kommenden Monaten oder gar den ein oder zwei nächsten Jahren für verstärkte Auftritte mit neuen Bonds nutzen werden. Die Pipeline an Neuemissionen in Europa wird demzufolge gut gefüllt bleiben. Anleger werden sich in dieser Hinsicht keine Sorgen über mangelnden Bond-Nachschub machen müssen. Das Umfeld aus Niedrig-, Null- und Negativrenditen bleibt den Anlegern noch für geraume Zeit erhalten – mit all seinen Verzerrungen.Viele renommierte Anlageexperten raten vor diesem Hintergrund zur Aktienanlage. “Solange die Situation so ist, wie sie ist, sind Aktien praktisch alternativlos”, sagt Wolfgang Leoni, Geschäftsführer von HQ Asset Management. “Auch wenn ich damit seit zwei Jahren falsch liege, würde ich heute niemandem empfehlen, seine Rentenquote massiv aufzustocken und bei bei negativen Renditen 10- oder 30-jährige Bundesanleihen zu kaufen.”Für Anleger, die noch Anleihen mit positiver Rendite bei einigermaßen vertretbarem Risiko suchen, wird es inzwischen schwierig. Aber nach den Berechnungen von LBBW Research gibt es zumindest noch einige auf Euro lautende Anleihen mit einem Mindestrating von BB mit positiver Rendite. Die genauen Details der Emissionen sind in der Tabelle aufgeführt.Bei den staatlichen Emittenten oder Staatsunternehmen bieten zum Beispiel die französische Bahn SNCF oder das Land Slowenien eine Rendite von rund 1 % im Jahr. Diese Emissionen weisen allerdings mit Fälligkeit 2048 bzw. 2045 eine relativ lange Laufzeit auf. Zudem gilt es bei der SNCF-Anleihe noch die Mindeststückelung von 100 000 Euro zu beachten. Gleiches trifft auf eine Staatsanleihe von Mexiko zu, die immerhin noch eine Rendite von 1,19 % im Jahr abwirft. Lange NRW mit positiver RenditeIm Vergleich zu Bundesanleihen mit ihren negativen Renditen erscheint ein Bond des Bundeslands Nordrhein-Westfalen (NRW) interessant, den es in einer Stückelung von 1 000 Euro gibt und der noch auf eine Rendite von 1,24 % p.a. kommt ? das aber bei einer extrem langen Laufzeit von knapp 100 Jahren bis 2119. Neben NRW können Anleger mit rumänischen Staatsanleihen im Euro noch Geld verdienen; hier ist die Laufzeit auch deutlich kürzer.Mit höheren Risiken als die aufgeführten Staatstitel sind ausgewählte Unternehmensanleihen verbunden. Dafür bieten sie aber noch höhere Renditen. So sind mit Bonds von Engie, Telecom Italia, Petroleos Mexicanos, Netflix und der UniCredit noch Renditen von 3 % im Jahr zu erzielen. Wobei der Engie-Bond eine extrem lange Laufzeit bis 2111 aufweist und die mit BB – bewertete Netflix nicht für risikoaverse Anleger geeignet ist. Auch hier gilt es, die Mindeststückelung zu beachten. Risiken immer höher Positive Renditen in Euro sind auch noch bei einigen vorzeitig kündbaren Anleihen oder nachrangigen Titeln zu finden. Insgesamt werden die Risiken, die Anleger für positive Zinsen in Kauf nehmen müssen, aber immer größer.